Der 2019 folgende European Green Deal ist integraler Bestandteil der Bemühungen der EU, die Ziele des Pariser Abkommens umzusetzen und die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Jener soll auch dazu beitragen, eine nachhaltige und wettbewerbsfähige Wirtschaft in der EU zu fördern. Dessen sechs Umweltziele sind:
- Klimaschutz
- Anpassung an den Klimawandel
- Nachhaltige Nutzung und Schutz von
- Wasser- und Meeresressourcen
- Übergang zur Kreislaufwirtschaft
- Reduzierung der Umweltverschmutzung
- Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme
Unsere Wirtschafts- und Lebensweise ist geprägt von einer linearen Struktur: Rohstoffe werden der Natur entnommen („take“), um daraus Produkte und Güter aller Art herzustellen und Energie zu gewinnen („make“). Die meisten der dabei entstehenden „Nebenprodukte“ und die Produkte nach oft nur kurzer Nutzung („use“) landen als Abfall und Emissionen in Luft, Wasser und Boden wieder in unseren Ökosystemen („waste“). Der starke Anstieg im Ge- und Verbrauch von Ressourcen verursacht so erhebliche Umweltbelastungen. In Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und Klimaschutz kommt der Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, der Abfallmenge und Emissionen eine herausragende Bedeutung zu. Um dies zu erreichen, ist eine grundlegende Umgestaltung erforderlich – weg von der linearen Wirtschaftsweise „take-make-use-waste“ hin zur Kreislaufwirtschaft.
Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie
Die Vision der Bundesregierung ist die Umgestaltung der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft in eine klimaneutrale, nachhaltige Kreislaufwirtschaft bis 2050. Das ermöglicht eine nachhaltige Entwicklung, die sowohl das Funktionieren unseres Ökosystems als auch Lebensqualität und materiellen Wohlstand für uns und künftige Generationen sichert. Das Bundesministerium für Klimaschutz hat dazu in Zusammenarbeit mit BMSGPK, BMAW und BML eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie erarbeitet, die am 7. Dezember 2022 vom Ministerrat beschlossen wurde.
Grundsätze der Strategie
Die Umwandlung von einer linearen Wirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft erfordert einen drastisch veränderten Umgang mit unseren Ressourcen. Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie orientiert sich dabei an den in der Abbildung dargestellten Kreislaufwirtschaftsgrundsätzen (R-Grundsätze), die nach ihrer Relevanz geordnet sind. Eine vorrangige Maßnahme besteht darin, Systeme, Geschäftsmodelle, Dienstleistungen und Produkte von Anfang an ganzheitlich zirkulär zu gestalten („circular by design“), um so den Ressourcenverbrauch zu vermeiden oder zu reduzieren.
Derzeit bestehen zahlreiche Hindernisse, die dazu führen, dass nachhaltige zirkuläre Produkte und Dienstleistungen eher die Ausnahme als die Regel sind. Im Folgenden werden die übergeordneten Interventionsbereiche der österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie auf sektoren- und branchenübergreifender Ebene dargestellt:
1. Rechtliche & regulatorische Rahmenbedingungen
- Rechtliche Hindernisse beseitigen
- Experimentierräume für Innovationen schaffen
- Abfallrecht weiterentwickeln
- Rechtlichen Rahmen für die „Sharing-Economy“ schaffen
- Normen und Standards für die Kreislaufwirtschaft entwickeln
- Ökodesign Rechtsrahmen mitgestalten
- Verwendung von Sekundärrohstoffen steigern
- Konsument:innen-Rechte ausbauen
2. Kluge Marktanreize
- Fiskalische Instrumente nutzen
- Zirkuläre Beschaffung ausbauen
- Erweiterte Produzentenverantwortung etablieren
3. Finanzierung und Förderung
- Fördermittel für die Kreislaufwirtschaft nutzen
- Marktverzerrungen ausgleichen
- Sozialökonomische Betriebe in der Kreislaufwirtschaft stärken
- Private Finanzierungen ausbauen
4. Forschung, Technologieentwicklung und Innovation (FTI)
- FTI-Initiative Kreislaufwirtschaft
- Leit-, Pilot- & Demonstrationsvorhaben
- EU FTI-Fördermittel zur Kreislaufwirtschaft
- Sozialwissenschaftliche Forschung und soziale Investitionen fördern
5. Digitalisierung
- Industrie 4.0, IoT, KI
- Digitale Produktpässe
- Zirkuläre Geschäftsmodelle
- Datenschutz & Cyber Security
6. Information, Wissen und Zusammenarbeit
- Unternehmenskompetenz stärken
- Circularity Lab Austria aufbauen
- Private Nachfrage stimulieren
- Qualifizierungsbedarf bestimmen
- Kreislaufwirtschaft ins Bildungssystem integrieren
- Zusammenarbeit fördern
Zusammenfassung und Schlussworte
Die Branche „Bauwesen und Gebäude“ beansprucht einen beträchtlichen Anteil der Ressourcen. Daher ist es von herausragender Bedeutung, ressourcenschonende und zirkuläre Bauweisen zu implementieren. Besonders in der Entwicklungsphase (Konzeption, Planung und Ausschreibung) werden wesentliche Weichen für die Lebensdauer von Gebäuden sowie die Recycling- und Wiederverwendungsmöglichkeiten der verwendeten Materialien gestellt. Hierbei fallen entscheidende Materialwahlentscheidungen an, die darauf abzielen, einen reduzierten materiellen und ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, etwa durch den Einsatz biogener Materialien wie Holz, Flachs oder Schafwolle.
Nur gemeinsam können die Weichen in Richtung Kreislaufwirtschaft gestellt werden. Das ist in vielen Punkten noch Neuland und muss erst zum Baustandard werden. Für größtmögliche Praktikabilität ist es nicht immer gefordert, sofort hundert Prozent Kreislauffähigkeit anzustreben, jeder Beitrag hilft, die Transformation voranzutreiben. Dies ist einer der großen Vorteile eines allumfassenden Paradigmenwechsels.