Die sich auflösende Unterspannbahn

Ein Artikel von Bernd Haintz | 13.05.2024 - 10:06
Portrait_BerndHaintz.jpg

Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Die Rechtslage ist hier eine vielschichtige: Die Dachfolie löst sich aus welchen Gründen auch immer vorzeitig auf, niemand will dafür haften und der Bauherr steht vor dem Dilemma eines undichten Daches. Die dreijährige Gewährleistungsfrist ist in der Regel bereits abgelaufen, wenn der Mangel auftritt. Dies wäre ja, da verschuldensunabhängig, sonst die einfachste Möglichkeit, zu einer Mängelbehebung zu kommen. Denn egal, warum das Material versagt, zum Beispiel bei einem Produktionsfehler, im Rahmen der Gewährleistung wäre sie durch den Verleger auszutauschen. Aber auch ein sogenannter „versteckter“ Mangel verlängert die Gewährleistung nicht.

Im konkreten Fall nun hat der private Bauherr den deutschen Hersteller der Unterspannbahn nach Produkthaftungsgesetz geklagt, da sie nach fast zehn Jahren schadhaft beziehungsweise teilweise völlig zerstört war. Dies geschah somit noch knapp innerhalb der zehnjährigen Haftungsfrist. Wichtiger rechtlicher Anknüpfungspunkt, um klagen zu können, ist auch, dass das Dach privat genutzt wurde. Im gesamten Dachbereich hatte die Dachfolie die ursprüngliche Schutzwirkung verloren, sodass sie das Wasser von der Folie nicht vom Eindringen in unter der Folie liegende Teile des Daches abgehalten hatte. Dennoch war es noch zu keinen Folgeschäden am Dach beziehungsweise anderen Gebäudeteilen gekommen, es war lediglich die Dachfolie selbst schadhaft oder zerstört. Nur durch Zufall wurde nämlich nach einem Sturm der Schaden sichtbar, weil einzelne Dachziegel verrückt waren. Der Grund für diese Auflösungserscheinungen lag laut Sachverständigen in einer mangelnden Hitzebeständigkeit. Die Folie wurde vom Käufer – bezogen bei einer Zimmerei – selbst fachgerecht aufgebracht und von einem Fachunternehmen eingedeckt. Nun wurde der deutsche Hersteller der Folie geklagt:  Zur Sanierung muss die schadhafte Folie durch eine neue Folie ersetzt werden, was natürlich voraussetzt, dass die Dachziegel abgenommen und nach dem Austausch der Folie wieder aufgelegt werden. Bei jedem Abdecken eines Daches kommt es bekanntlich zu einem Bruch von einem Teil der Dachziegel. Die Wiederherstellungskosten bei Beauftragung eines Fachunternehmens (Arbeitszeit für Facharbeiter und Helfer, Material in Form von Dachziegeln und neuer Dachfolie) für den Teil der Dachfläche, bei dem die gegenständliche Dachfolie verwendet wurde, betragen rund. 20.000 € netto. Folienwert war übrigens 680 €. In den ersten zwei Instanzen wurde die Causa unterschiedlich entschieden, also musste der OGH herangezogen werden.

Allgemein hielt das Höchstgericht fest, dass das Produkthaftungsgesetz einen verschuldensunabhängigen, vor allem Konsumenten begünstigenden Mindestschutz gewährt, es aber nicht Aufgabe der Produkthaftung sei, alle (!) nachteiligen Folgen auszugleichen. So meint das Gesetz eingangs, dass nur, wenn eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt wurde, eine Haftung besteht. Genau dies war aber nicht der Fall, denn durch die frühzeitige Erkennung war noch kein weitergehender Schaden am Dach des privaten Bauherrn eingetreten, als eben die defekte Folie. Auch weitere Versuche, zu Schadensersatz zu kommen, schlugen fehl. Die Konstruktion des „Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter“ ging ebenso ins Leere wie der Vorwurf, es wäre der Produktbeobachtungspflicht des Herstellers nicht entsprochen worden. Denn es war nicht belegbar, dass zuvor schon ähnliche Probleme aufgetreten wären, worauf hätte reagiert werden müssen.