Die Pyramiden von Bonn

Ein Artikel von Raphael Zeman | 24.09.2019 - 11:22
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Um sich harmonisch in die Landschaft am Kottenforst einzufügen, ist der pavillonartige Holzbau leicht abgesenkt und mit einer Faltdachkonstruktion versehen. © Thilo Ross

Im Schulungs- und Seminarzentrum der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) werden unter anderem Mitarbeiter der Deutschen Bundesregierung mittels Kultur- und Sprachunterricht auf Auslandsaufenthalte vorbereitet. Da das vormalige Gebäude nicht mehr den aktuellen Anforderungen entsprach, schrieb man für den Neubau einen Wettbewerb mit zwei klaren Vorgaben aus: Der Entwurf sollte mindestens dem DGNB-Bronze-Standard entsprechen und dabei das didaktische Konzept der GIZ, das die neuesten Erkenntnisse der Pädagogik aufgreift, umsetzen. Das Darmstädter Architekturbüro Waechter + Waechter hat sich ebendiese Forderungen zu Herzen genommen und das Rennen für sich entschieden.

Der Bausektor trägt einen wesentlichen Teil zu den hohen CO2-Emissionen bei, weshalb man im Kampf gegen den Klimawandel unweigerlich beim Holzbau landet.


Prof. Felix Waechter, Architekt

Öffentliche Bauten in Holz machen doppelt Sinn

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© Waechter + Waechter

Für Prof. Felix Waechter, Gründungsmitglied von Waechter + Waechter Architekten, war bereits sehr früh klar, dass der Bildungsbau in Holz erfolgen wird: „Das didaktische Konzept der GIZ verlangte nach vielseitigen, individualisierbaren Lernlandschaften und so hat bereits der Entwurf mit seiner modularen Skelettstruktur einen Holzbau impliziert.“ Doch nicht nur aufgrund der baulichen Möglichkeiten entschied sich Waechter für Holz. „Neben den haptischen und atmosphärischen Qualitäten des Baustoffes war auch die CO2-bindende Eigenschaft entscheidend. Der Bausektor trägt einen wesentlichen Teil zu den hohen CO2-Emissionen bei, weshalb man im Kampf gegen den Klimawandel unweigerlich beim Holzbau landet. Gerade öffentliche Einrichtungen sollten hier ihre Vorbildfunktion wahrnehmen“, so Waechter. Dass dem Wunsch der GIZ, nachhaltig zu bauen, Rechnung getragen wurde, zeigt die DGNB-Zertifizierung in Gold.

Kreuzstützen als Installationskörper

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Die Kreuzstützen sind nicht nur gleichzeitig Installationsräume und Anschlüsse für flexible und mobile Trennwände, sondern auch gestaltprägende Elemente. © Waechter + Waechter

Der Entwurf geht von einem Holzskelett mit klarem, durchgehendem Stützenraster aus. Durch die Beschränkung auf die Rasterfeldgrößen 5,25 mal 5,25 beziehungsweise 3,50 mal 5,25 m konnten die Anzahl der verschiedenen Bauteilanschlüsse auf ein Minimum reduziert und zugleich die Vorzüge der modularen Bauweise optimal genutzt werden. Die Kreuzstützen spielen dabei eine ganz besondere Rolle und stellten auch für merz kley partner, die das Projekt als Tragwerksplaner betreuten, eine der größten Herausforderungen dar. Denn aufgrund der Skelettbauweise müssen die Stützen Kabel und Dachentwässerung aufnehmen und zugleich bei voller Auflast demontierbare Elemente beinhalten, um nachträgliche Umbauten oder Erweiterungen möglich zu machen.

Von Tragwerksplanern begeistert

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Die differenzierten Oberlichten  repräsentieren das ständige Suchen im Lernen, den Blick in alle Richtungen. © Thilo Ross

Auch die Dachkonstruktion hat ihre Besonderheiten. Damit ausreichend Tageslicht in die Tiefe des leicht abgesenkten Baukörpers dringen kann, fiel die Entscheidung auf eine spielerisch anmutende Faltdachkonstruktion. „Außerdem wollten wir Landschaft und Architektur verzahnen und verhindern, dass die Bewohner des angrenzenden Grundstücks auf ein ungegliedertes Flachdach blicken“, so Waechter. Während die Formensprache die Dynamik des Lernens, das in alle Richtungen Schauende wiedergibt, ermöglicht die Konstruktion aus fast jedem Raum des Obergeschosses den Blick in den Himmel. Auch hier standen merz kley partner vor keiner leichten Aufgabe, um die auftretenden Lasten in die Decken- beziehungsweise Dachscheibe abzuleiten. Dass die Tragwerksplaner die Lösung dieses Problems bereits bei der ersten Entwurfsbesprechung anhand eines Modells veranschaulichten, überzeugte Waechter umso mehr von seinen Partnern.

Die Chemie stimmt

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Die großzügige Verwendung von Glas und in Sicht ausgeführtem Holz erwirkt eine helle, freundliche Atmosphäre im Inneren. © Thilo Ross

Den Planungsaufwand, den der Holzbau aufgrund der Detailgenauigkeit mit sich bringt, konnten die Partner gut bewältigen. Einerseits liegt das an der laut Waechter inspirierenden ersten Zusammenarbeit zwischen den Architekten und Tragwerksplanern und andererseits an der frühzeitigen Integration der weiteren Gewerke. Auch bei GROSSMANN Bau ist man zufrieden. Das Holzbauunternehmen lieferte und montierte 650 m3 Brettschichtholz und 7200 m2 3-Schichtplatten in der Stärke 20 beziehungsweise 30 mm. Gedämmt wurde mit Holzweichfaserplatten. Aufgrund der Anforderung der Formaldehydfreiheit wurde das Brettschichtholz zugeliefert, denn für gewöhnlich produziert das Unternehmen sein eigenes, mit MUF verleimtes Brettschichtholz. Dennoch meisterte man die Produktion der verklebten Hohlkastenelemente mit PU-Leim ebenso gut wie die ungewöhnliche Dachkonstruktion mit asymmetrischer, pyramidenartiger Form. Hierfür wurden jeweils zwei Dachfelder komplett vorgefertigt und vor Ort zusammengestellt, bevor an den anderen beiden Seiten die Verglasungen montiert wurden. Obwohl sich der Planungsprozess aufgrund der schwierigen Geometrie in Verbindung mit der notwendigen Perfektion in der Ausführung zeitaufwändig gestaltete, schätzt auch das Holzbauunternehmen die gute Zusammenarbeit: „Die Tragwerksplaner haben hier große Bereiche vorausgedacht, die man gut übernehmen konnte“, erzählt Gerold Tönjes, Geschäftsführer von GROSSMANN Bau. Die Bauleitung erbrachten ap88 Architekten aus Heidelberg für Waechter + Waechter. So konnte ein zweigeschossiges Gebäude entstehen, das dank seiner Modularität und der Trennwände in nichttragender Leichtbauweise flexibel und individualisierbar ist.

Mock-up und bürokratische Hürden

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Während man von innen meist zwei oder drei verschiedene Ausblicke hat, wirkt die Fassade von außen kleinteilig und maßstäblich. © Thilo Ross

Um das System mitsamt Kreuzstützen und Dachkonstruktion auf etwaige Fehler zu untersuchen und gleichzeitig den Bauherren eine Vorschau zu ermöglichen, wurde zuerst ein Modul als Mock-up ausgeführt – das heißt, über die volle Höhe gebaut, geprüft und getestet, bevor man in Serie produzierte. Ginge es nach den Architekten, hätte man den gesamten Bau in Holz hergestellt, was aber aufgrund der Auflagen im Genehmigungsverfahren nicht möglich war. „Das liegt an der föderalen Struktur in Deutschland. Während wir ein paar Hundert Kilometer weiter denselben Entwurf komplett als Holzbau hätten umsetzen können, war es uns hier aus brandschutztechnischen Gründen nicht erlaubt. So mussten die Toiletten und Treppenhäuser in Betonkernen zusammengefasst werden“, erzählt Waechter.

Projektdaten

Standort: Bonn-Röttgen/DE
Bauherrschaft: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
Fertigstellung: Dezember 2017
Architektur: Waechter + Waechter Architekten BDA
Holzbau: GROSSMANN Bau GmbH & Co. KG
Tragwerksplanung: merz kley partner ZT GmbH
Holzmenge: 650 m3 BSH, 7200 m² 3-Schichtplatten
Bauleitung: ap88 Architekten Partnerschaft mbB für Waechter + Waechter
Nutzfläche: 4950 m²
Kosten: 9,5 Mio. €

Standort: Bonn-Röttgen/DE
Bauherrschaft: Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
Fertigstellung: Dezember 2017
Architektur: Waechter + Waechter Architekten BDA, waechter-architekten.de
Holzbau: GROSSMANN Bau GmbH & Co. KG, grossmann-bau.de
Tragwerksplanung: merz kley partner ZT GmbH, mkp-ing.com
Holzmenge: 650 m3 BSH, 7200 m² 3-Schichtplatten
Bauleitung: ap88 Architekten Partnerschaft mbB
für Waechter + Waechter
Nutzfläche: 4950 m²
Kosten: 9,5 Mio. €