Forschung mit Herzblut

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 28.03.2024 - 13:55
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Dr. Manfred Brandstätter © Holzforschung Austria

Über 30 Jahre waren Sie an der Holzforschung Austria (HFA) tätig. Holzschutz verbindet man mit der HFA wie Wasser mit dem Meer.

MB: Stimmt, der Themenkomplex Holzschutz war bereits bei der Gründung des Vereins 1948 ein wichtiger. Erste Broschüren und Fachtagungen waren diesem Thema gewidmet. Bis heute spielen Fragen dazu eine wichtige Rolle in der täglichen Arbeit. Was sich geändert hat: Heute ist das Bewusstsein für eine möglichst sparsame Anwendung von chemischen Maßnahmen deutlich höher als früher.

Konstruktiver Holzschutz ist Voraussetzung für jedes Bauwerk, das in Holz errichtet wird. Stimmt?

MB: Dem ist nichts entgegenzuhalten. Hier kommt der Holzbau oft in einen Konflikt mit der Architektur. Natürlich empfiehlt der Holzbauexperte ein großes Vordach, um das Holz zu schützen. Wir brauchen trotzdem Möglichkeiten, welche die zeitgemäße Architektur bedienen. Denn sie ist es, die den Holzbau voranbringt. Es wurden etliche funktionierende Lösungen gefunden. Aufholbedarf gibt es überall dort, wo andere Gewerke ins Spiel kommen. Dort, wo Wasser transportiert wird. Kommt es bei anderen Gewerken zu mangelhaften Ausführungen, schadet das dem Holzbau massiv. Reaktionen darauf müssen verbesserte Wartungs- und Kontrollmöglichkeiten sein.

Zertifizierungen gelten als ebenso wichtiger Arbeitsschwerpunkt des Instituts. Das Feld wird immer dichter. Wie beurteilen Sie die Zertifizierungslandschaft?

MB: Zertifikate sind eine Notwendigkeit, die von der Gesetzgebung verlangt werden. Aber sie sind auch vertrauensbildend im Austausch der Waren innerhalb der Gewerke. Ein CE-Zeichen ist nicht weniger als der Beweis, dass das Produkt nach geltenden Gesetzen und Normen hergestellt wurde, bestätigt von einem unabhängigen Dritten. Das ist auch für die Wirtschaft wichtig, vor allem, was die Nachhaltigkeitszertifikate angeht. Es besteht ein großes Bedürfnis, Holz aus nachhaltiger Quelle für Gebäude zu beziehen. Das Verständnis für die Sinnhaftigkeit einer Zertifizierung ist im unternehmerischen Bereich durchaus vorhanden. Anders bei den Konsumenten, da sehe ich noch Aufklärungsbedarf, wofür die jeweiligen Zertifikate stehen.

Sie waren fortwährend in verschiedenen Normungsgremien tätig. Ist diese Arbeit heute leichter als noch vor 20 Jahren?

MB: Die Normungsarbeit war immer ein partizipativer Prozess und da liegt es an den Teilnehmenden in den Gremien, wie gut und effizient gearbeitet wird. Früher gab es mehr Kontinuität und mehr Breite in den Ausschüssen. Das fehlt heute zum Teil. Auch das Bewusstsein für die Normung generell ist meiner Wahrnehmung nach geschwunden. Ich bin aber zutiefst überzeugt, dass eine Normung von Produkten und Prozessen eine wichtige Funktion in einer arbeitsteiligen Wirtschaft hat.

Wie wichtig ist es, sich innerhalb der Gremien aktiv für den Holzbau einzusetzen?

MB: Am wichtigsten ist: Der Holzbau als ausführendes Gewerk muss selbst am Normungsprozess aktiv beteiligt sein. Wenn man sich hier zurücknimmt, entscheiden andere, was geht und was nicht.

Hat die Bereitschaft von KMUs, sich hier einzubringen, über die Jahre hinweg zugenommen?

MB: Von einer verstärkten Beteiligung von KMUs ist nichts zu spüren, eher im Gegenteil. Mitarbeiter für Normung abzustellen, kostet Zeit von hochqualifiziertem Personal. In zig Gremien sitzt nur ein oder im schlechtesten Fall kein Holzbauvertreter, weshalb der Baustoff dann in diversen Normen nicht praxisgerecht dargestellt wird. Und gerade in einem zunehmenden Wettbewerb, wo die Märkte schrumpfen, erhöht sich der Druck sukzessive. Hinzu kommt: Es sitzen viele Hersteller in Gremien, die auch ihre Einzelinteressen bestmöglich in die Norm bringen möchten. Der Ausführende sollte hier den Partikularinteressen entgegentreten und mitentscheiden, wie breit das Produktangebot bleibt.

Was war für Sie ein Gamechanger in der Geschichte des Holzbaus?

MB: Bestimmt die Vorfertigung, also die Elementfertigung in der Werkstätte. Das hat den Holzbau immens vorwärtsgebracht und ist noch immer einer der größten Vorteile gegenüber anderen Bauweisen. 

Wo gibt es Stärken des Holzbaus, die noch zu wenig genutzt werden?

MB: In der Kommunikation über den CO2-Speicherung könnten wir noch stärker werden. Welche positiven Nebeneffekte sind damit verbunden, wenn ich mit Holz baue? Ich glaube, die Vorteile sind der breiten Masse nicht in vollem Ausmaß bewusst. Energieautarkes Wohnen ist ebenfalls ein Thema, das mit dem Holzbau perfekt Hand in Hand geht. Auch diese Stärke könnten wir noch besser hervorheben. Technisch ist der Holzbau seit Jahren auf einem sehr guten Weg. 

Ein Blick in die Glaskugel: Welche gravierenden Veränderungen kommen auf die Holzbaubranche zu?

MB: Auch die großen Baukonzerne haben sich um den Holzbau angenommen, Holzbaukompetenz aufgebaut oder zugekauft. Das sagt mir etwas: Der Holzbau ist wichtig, wird in der Öffentlichkeit gesehen und hat Zukunft. Aber diese Entwicklung birgt natürlich auch ein gewisses Risiko, wenn sich diese großen Industriekonzerne dem Thema Holzbau annehmen. Das hat möglicherweise Auswirkungen auf die kleinen und mittleren Unternehmen. 

Wo gibt es Aufholbedarf der Branche?

MB: Wenn die Projektvolumina größer werden, wovon ich überzeugt bin, braucht es auch bei den Holzbauern größere Einheiten und diese könnten im Mitbewerb zur Industrie über Kooperationen erreicht werden.  

Ihr Schlusswort?

MB: Grundsätzlich bin ich sehr positiv eingestellt. Wir haben nach wie vor den besten Rohstoff, das beste Material zur Verfügung. Die Branche ist innovativ und fortschrittlich. Der Blick in die Glaskugel sagt dem Holzbau noch eine große Zukunft voraus. 

Zur Person

Dr. Manfred Brandstätter, geboren 1958, war nach Absolvierung der HTL für Holzwirtschaft in Kuchl in der Holzindustrie tätig. Danach studierte er Holzwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien und trat anschließend in die Geschäftsführung des elterlichen Sägewerks ein. 1990 kam er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das damalige Österreichische Holzforschungsinstitut und übernahm bereits 1995 die Abteilung „Holzbau und Rohholz“. Seit 2001 war er Institutsleiter der Holzforschung Austria und seit 2005 auch Geschäftsführer des Trägervereins. Seit Januar befindet sich Brandstätter sich im Ruhestand und übergab die HFA-Geschäftsführung an Dr. Gerhard Grüll.