Fehlen einer CE-Kennzeichnung ist für sich noch kein Mangel

Ein Artikel von Birgit Gruber | 22.01.2024 - 12:21
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Im Rahmen eines Bauträgervertrages  wurde festgehalten:  „Die Ausführung hat entsprechend […] den zum Zeitpunkt der Baubewilligung geltenden einschlägigen ÖNORMEN zu erfolgen.“ Inhalt des Vertrages war unter anderem die Lieferung von Fenstern, Terrassen- und Balkontüren.

Punkt 4.8 der einschlägigen ÖNORM B 5320 schreibt vor, dass hierfür eine CE-Kennzeichnung erforderlich ist. Diese fehlte jedoch und war einer der Anknüpfungspunkte für eine Klage. Bereits die ersten zwei Instanzen gaben in diesem Fall der Klägerin nicht recht. Dennoch ging es zum OGH. Auch dort gewann der Beklagte in diesem Punkt. Es wurde nämlich festgehalten, dass die Klägerin die geltend gemachte Mangelhaftigkeit der Fenster, Balkon- und Terrassentüren allein mit dem Fehlen der CE-Kennzeichnung begründete.
In weiterer Folge zitiert das Höchstgericht zahlreiche Literaturmeinungen aus Deutschland, da es kein einschlägiges Urteil aus Österreich gibt. Diese gehen schwerpunktmäßig in die Richtung, dass allein die Verwendung eines Bauprodukts mit einer CE-Kennzeichnung kein Anscheinsbeweis dafür ist, dass das Bauprodukt aus diesem Grund mängelfrei ist. Umgekehrt könne allein durch das Fehlen der CE-Kennzeichnung nicht unwiderleglich angenommen werden, dass das Bauprodukt mangelhaft sei. Ob eine CE-Kennzeichnung vorliege, ist für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit somit nicht entscheidend. Allein der Umstand, dass das verwendete Bauprodukt nicht mit einer Kennzeichnung versehen sei, begründet also keinen Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik, zitiert das Gericht weiter.

Mit der Anbringung der CE-Kennzeichnung wird nämlich nur erklärt, dass das Produkt grundsätzlich allen anzuwendenden Vorschriften der Europäischen Union entspricht und die entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurden. Der erkennende Senat des OGH schließt sich letztendlich ebenfalls der überwiegend in der deutschen Lehre vertretenen Meinung an: Vor dem Hintergrund, dass eine CE-Kennzeichnung keine Aussage über die Qualität des Bauprodukts, sondern lediglich eine Leistungserklärung des Herstellers enthält, die verspricht, welchen Anforderungen das Produkt generell gerecht wird, kommt ein Mangel allein wegen der Verwendung nicht CE-gekennzeichneter Bauprodukte somit nur dann in Betracht, wenn eine CE-Kennzeichnung ausdrücklich vereinbart wurde. Nun wurde eine solche mit dem allgemeinen Hinweis auf „einschlägige ÖNORMEN“ im Vertrag nicht ausgemacht? Die Antwort ist durchaus überraschend: Nein. „Wenn“ – wie hier – so die Höchstrichter, „die konkreten ÖNORMEN zur CE-Kennzeichnung (ÖNORM B 5320 und ÖNORM EN 14351-1) weder genannt werden, noch über eine CE-Kennzeichnung gesprochen wird, kann der Verweis auf die geltenden ÖNORMEN nur dahin verstanden werden, dass die Ausführung dem Stand der Technik entsprechen muss, nicht aber, dass darüber hinaus eine CE-Kennzeichnung vereinbart wurde.

Daraus folgt, dass – mangels Vereinbarung einer CE-Kennzeichnung – ihr Fehlen allein keinen Sachmangel begründet. Anders gesagt, hätte die Erfordernis dieser Kennzeichnung explizit im Vertrag festgehalten werden müssen.