54 neue Aufbauten für besseren Schallschutz

Ein Artikel von Stefan Leitner, D.r Bernd Nusser | 08.05.2023 - 11:35

Die Holzforschung Austria untersucht im Projekt Sound.Wood.Austria gemeinsam mit der TU Graz die wesentlichen Einflussfaktoren von unterschiedlichen Aufbauten auf die schalltechnischen Eigenschaften von Bauteilen aus Holz. Ziel ist die Steigerung der Planungssicherheit beim Schallschutz von Holzbauten. Die Bundesinnung Holzbau ist neben verschiedenen weiteren Organisationen und Partnerunternehmen am Projekt beteiligt. Einige Zwischenergebnisse wurden bereits im Magazin präsentiert. Nun sind Messergebnisse von 54 Aufbauten auf der Plattform dataholz hinterlegt.

Schall: komplex, launisch und unberechenbar

Schallwellen sind Schwingungen von Masseteilchen. Das ist eigentlich ganz einfach, doch ab jetzt wird es kompliziert: Denn die Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs, um diese Schwingungen wahrzunehmen, ist frequenzabhängig. Weil der wahrnehmbare Schalldruck (Einheit Pascal [Pa]) mehrere Zehnerpotenzen (!) umfasst, wird dieser logarithmisch zum Schalldruckpegel (Einheit Dezibel [dB]) umgerechnet und somit für die Berechnung von Schallkennwerten verwendet. Was man unter Lärm, also störendem Schall wahrnimmt, ist darüber hinaus individuell verschieden und von der Situation abhängig. Während ein tropfender Wasserhahn in einem absolut stillen Raum äußerst störend sein kann, empfinden viele das stimmungsvolle Rauschen eines Baches als sehr angenehm. 

Ziel des Schallschutzes ist es, unerwünschten Schall zu reduzieren. Unter den beschriebenen Rahmenbedingungen technisch mess- und beschreibbare Anforderungswerte zu definieren, lässt per se Spielraum für Diskussionen. Das Baurecht reguliert den Schallschutz im Gegensatz zum Wärmeschutz zudem über am Bau tatsächlich erreichte und gemessene Werte. Bei Berechnungen und Vordimensionierungen von bisher nicht auf der Baustelle gemessenen Ausführungsvarianten sollten deshalb Prognose-Unsicherheitszuschläge berücksichtigt werden. 

Erweiterter Frequenzbereich

Der in vielen Regelwerken herangezogene „bewertete Frequenzbereich“, in dem Bauteile schalltechnisch durch einen Einzahlkennwert bewertet werden, geht von 100 Hz (Herz) – 3.150 Hz. Der sogenannte „erweiterte Frequenzbereich“ von 50 Hz – 5.000 Hz gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. Im Zuge des Projektes Sound.Wood.Austria wurde das schalltechnische Verhalten von Holzbauteilen (Außenwände, Trennwände, Trenndecken) auch im erweiterten Frequenzbereich, d.h., ab 50 Hz gemessen. 

Spektrum-Anpassungswerte für genauere Aussagen

Um eine Aussage über die schalltechnische Performance eines Bauteiles zu treffen, lohnt es sich, neben den Einzahl-Angaben wie dem Bewerteten Schalldämm-Maß (Rw) oder dem Bewerteten Norm-Trittschallpegel (Ln,w) die ganze Messkurve über den relevanten Frequenzbereich anzusehen. An der Messkurve sind akustische Stärken und Schwächen eines Bauteils ablesbar. Sogenannte Spektrum-Anpassungswerte ergänzen die Einzahlangaben und präzisieren diese. 

Im Projekt Sound.Wood.Austria wurden die Spektrum-Anpassungswerte im erweiterten Frequenzbereich ab 50 Hz ermittelt. Seit Ende 2022 sind die diesbezüglichen Messeprotokolle von 54 Aufbauten auf der Plattform dataholz.eu für angemeldete Nutzer kostenfrei abrufbar.

Rw: Bewertetes Schalldämm-Maß, kennzeichnet die Luftschalldämmung eines Bauteils [dB]
Ln,w: Bewerteter Norm-Trittschallpegel, kennzeichnet die 
Trittschalldämmung eines Bauteils [dB]
Ctr: Spektrumanpassungswert für Luftschall beispielsweise bei Verkehrslärmbelastung (ab 100 Hz), wird zum Rw addiert [dB]
C50: Spektrumanpassungswert für Luftschall beispielsweise bei Wohnlärmbelastung ab 50 Hz, wird zum Rw addiert [dB]
CI50: Spektrumanpassungswert für Trittschall ab 50 Hz, wird zum Ln,w addiert [dB]

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© HFA

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© HFA

Ln,w: 47  dB; CI50: 4 dB, Flankenzuschlag 5 dB (vereinfacht bewertet), Prognoseunsicherheit 3 dB, Korrekturwert Raumvolumen: -1 dB (Empfangsraum ≥ 40 m³)

LnT,w = 47 dB + 5 dB + 3 dB -1 dB
            = 54 dB

LnT,w + CI50 = 54 dB + 4 dB
                        = 58 dB ≤ 58 dB

Metawissen_Messkurve.png

Norm-Trittschallpegel der auf dataholz.eu ausgewählten BSP-Decke. Wie zu erkennen ist, zeigt der Deckenaufbau den höchsten Norm-Trittschallpegel bei 50 Hz, bereits bei 100 Hz treten deutlich geringere Werte auf. Mit einer ungünstig ausgelegten abgehängten Unterdecke können aufgrund der Masse-Feder-Masse-Resonanzen der Unterdecke im tiefen Frequenzbereich auch deutlich höhere Norm-Trittschallpegel und somit höhere CI50-Werte auftreten. Aus diesem Grund ist bei BSP-Decken mit abgehängter Unterdecke Vorsicht geboten. © HFA

Freiwillige Schallschutzklassen in der Norm

Für die bauakustische Planung sind die Spektrum-Anpassungswerte von Bedeutung, da beispielsweise die ÖN B 8115-5 in der aktuellen Ausgabe (2021) bereits in der Basis-Schallschutzklasse C Grenzwerte für die Einzahlkennwerte inkl. den Spektrum Anpassungswerten ab 50 Hz beschreibt (alternative Nachweisführung über den Einzahlkennwert und die maximale Resonanzfrequenz, siehe Beitrag in Heft 4/2021). Die Schallschutzklassen dieser Norm bilden die Basis für eine freiwillige Deklaration und müssen bei Bedarf gesondert zivilrechtlich vereinbart werden.

Muss ich das bei meinen Bauten berücksichtigen?

Nicht unbedingt, denn die baurechtlichen Anforderungen in der aktuellen Ausgabe der OIB-Richtlinie 5 (2019) bleiben von den Klassifizierungen der Norm unberührt. Auch in der neuen Ausgabe der OIB-Richtlinie 5 ist nicht zu erwarten, dass die Anforderungswerte der ÖN B 8115-5:2021 bereits ins Baurecht aufgenommen werden. Die neuen OIB-Richtlinien werden voraussichtlich noch in der ersten Jahreshälfte 2023 erscheinen.