Der Bürgermeister des beschaulichen Dorfes Mellau im Bregenzerwald, das durch einen Hit des Holstuonarmusigbigbandclubs (HMBC) österreichweit Berühmtheit erlangte, heißt Tobias Bischofberger. Der gelernte Tourismusfachmann ist seit 2015 im Amt und darf im kommenden Jahr auf seine erste Schaffensperiode zurückschauen. Was stand da so alles auf seiner Agenda? „Ich hab mal gehört, man sollte den Beruf mindestens drei Perioden machen – eine zum Reinkommen, eine zum Umsetzen und eine zum Abgeben. Mein erstes Ziel war es somit, den guten Weg meiner Vorgängerin konsequent weiterzuführen. Dadurch konnten wir ein großes Holzbauvorhaben umsetzen, das einen wichtigen Beitrag für das Dorfleben und den Klimaschutz leistet“, ist Bischofberger stolz. Ohne die Unterstützung der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer in der Gemeinde wäre dieser Weg nicht möglich gewesen, betont der Bürgermeister.
Ein ganzes Dorf feiert
An einem strahlenden Sonntag im November 2018 gab es dann einen Anlass zum Feiern: Das neue Gemeindezentrum im Dorfkern, gleich neben der alten Pfarrkirche, wurde eröffnet. „Viele Hände haben dazu beigetragen, dass etwas Schönes, Zweckmäßiges und Dauerhaftes entstanden ist“, freut sich Bischofberger. Der großzügige Gebäudekomplex umfasst eine Mehrzweckhalle samt Foyer und Tiefgarage, ein Musikprobelokal ganz in Weißtanne und mit toller Akustik im Keller sowie einen zweiten Bau – einen Kindergarten. Das Projekt wurde im Rahmen des diesjährigen Vorarlberger Holzbaupreises (mit einer Auszeichnung in der Kategorie öffentlicher Bau) erneut vor den Vorhang geholt. Die multifunktionale Gemeindehalle bietet 400 Personen Platz und eignet sich für Vorträge, Konzerte, Tagungen, Hochzeiten und Abendevents, wird aber auch für sportliche Aktivitäten der Schule und des Kindergartens genutzt. Der Neubau sei Sinnbild für eine generelle Erfrischungskur, die sich die Gemeinde schon seit Längerem zum Ziel gesetzt habe. Solche Projekte, auch wenn sie viel Geld kosten, seien sehr wichtig für kleine Gemeinden, um die dörfliche Struktur erhalten zu können, sagt Bischofberger. „Mellau braucht eine gewisse Basisinfrastruktur, um einer Landflucht entgegenzuwirken. Schon jetzt sehen wir, welch positive Auswirkungen der geräumige Veranstaltungssaal auf unser Dorfleben hat. Das war eine wichtige Investition in unser Vereins- und Zusammenleben.“
Klare Struktur und viel Raum
Beide Neubauten basieren auf einem Entwurf des Vorarlberger Büros Dorner\Matt Architekten aus Bregenz, das vier Jahre zuvor einen entsprechenden Architekturwettbewerb gewann. Für die Architekten war die Sache sofort klar: Eine neue Mitte, die das generationenübergreifende Miteinander im Ort fördern soll, braucht einladende Gebäude, die mit einer klaren Struktur viel Raum für unterschiedlichste Nutzungsmodelle bieten. Holz als Material für Konstruktion und Innenausbau war hier prädestiniert.
Holz im Herzen
Holz als regionaler Baustoff hat im Bregenzerwald lange Tradition. „Mit Holz zu bauen, ist bei uns so tief verwurzelt, dass kein Weg daran vorbeiführt“, macht der Bürgermeister deutlich. Zudem bedeute es aktiven Klimaschutz. „In Vorarlberg müssen öffentliche Gebäude eine gewisse Nachhaltigkeit erfüllen. Den Nachweis dafür bringt der kommunale Gebäudeausweis, der ab einer gewissen Punkteanzahl Fördergelder bringt. Mit dem neuen Gemeindezentrum haben wir 900 von 1000 Punkten erreicht. Wir haben zudem in technische Lösungen wie Photovoltaik oder E-Mobilität investiert, mit denen wir langfristig Einsparungen generieren.“ Der Eingangsbereich der Mehrzweckhalle besteht aus Fichtenholz-Rippen an Seitenwänden und der Decke und einem Boden aus robusten Accoya-Holz-Dielen. „Zusammen mit der Glasfassade entsteht ein repräsentatives Entree, das Veranstaltungsbesucher gewissermaßen mit offenen Armen empfängt und zugleich einen witterungsgeschützten, auch unabhängig von der Halle nutzbaren Übergangsbereich zwischen Innen und Außen schafft“, sagt Projektleiter Hannes Zumtobel von Dorner\Matt Architekten.
Filigranes Tragwerk teilweise sichtbar
Das 750 m² große Flachdach wird im Wesentlichen von BauBuche-Stützen mit einem Querschnitt von 16 mal 32 cm getragen. Raumhohe Massivwände gibt es oberhalb des betonierten Untergeschosses im Bühnenraum, der auch als Aussteifungskern dient. Alle anderen Innen- und Außenwände sind als nichttragende Holzständerwände ausgebildet. Auf den BauBuche-Stützen liegen in Gebäudequerrichtung 30 cm breite Träger auf, die sowohl am Eingangsbereich als auch an der rückwärtigen Nebenraumzone auskragen. „Im Hallenraum wirken die Träger raumgliedernd, während sie im Foyer und Eingangsbereich aus gestalterischen Gründen nicht sichtbar sind“, erklärt Zumtobel. Sämtliche BauBuche-Elemente wurden von Pollmeier Massivholz aus Creuzburg mit Bohrlöchern und Schlitzen für die Stahleinbauteile bereits fertig abgebunden an das ausführende Holzbauunternehmen Kaspar
Greber aus Bezau geliefert, was eine effektive und zeitsparende Montage vor Ort ermöglichte. „Die Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den Architekten war beispielhaft, sowohl fachlich als auch menschlich. Für mich stellt so ein Gebäude im Bregenzerwald einen großen Mehrwert an Ästhetik, Qualität und kultureller Lebensqualität dar“, ist sich Geschäftsführer Kaspar Greber sicher.
Ein Mehrzwecksaal ist kein Wälderhaus
Maßgeblich für die Wahl von BauBuche war für die Architekten die hohe Tragfähigkeit, die bei gleicher Last im Vergleich zu Nadelholzkonstruktionen geringere Querschnitte ermöglicht. Das Material prägt den Dorfsaal nicht nur konstruktiv, sondern auch gestalterisch. Der neue dreigruppige Kindergarten ist eine Holz-Hybridkonstruktion mit sichtbaren Holzoberflächen in den Innenräumen. Ein oberlichthelles zentrales Stiegenhaus dient den Kindern zum Herumtollen und allen zur Kommunikation. Es ermöglicht zudem eine gute Sicht in sämtliche Gruppenräume. Dass der neue Mehrzwecksaal und Kindergarten ohne Satteldach geplant war, stieß zuerst auf profunde Skepsis. „Es gibt einfach Gebäudetypologien. Ein Mehrzwecksaal oder Kindergarten können nicht ausschauen wie ein Wälderhaus“, erklärt Christian Matt. „Mir gefällt es. Die Atmosphäre, die beide Bauwerke im Inneren erzeugen, ist einfach sensationell“, lobt Bischofberger die Arbeit der Architekten und der ausführenden Unternehmen. Als Praktiker sei ihm jedoch die Funktion viel wichtiger als die Ästhetik. Ergänzt wurden die neuen Holzquader um einen liebevoll gestalteten Vorplatz samt Spielplatz und Freibühne, die dem örtlichen Musikverein dient.
Pfadfinder und Feuerwehrmann
In seiner Freizeit ist der Bürgermeister und Vater von vier Kindern passionierter Pfadfinder und Feuerwehrmann. Auch dabei spielt Holz seit jeher eine tragende Rolle und bedeutet für ihn ein Stück weit Heimatgefühl. „Als Pfadfinder sitzen wir gerne am Lagerfeuer zusammen und sinnieren über Gott und die Welt. Das Lagerfeuer ist für mich Sinnbild für eine funktionierende Kommunikation. Als Bürgermeister von Mellau ist genau das mein oberstes Credo“, erklärt Bischofberger. Das neue Gemeindezentrum sei der geeignete Ort dafür und quasi wie ein großes Lagerfeuer für ein ganzes Dorf. Und wie steht der 43-Jährige zum Baustoff Holz in seiner Funktion als Feuerwehrmann? „Ein spannendes Thema“, gibt Bischofberger zu, der seit seinem 16. Lebensjahr bei den örtlichen Florianis mithilft. „Ich habe schon sehr viele Einsätze miterlebt und denke da vor allem an den Großbrand im Holzbauwerk Kaufmann. Holz ist im Brandfall ein sehr berechenbarer Baustoff. Das ist ein Riesenvorteil gegenüber dem Stahlbau. Stahlträger sind unter Hitzeeinwirkung einfach unberechenbar und für uns Feuerwehrleute viel gefährlicher. Aus dieser Sichtweise ist ein Holzbau in jedem Fall zu bevorzugen.“ Auch in Mellau soll es noch viele davon geben, blickt Bischofberger in die Zukunft. Konkret spricht er dabei den Um- bzw. Neubau des in die Jahre gekommenen Gemeindeamtes an, der ebenfalls auf seiner Agenda steht.
Projektdaten
Standort: Mellau
Fertigstellung: November 2018
Bauherr: Gemeinde Mellau
Architektur: Dorner\Matt Architekten
Holzbau: Kaspar Greber Holz- und Wohnbau
Holzmenge: 330 m3
Systemlieferant: Pollmeier Massivholz
Tragwerksplanung: Mader + Flatz Baustatik