Wien hat seine Hausaufgaben gemacht

Ein Artikel von Stefan Leitner | 15.04.2020 - 08:30

Derzeit besuchen etwa 112.000 Schüler eine der rund 380 öffentlichen Pflichtschulen der Stadt Wien. Damit auch in Zukunft genug Plätze in den Schulen bereitgestellt werden können, müssen rund 100 zusätzliche Klassen pro Jahr geschaffen werden. Die baulichen und räumlichen Aufgabenstellungen sind vielfältig. Einerseits werden bestehende Schulen erweitert oder modernisiert und andererseits auch neue Schulen errichtet.

Neubauten nach dem Wiener Campusmodell

Im Juni vergangenen Jahres hat die Stadt die Errichtung von neun zusätzlichen Bildungscampusbauten in großen Stadtentwicklungsgebieten und eine Zentralberufsschule in der Seestadt Aspern beschlossen. Das Wiener Campusmodell setzt auf moderne pädagogische Prinzipien sowie eine Vernetzung von Kindergarten, Schule und Freizeit. Jeweils vier Schulklassen und zwei Kindergartengruppen rücken räumlich zu sogenannten Bildungsbereichen mit multifunktionalen Räumen zusammen. Eine Zusammenarbeit mit Bildungspartnern, wie Musikschulen, Sporteinrichtungen und Jugendzentren, ist ebenfalls Teil des Konzepts der Stadt Wien.

Wien setzt bei Erweiterungen auf Holz

Nicht nur in den großen Stadtentwicklungs- und -erweiterungsgebieten, auch in den innerstädtischen Bezirken entstehen viele neue Wohnungen. Darüber hinaus werden in den großen Flächenbezirken laufend kleinere und größere Wohnbauten errichtet, die zusätzlichen Bedarf an Schulraum mit sich bringen. Um dem steigenden Bedarf an Schulplätzen gerecht zu werden, setzt die Stadt bei den Schulzubauten auf modulare Holzbauweise. So kann höchste bauliche Qualität in kürzester Zeit geschaffen werden. Die Vorteile und besonders der hohe Vorfertigungsgrad des Holzbaus kommen bei diesen Bauaufgaben besonders zur Geltung. Bei Aufstockungen mit Holz ist der Bestand nur kurze Zeit ungeschützt der Witterung ausgesetzt. Durch das geringe Eigengewicht von Holzkonstruktionen wird die bestehende Struktur minimal zusätzlich belastet und Verstärkungsmaßnahmen können in vielen Fällen entfallen. Bei der Errichtung von Holzbauten werden kaum Lärm und Schmutz verursacht, sodass die Kinder meistens ungestört ihrem täglichen Lernen nachgehen können. In den Jahren 2014 bis 2019 gingen in Wien insgesamt 35 Schulzubauten und 2 Neubauten in Betrieb. Insgesamt konnten mehr als 190 neue Klassenräume in Rekordzeit fertiggestellt werden, viele davon in Holzbauweise.

Volksschule Christian-Bucher-Gasse

Mit Beginn des Schuljahres 2019/2020 wurde die Erweiterung und Sanierung des Schulstandorts abgeschlossen. Der Schulbetrieb musste während der Bauarbeiten aufrechterhalten werden. Die neuen Gebäudeteile sind überwiegend aus Holz gebaut. Viele Bauteile konnten vorgefertigt werden. So war es möglich, die Störung des Schulbetriebes durch Staub und Lärm gering zu halten.

Bauherr: Stadt Wien – MA56 – Wiener Schulen
Architektur: Dietrich | Untertrifaller ZT GmbH mit Schluder Architektur ZT GmbH
Baumeisterarbeiten: Porr Bau GmbH
Holzbau: Herbitschek GmbH
Tragwerksplanung, Technik:  RWT Plus

Schulsanierung: 57 Mio. € für Ausweichquartiere

Bereits im Jahr 2006 wurde festgestellt, dass etwa zwei Drittel der Schulen, die von 1855 bis 1991 errichtet wurden, substanzsichernde Maßnahmen benötigten. Viele von ihnen wurden in der Zwischenzeit saniert. 2018 wurde ein weiteres Schulsanierungspaket beschlossen. Es umfasst ein Volumen von 513 Mio. €. Weitere 57 Mio. € stehen für Ausweichquartiere und als Reserve zur Verfügung. Erstmals ist auch ein Sonderfördertopf für Innovationsprojekte in der Höhe von 100 Mio. € eingeplant. Damit können beispielsweise innovative pädagogische Lösungen oder ökologische Aspekte gefördert werden. Mehr als 40 Projekte wurden für eine Umsetzung ins Auge gefasst.

Ersatzquartier Torricelligasse für die Neue Mittelschule Kinkplatz

Diese „mobile Immobilie“ mit einer Bruttogrundfläche von ca. 6000 m² in modularer Holz-Stahl-Konstruktion kann bis zu fünf Mal demontiert und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. Im Bereich der Unterrichtsräume bzw. bei den beiden Klassentrakten kommen hauptsächlich Raumzellen zum Einsatz, die um eine Konstruktion aus Massivholz ergänzt wurden.

Bauherr: Stadt Wien – MA56 – Wiener Schulen
Architektur: Architekten Maurer & Partner, Raumkunst
Generalunternehmer: ÖSTU-STETTIN Hoch- und Tiefbau GmbH
Tragwerksplanung, Technik:  RWT Plus

Chance für Holz: Ersatzquartiere mit Neubau-Standard

Mit dem neuen Paket werden insgesamt weniger Objekte saniert, diese dafür aber umfangreicher. Das Qualitätsniveau der Ersatzquartiere soll ebenfalls verbessert werden, sodass der bauliche Standard dem von Neubauten entspricht. Diese Ersatzquartiere sollen nämlich später als reguläre Schulstandorte weitergenutzt werden können. Das ist eine Anforderung, die Ersatzquartiere aus Holz bestens erfüllen.