Mehr als ein Provisorium

Ein Artikel von Raphael Zeman | 08.08.2019 - 11:55
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Die großzügige und lichtdurchflutete Eingangshalle bietet klare Orientierung. © Thomas Koculak

„Schulbauten in Holz-Modulbauweise können den Bedarf an schnell zu errichtenden Schulgebäuden sehr zeitnah decken“, erklärt Jon Prengel, geschäftsführender Gesellschafter von raumwerk, welche die Schule gemeinsam mit Spreen Architekten entworfen haben. „Die Konstruktion in Holzmodulen erlaubt eine sehr individuelle Planung, die auf die Wünsche der Bauherren und Nutzer eingehen und zu ganz eigenständigen Lösungen führen kann. Bei vorkonfektionierten Stahlcontainern kann man sich lediglich in den standardisierten Möglichkeiten bewegen.“

Intensive Planungsphase lohnt sich

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Die Innenräume präsentieren sich durchgängig in Holzoptik, wodurch eine freundliche und einladende Atmosphäre entsteht. © Thomas Koculak

„Durch die frühe Beteiligung der unterschiedlichen Gewerke müssen alle Details und Festlegungen rechtzeitig verbindlich geplant und fixiert werden, weshalb eine ausgeklügelte Logistik und ein hohes Maß an Kommunikation bereits zu Beginn des Planungsprozesses vonnöten sind“, so der Gründer von Spreen Architekten, Jan Spreen. Er fügt hinzu: „Der Planungszeitraum ist gegenüber der konventionellen Bauweise länger, wird allerdings in der Ausführungszeit mehr als kompensiert. Das liegt vor allem am sehr hohen Vorfertigungsgrad der Module und der zügigen Montage auf der Baustelle.“

Ein Campus, zwei Bauweisen

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„Vorfertigung im Holzbau macht eine ausgeklügelte Logistik und ein hohes Maß an Kommunikation bereits zu Beginn des Planungsprozesses vonnöten.“ - Jan Spreen, Architekt © Spreen Architekten

Das Gymnasium Frankfurt Nord im Stadtteil Westhausen ist laut den Architekten Europas größte Schule in Holzbauweise. Das Gebäudeensemble besteht dabei aus Klassen- und Lehrerräumen in Modulbauweise sowie einer Mensa und einer Dreifeldsporthalle in Rahmenbauweise. Nach den ersten beiden Bauabschnitten, die in neun respektive fünf Monaten abgeschlossen wurden, haben seit dem vergangenen Schuljahr 1500 Schüler einen Ausbildungsplatz – nach der Fertigstellung des dritten Bauabschnittes werden insgesamt 2000 Plätze zur Verfügung stehen. Die vorgefertigten Holz-Beton-Hybridmodule messen 18 mal 2,8 mal 3 m und verfügen über eine Betondecke mit integrierten Heiz-Kühl-Paneelen. Dadurch erhofft man sich eine Energieeinsparung von bis zu 30 % gegenüber einer mechanischen Luftkühlung. Die Stadt Frankfurt lässt in einem Pilotprojekt den tatsächlichen Energieverbrauch durch das Fraunhofer Institut messen. Die Module wurden mit Sichtoberflächen und bereits integrierten Fenstern geliefert. Vor Ort wurden dann der Fußboden, die abgehängte Decke sowie die äußere Fassadenverkleidung vervollständigt und die Zellen auf drei Geschossen übereinandergestapelt. Dank des konstruktiven Aufbaus ist eine Raumteilung auch außerhalb der Modulachsen möglich, wodurch der Flächenbedarf der Schule optimiert werden konnte.

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So kann es aussehen, wenn ein provisorischer Schulbau nicht aus Stahlcontainern, sondern Holzhybridmodulen errichtet wird. © Thomas Koculak

Mehrfachnutzung

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„Die Konstruktion in Holzmodulen erlaubt eine individuelle Planung, die auf die Wünsche der Bauherren und Nutzer eingeht und zu eigenständigen Lösungen führen kann.“ - Jon Prengel, Architekt © raumwerk

Aufgrund des bereits angesprochenen Platzmangels im verdichteten, städtischen Bereich war die Standortsuche für das neu gegründete Gymnasium Nord eine Herausforderung. Nun wurde der Holzbau auf einer vorübergehend umgewidmeten, ursprünglichen Erweiterungsfläche für den Friedhof Westhausen errichtet. Sobald ein endgültiger Standort gefunden ist, werden die Schüler aus dem Provisorium ausziehen und nach Frankfurt Karben übersiedeln. Der Holzbau allerdings ist auf eine Lebensdauer von 50 Jahren ausgelegt und wird fortan anderen Schulen als Ausweichquartier dienen. Darüber hinaus gilt der Campus als Verbindung zwischen den angrenzenden Quartieren, die Sporthalle wird von den benachbarten Vereinen mitbenutzt und die Produktionsküche der Mensa kann auch umliegende Bildungseinrichtungen mit Essen beliefern. Somit wird der Anspruch der Stadt, „einen Ort zu schaffen, der hell und freundlich ist, den Bedürfnissen von Inklusion und Ganztagsangebot Rechnung trägt und als Identifikationspunkt im Stadtteil dient“, mehr als erfüllt.

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Die Sporthalle wird von umliegenden Vereinen mitbenutzt und steigert den Identifikationswert im Quartier. © Thomas Koculak

Frankfurt gilt in Deutschland generell als einer der Vorreiter in Sachen Kommunalbauten in Holz- und insbesondere Modulbauweise. Eine ganze Reihe von Schulen dieser Art wurde bereits errichtet und ein weiteres Projekt in der Größenordnung des Gymnasiums Nord wird derzeit im Frankfurter Westend umgesetzt.

Projektdaten

Standort: Frankfurt am Main
Fertigstellung: 2018 (3. Bauabschnitt ausstehend)
Architektur: raumwerk & Spreen Architekten Arbeitsgemeinschaft
Holzbau: Erne AG Holzbau (Schule)
                Kaufmann Bausysteme (Mensa)
                müllerblaustein Holzbau (Sporthalle)
Holzmenge: 1035 m3 BSP, 1220 m3 Holzwerkstoffplatten (Schulbau)
Nutzfläche (BGF): 12.300 m2 (Schule), 1500 m2 (Mensa), 2250 m2 (Sporthalle)

 

Quelle: raumwerk & Spreen Architekten Arbeitsgemeinschaft