Siebengeschosser auf Habenseite

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 04.02.2020 - 07:54
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Stavanger hat den höchsten Anteil an bebautem Stadtareal in ganz Norwegen. Umso schöner, dass jene Baulücke mit Holz geschlossen wurde. © Helen & Hard

Stavanger liegt im Südwesten Norwegens und ist die viertgrößte Stadt des Landes. Keine andere norwegische Kommune hat einen so hohen Anteil bebauten Stadtareals wie Stavanger. Das Zentrum ist bis heute von bunten Blockhäusern bestimmt, die Einwohner lebten lange Zeit vom Fischfang und von der Schifffahrt. Seit den 1960er-Jahren entwickelte sich Stavanger zum Zentrum der Ölindustrie. Daneben verfolgt man den Smart-City-Ansatz, wie so viele weitere skandinavische Großstädte. In diesem Umfeld sollte ein neuer Finanzpark für die ortsansässige SpareBank 1 entstehen.

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Von oben bis unten ist das Konstruktionsmaterial sichtbar.  Das Herzstück des Finanzgebäudes bildet ein glasüberdachtes Atrium inklusive eines maßgefertigten Treppenaufgangs. © Sindre Ellingsen

Nicht von Beginn an war klar, dass es ein Holzbau sein soll. „Für unsere Kunden barg das Großprojekt anfänglich große Unsicherheiten bezüglich Realisierbarkeit und Kosten“, berichtet Reinhard Kropf, Partner des norwegischen Architekturbüros Helen & Hard. Der gebürtige Grazer und Architekturabsolvent der Technischen Universität Graz gilt mit seinem Büro als einer der Vorreiter beim Bauen mit Holz. Und es ist nichts Neues für ihn, dass der Auftraggeber erst von seinem Ansatz überzeugt werden muss: „Es steckt leider noch immer viel zu viel Arbeit dahinter, den Bauherrn vom ökologischen Baustoff Holz zu überzeugen. Aber ich habe auch von Hermann Blumer gelernt, dass ein „NEIN“ vom Kunden übersetzt so viel bedeutet wie: noch ein Input nötig.“ Trotzdem nahm er die Sorgen des Bauherrn ernst. Und so wurde gemeinsam mit Hermann Blumer und dem Team von Création Holz einiges an Aufwand unternommen, um den Kunden vollends von der Sinnhaftigkeit eines Holzbaus zu überzeugen.

Es bedarf noch immer eines zu großen Aufwands, den Bauherrn von der Alternative Holzbau zu überzeugen.


Reinhard Kropf, Architekt

Anstrengungen führten zum Erfolg

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Drei Untergeschosse inklusive Parkgarage bilden das Fundament für drei- bis sieben Geschosse in Holz. © Helen & Hard

Nach der Präsentation eines großen Modells und der Darlegung aller offensichtlichen Vorteile des Baustoffes, wie eines geringeren Energieverbrauchs in der Produktion, besseren Innenraumklimas, rascherer Montage sowie der Stärkung der Identität Stavangers als Nordeuropas größter Holzstadt, fuhren Kropf und das Holzbauteam noch schwerere Geschütze auf. Exkursionen zum Tamedia-Gebäude in Zürich und dem Illwerke Zentrum im Montafon standen weiters auf dem Programm. Zeitgleich verlangte der Bauherr einen Kostenvergleich zu einer Stahlbetonvariante. Diese ergab, dass die Gesamtkosten des Holzbaus lediglich um 1,4 % höher liegen würden als bei dem Pendant aus Stahlbeton. Trotz all dieser Argumente pro Holzbau war der Bauherr noch immer nicht vollends überzeugt. Erst ein Mock-up in voller Größe löste „eine psychologische Veränderung beim Bauherrn aus“, wie es Kropf beschreibt. Dass sich diese Anstrengungen gelohnt haben, beweist der nun im November 2019 fertiggestellte Bau in voller Pracht.

Holz-Holz-Verbindungen aus dem Hause Blumer

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Der Stiegenaufgang ist definitiv das Aushängeschild des Gebäudes. Die Maßanfertigung war wohl die größte Herausforderung des gesamten Baus – und lässt sich umso mehr sehen. © Sindre Ellingsen

Brettsperrholz-Deckenelemente werden von Brettschichtholz-Trägern und –Stützen getragen. Für statisch stark beanspruchte Teile kam auch Buchen-Furnierschichtholz zum Einsatz. Das Herzstück des drei- bis siebengeschossigen Finanzgebäudes bildet ein glasüberdachtes Atrium inklusive eines maßgefertigten Treppenaufgangs. Der Stiegenaufgang gilt als einer der größten in Holz gefertigten der Welt. „Ohne Mitwirken von Creation Holz hätte diese Treppe niemals innerhalb der erlaubten Schwingung realisiert werden können“, konstatiert Kropf. Das Unternehmen Hess Timber produzierte die doppelkrummen Wangen, der Treppenspezialist Hokon tat das Übrige zur Finalisierung des extravaganten Aufgangs. „Da wir in der Eingangshalle keine Mittelstützen einplanen wollten, stellte die Punktbelastung der Träger von den darüberliegenden Mittelsäulen eine besondere Herausforderung dar“, beschreibt der Architekt.

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Sichtbar belassene Knotenpunkte inklusive Buchenholzdübeln geben dem Innenraum eine eigene Note. © Sindre Ellingsen

Die Untergeschosse inklusive Parkgarage – 9000 m2 umfassend – sind in Stahlbeton gefertigt. Die Hauptstruktur der 13.500 m2 über Grund besteht aus Holz mit bis zu sieben Stockwerken. Aussteifende Erschließungskerne, Deckenscheiben in Brettsperrholz, Brüstungsbänder in BauBuche und Knoten sorgen für die Aussteifung. Ganz besonders erwähnenswert  sind die von Hermann Blumer entwickelten Knotenverbindungen. Sichtbare Buchenholzdübel und die tektonische Ausbildung der Knoten treten charakteristisch in den Vordergrund und sind im Innenraum markant sichtbar. „Wir arbeiten bei fast allen Projekten mit Hermann Blumer zusammen. Damit generieren wir jedes Mal einen Mehrwert,“ sagt Kropf.

Die Idee des Gebäudes ist einfach, die Umsetzung herausragend. Das Projekt spiegelt die Vision der Bank wider und bietet das Beste für die Umgebung und die Gebäudenutzer. Damit bleiben die norwegischen Architekten der Bank nichts schuldig. Wie auch, mit einem solchen siebengeschossigen Holzbau auf der Habenseite.

Projektdaten

Standort: Stavanger/NO
Bauherr: SpareBank 1 SR-Bank
Fertigstellung: November 2019
Nutzfläche: 13.200 m2 + 9000 m2 unterirdisch
Architektur: Helen & Hard, SAAHA
Holzbauingenieur: Création Holz, Degree of Freedom (DOF)
Holzbau: Moelven Limtre
Systemlieferanten: Hess Timber, Pollmeier