ÖNORMEN? Auch ohne Vereinbarung sollte darauf geachtet werden

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 08.07.2025 - 08:31
Portrait_BerndHaintz.jpg

Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Die Klägerin beauftragte im ersten Fall ein Unternehmen mit der Sanierung des undichten Daches ihres Hauses. Die Arbeiten wurden auch durchgeführt und in Rechnung gestellt. Vertragsgegenstand war dabei allgemein eine Flachdachsanierung aufgrund einer vorgegebenen Leistungsbeschreibung. Die Beachtung einschlägiger ÖNORMEN wurde hier allerdings nicht erwähnt. 

Obwohl das Dach dicht und funktionstauglich ausgeführt wurde, erwartete Lebensdauer 25 bis 30 Jahre, entsprach die Ausführung nicht den geltenden ÖNORMEN, 
da das notwendige Gefälle fehlte. Dies führt zu einer erhöhten Gefahr von Feuchtigkeitsschäden.

Die erforderlichen Eigenschaften eines Werkes bestimmen sich aber nach der sogenannten Verkehrsauffassung und den anerkannten Regeln der Technik, die eben durch die einschlägigen ÖNORMEN repräsentiert werden, wird im Urteil ausgeführt. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben und somit besteht ein Gewährleistungsanspruch. Neben dem fehlenden Gefälle mangelte es zusätzlich an einem erhöht errichteten Dachrand und einer Erweiterung des Notüberlaufes.
Die Dachsanierung war laut Oberstem Gerichtshof (OGH) nicht sach- und fachgerecht, da sie nicht den ÖNORMEN 
entsprach. Dies führe, so der Sachverständige, zu einer erhöhten Gefahr von Feuchtigkeitsschäden durch stehendes Wasser. Aufgrund der mangelhaften Ausführung wurde der klagenden Auftraggeberin Anspruch auf die Kosten der Mängelbehebung in Form einer Ersatzvornahme zugesprochen.

Das beauftragte Unternehmen hatte zuvor eine Sanierung abgelehnt, was ihm so zum Verhängnis wurde. Die ÖNORMEN spiegeln nämlich laut OGH grundsätzlich die anerkannten Regeln der Technik wieder, unabhängig  ob sie nun im Vertrag stehen oder nicht. Sie sind daher maßgeblich für die Ausführung der geschuldeten Leistung, auch wenn sie nicht im Vertrag Bestandteil sind. Dass es sich hier ursprünglich bei der Beauftragung um eine funktionale Leistungsbeschreibung handelte, ändert nichts an einer entsprechend der einschlägigen  ÖNORM geschuldeten Leistung.

Auch im zweiten Fall wurde die Geltung von ÖNORMEN 
thematisiert. Allgemein wird im Judikat festgehalten, dass eine Leistung entweder die gewöhnlich vorausgesetzten, die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften aufweisen muss. Zur Veranschaulichung: Ein Dach hat dicht zu sein (gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft, welche ich nicht gesondert vereinbaren muss, weil dies ja selbstverständlich ist). ÖNORMEN sind genau für solchen Fälle  heranziehbar, weil sie grundsätzlich den Standard der für die Branche  geltenden Regeln der Technik darstellen.

Der zweite Fall ist, dass das Dach eine bestimmte Farbe aufzuweisen hat (welche das ist, muss ich dann im Vertrag erwähnen). Auch in diesem Fall ging es unter anderem um ein Dach, wo das Gefälle der Unterkonstruktion entgegen den einschlägigen ÖNORMEN nicht ausreichend dimensioniert war. Damit war dem Obersten Gericht auch ohne vertragliche Vereinbarung klar: Es gilt die Norm, somit besteht ein Mangel. Die Klage war erfolgreich.