Die Haftung für einen helfenden Verwandten

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 09.07.2024 - 09:26
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Der Bauherr wollte für seine Skischule ein Gebäude errichten. Bei der Planung und auch vor Ort auf der Baustelle half ihm sein Schwager, der Dienstnehmer eines Bauunternehmens ist. Teils erfolgte dessen Mitarbeit im Rahmen der Verwandtschaftshilfe, teils über die Baufirma, die mit Materiallieferungen und Arbeitsleistungen in Regie beauftragt wurde, u.a. im Zusammenhang mit einer Dachkonstruktion.

Der Onkel des Bauherrn, ein Gemeindebediensteter, half ebenfalls im Rahmen der Verwandtschaftshilfe auf der Baustelle mit. Dort begab er sich aus nicht mehr feststellbaren Gründen auf das in Errichtung befindliche und nicht ausreichend abgesicherte Dach und stürzte von dort ab. Er verletzte sich dabei schwer, Dauerschäden werden bleiben. Die Gemeinde als Klägerin erbrachte daraufhin teils Leistungen als Arbeitgeberin und teils als Trägerin der Krankenfürsorgeanstalt der städtischen Magistratsbediensteten, wo das Unfallopfer versichert war. Sie begehrte nun Regress für die Kosten der erbrachten Leistungen. 

Die ersten zwei Instanzen gaben der klagenden Gemeinde recht, dass nämlich eine Haftung des Skischulbesitzers aufgrund des Unfalls für bereits erbrachte sowie zukünftige Leistungen besteht. Begründet wurde dies mit einer Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht des Bauherrn, stellte aber auch ein gleichteiliges Mitverschulden des Verunfallten fest.  Eine Haftung des Bauunternehmens verneinten die Instanzen hingegen,  weil der Verunfallte nicht bei diesem beschäftigt gewesen war und keine diesem zuzurechnende Person von einer Weiterarbeit am Dach durch freiwillige Helfer über das Wochenende gewusst hatte. Auch der ebenfalls geklagte Schwager, der zwar mithalf aber am Unfallstag nicht als Bauleiter tätig geworden war, sondern bloß privat mitarbeitete, haftet nicht persönlich. Der OGH bestätigte nun als letzte Instanz, dass der haftungsrechtliche Hauptanknüpfungspunkt die besagte Verkehrssicherungspflicht auf der Baustelle ist. Wieweit diese geht,  ist dann im Einzelfall zu entscheiden. Wann ist die Grenze der Zumutbarkeit gegeben? Wer eine sogenannte Gefahrenquelle, wie hier eine Baustelle, schafft, hat die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um einen Arbeitsunfall zu vermeiden. Dies gilt auch gegenüber freiwilligen Helfern bei Bauarbeiten in Eigenregie. Besteht nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle, hat der Bauherr die zur Gefahrenabwehr notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen. Es half nichts, dass der Skischulbesitzer aussagte, der verunglückte Onkel hätte geäußert, er werde am Boden helfen, weil er nicht schwindelfrei sei. Der Bauherr hätte dennoch für ein Gerüst oder eine Absturzsicherung sorgen müssen, auch wenn jemand ohne Erlaubnis aufs Dach steigt. 

Da hier keine konkrete Aufgabenaufteilung festgestellt werden konnte, niemandem verboten wurde, den Dachbereich zu betreten, und nicht feststeht, ob allen Helfern die besonderen Gefahren bei Dacharbeiten ausreichend bekannt waren, hätte der Bauherr Sicherungsmaßnahmen  setzen müssen. Die Baufirma war schon deswegen nicht zu belangen, weil diverse angebotenen Schutzmaßnahmen sowie eine Bauleitung und eine Baustellenkoordination nicht beauftragt wurden. Der Geschäftsführer hatte auch  keine Kenntnis davon, dass über das Wochenende – noch dazu am Dach und unter Mitwirkung von Laien – weitergearbeitet werden sollte. Eine vorhersehbare Gefahr, vor der man vielleicht auch hätte warnen sollen, lag hier also nicht vor. Das Bauunternehmen durfte somit auf die Eigenverantwortung des Bauherrn vertrauen. 

Aufmerksam wird noch darauf gemacht, dass es vielleicht in einer anderen Fallkonstellation durchaus auch dazu kommen kann, dass die beigestellten Helfer dem ausführenden Bauunternehmen als überlassene Arbeitskräfte zugerechnet werden. Dies bedeutet dann, dass sämtliche Verpflichtungen unter anderem im Bereich Arbeitnehmerschutz auch gegenüber diesen Personen vom „beschäftigenden“ Betrieb zu beachten sind. Eine gegenteilige Vereinbarung mit dem Auftraggeber ist schuldbefreiend nicht möglich.