Ein Monument für den Bürobau

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 14.10.2019 - 16:33
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Trotz strenger geometrischer Formen strahlt der Bürobau entspannte Leichtigkeit aus.
© Frédéric Delangle

Ein Bürobau neigt dazu, in starre Formen zu verfallen. Funktionalität und Praktikabilität übertrumpfen oft Komfort und Wohlfühlatmosphäre. Dabei ist es gerade am Arbeitsplatz von großer Bedeutung, Behaglichkeit zu empfinden. Zur Förderung der Konzentration und des Arbeitsklimas in doppeltem Sinn. BFV haben sich diesen Anspruch augenscheinlich auf ihre französischen Fahnen geheftet. Nördlich der Île-de-France, genauer in Saint-Denis, schufen die Architekten einen Bürobau, der zwar strenge geometrische Formen verfolgt, diese aber im Endeffekt in entspannte Leichtigkeit verwandelt. Ihre Fähigkeit dazu kommt nicht von ungefähr. Obwohl erst 2018 als Konglomerat gegründet, verfügt das Büro über mehr als sechzig Jahre Erfahrung, wenn man die Tätigkeit der drei Gründer zusammenzählt: Olivier Fassio, Jean-Brice Viaud und Jean Bocabeille.

Frankreich zieht an

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Wie ein Mosaik durchbrechen zahlreiche Fenster die Fassade des siebengeschossigen Bürobaus. © Frédéric Delangle

Der Holzbau in Frankreich entwickelt sich auch dank solcher Bauvorhaben dieses Siebengeschossers im Moment kräftig. Nach einer Analyse des Verbandes Codifab (Comité Professionnel de Développement des Industries Françaises de l‘Ameublement et du Bois) und des Dachverbandes für die Holzwirtschaft France Bois Forêt, hat sich der Bausektor in Frankreich nach der Schwächeperiode 2014 erholt und bietet in den kommenden Jahren gute Geschäftsaussichten. Der Holzbau hat sowohl auf die Krise als auch auf die 2016 begonnene Erholung jeweils mit einer zeitlichen Verzögerung reagiert. Die Anzahl der Holz-Mehrfamilienhäuser stieg 2018 gegenüber 2016 um 19 % und die Ausbauaktivitäten in Holz nahmen um 9 % zu. Private und öffentlichen Dienstleistungsgebäude legten ebenfalls um 9 %, Industrie- und Handwerksgebäude um gar 32 % zu.

Lichtblicke am Arbeitsplatz

Das 29.400 m2 große Objekt namens Pulse erhebt sich auf sieben Ebenen und steht also im französischen Saint-Denis. Um ein großzügiges Atrium herum organisieren sich die Büroräumlichkeiten, darüber erhebt sich ein Glasdach. Durch jenes dringt reichlich Tageslicht in das Schiff des Geschäftshauses. Zahlreiche Fenster, die einerseits in den Innenhof und andererseits auf die Straße zeigen, tun das Übrige für einen atmosphärischen Arbeitsplatz, der täglich Lichtblicke parat hat.

Von oben nach ganz unten

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Zwischen den Gemüsebeeten am Dach lassen sich Spaziergänge in den Pausen genießen. © Frédéric Delangle

Bauherr von Pulse ist Icade, ein börsennotiertes Immobilienunternehmen mit einem Umsatz von fast 2 Mrd. €. Vor allem Büros, Aufenthaltsräume und Freizeiteinrichtungen aber auch Restaurants, Außenbereiche wie Gärten, die für die Mitarbeiter zur Zerstreuung notwendig sind, finden Platz auf den sieben Etagen. Ganz oben kommt es auf der Terrasse zum Anbau von Utensilien für ganz unten: Die Restaurants im Erdgeschoss beziehen nämlich zum Teil Lebensmittel, die in Gemüsebeeten von Pulse angebaut werden – eine Neuinterpretation von Urban Gardening sozusagen. Neben dem Stadtgarten in der obersten Etage gibt es noch eine Bar-Cafeteria, die natürlich für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Weitere Dienstleistungsbereiche sind rund um das Atrium im Erdgeschoss angesiedelt.

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Hier ist es möglich, die Fenster zu öffnen – etwas, das in Büros selten geworden ist. © Frédéric Delangle

Architekten haben mitgedacht

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Von oben bis unten ist das Konstruktionsmaterial sichtbar.  Damit schufen die Architekten BFV einen Bürobau, der seinesgleichen sucht. © Frédéric Delangle

Auf jeder Ebene umgeben 4000 m2 Bürofläche das Atrium. Je nach Mietbedarf kann die Fläche in zwei 2000 m2 große Schalen aufgeteilt werden. Der Betonkern enthält in jedem Geschoss die Haustechnik.
Die Büros befinden sich entlang der Innen- und Außenfassaden. Diese strukturieren Lärchenstützenelemente mit reduziertem Querschnitt alle 1,35 m. Die Holzbalken zeichnen ein Deckenmodell. Praktische und ästhetische Überlegungen rechtfertigen es, sie sichtbar zu halten. Die Logik erlaubt nämlich die Demontage oder das nachträgliche Anbringen von zusätzlichen Trennwänden. Eine Nut in der Mitte jedes Trägers markiert mögliche Positionen dafür. Für ein gesundes Arbeitsumfeld sind nicht nur etwa 6000 m3 Holz verantwortlich. Es ist möglich, die Fenster zu öffnen – etwas, das in Büros selten geworden ist. Weiters spielt das Atrium eine zentrale Rolle bei der Wärmeregulierung sowie der Wirtschaftlichkeit des Projekts: Durch das gemäßigte Klima wird die Notwendigkeit von Doppelverglasungen vermieden. Die angesammelte Heißluft kann durch Öffnungen am Glasdach entweichen. Dort befinden sich auch Solarmodule bis sowie Regenwasserspeicher.

„Während des Wettbewerbs vor zehn Jahren war es nicht einfach, einen Bauherrn davon zu überzeugen, in Holz zu bauen“, sagen die Architekten. Aber wie man sieht, ist es ihnen in diesem Fall gelungen. Zum Glück, denn sonst müsste Saint-Denis auf ein architektonisches Meisterwerk verzichten.

Projektdaten

Standort: Saint-Denis/FR
Fertigstellung: 2019
Bauherr: Icade
Architektur: BFV architectes
Holzbau: Barthès Bois
Holzmenge: 6000 m3
Nutzfläche: 29.450 m2