115 m-Koloss als vertikaler Wald

Ein Artikel von Raphael Zeman | 12.05.2020 - 09:31
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Der „Rainbow Tree“ erhebt sich aus dem ihn umgebenden urbanen Wald und führt diesen bis auf die stolze Höhe von 115 m fort. © Vincent Callebaut Architectures

Bereits 2018 wurde in Cebu ein Flughafen mit einem 25.000 m2 überspannenden Holzdach (holzbau austria berichtete) errichtet. Dies ist vielleicht mit ein Grund, warum die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (UNESCO) Cebu 2019 zu einer der „Creative Cities“ im Bereich Design ernannte. Der „Rainbow Tree“ genannte Turm würde in ebendiese Kerbe schlagen. Der Entwurf sieht 32 Geschosse in Brettsperrholz (BSP) vor – damit würde das Gebäude eine Höhe von 115 m erreichen. Der Name stammt vom „Regebogenbaum“ genannten Eucalyptus deglupta, der durch ein beständiges Abschälen seiner Rinde einen farbenfrohen Stamm präsentiert. Neben dem Prinzip der passiven Bioklimatologie ließen Vincent Callebaut Architectures (VCA) auch die Nutzung erneuerbarer Energien in den Entwurf einfließen und streben im Falle einer Umsetzung eine doppelte Nachhaltigkeitszertifizierung des Holzbaus durch LEED und BERDE an.

Traditionelle philippinische Häuser als Vorbild

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Traditionelle Techniken kommen beim „Rainbow Tree“ ebenso zur Anwendung, wie moderne Technologien. © Vincent Callebaut Architectures

Bestehen würde der Turm aus 1200 vorgefertigten, quadratischen Modulen mit einer Seitenlänge von 4 m, die in der Höhe zwischen 3,2 und 4,8 m variieren. Als Inspiration nennen die Architekten die „Bahay Kubo“. Das sind traditionelle philippinische Häuser, die aus natürlichen Materialien wie Bambus und Palmblättern gefertigt wurden. Sie zeichnen sich durch eine gute Durchlüftung, große offene Räume und ein, an das tropische Klima angepasstes Netzwerk von Terrassen aus – diese drei Faktoren sind die Basis des Konzepts. Ausgehend von einem Gebäudekern in BSP könnte eine Art Exoskelett, ebenfalls in BSP, eine Konstruktion ohne tragende Wände oder Stützen ermöglichen, wodurch die Räume flexibel wären und von den Bewohnern individuell angepasst werden können. Die Idee der Fassade in gebrannter Zeder geht auf eine japanische Technik zurück, wodurch das Holz resistenter gegen Feuer, Insekten und Pilze sein soll. Das Konzept sieht ebenfalls in Holz ausgeführte Balkone vor, die sich in sinusförmigen Wellen um den „Rainbow Tree“ schlängeln und mit 30.000 Pflanzen in den Blühfarben rosa, violett, grün, gelb, orange und rot ausgestattet wären. Das Ergebnis: ein urbaner, vertikaler Wald, der das Mirkoklima vor Ort deutlich verbessert.

Nachhaltigkeit so weit das Auge reicht

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Die Architekten setzen auf erneuerbare Energien: Photovoltaik- und Solarpaneele sowie Windturbinen ermöglichen einen energieautarken Bau. © Vincent Callebaut Architectures

Der Entwurf fußt außerdem auf den, von den Architekten genannten vier Säulen der „Ökologischen Stadt der Zukunft“: energieautarke Gebäude, Bauwerksbegrünungen und urbane Landwirtschaft, „weiche Mobilität“ mit Fokus auf Fußgänger, Radfahrer und elektrischer Co-Mobilität sowie soziale Innovation durch Gemeinschaftsräume und solidarische Dienstleistungen. Laut VCA hätte das Gebäude einen negativen CO2-Fußabdruck. Das ergebe sich nicht nur durch die Holzbauweise, sondern auch durch die Bepflanzung und das Energiekonzept. Denn laut den Berechnungen der Architekten würde die Begrünung jährlich 150 t CO2 in Sauerstoff umwandeln und gleichzeitig als zusätzliche Isolationsschicht wirken. 1650 m2 an Solar- und Photovoltaikpaneelen sowie 16 axiale Windturbinen sehen eine autarke Energieversorgung des Turms vor.

Urbaner Wald, urbane Farm

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Eine eigene Aquaponik-Anlage versorgt die Bewohner mit Nahrungsmitteln. © Vincent Callebaut Architectures

Ein weiteres besonderes Detail stellt die „Urban Sky Farm“ dar. Diese Aquaponik-Anlage ist in den letzten drei Geschossen vorgesehen und würde jährlich 25.000 kg Früchte, Gemüse und Algen zum Ernten durch die Bewohner sowie 2500 kg Fisch produzieren. Dies entspreche wöchentlich in etwa 2 kg Nahrung pro Familie, die den Turm bewohnt – so die Architekten. Darüber hinaus vereint der Entwurf des „Rainbow Trees“ 120 Stellplätze für herkömmliche Pkw, 160 Stellplätze für Elektrofahrzeuge, ein Restaurant, zwei Coworking-Spaces, Stellplätze für Fahrräder, ein Fitnessstudio, ein Thermalbad und 300 Wohnungen unter seinem Dach. Davon wären 138 mit einem, 115 mit zwei und 47 mit drei Schlafzimmern ausgestattet.

VCA verstehen ihren Entwurf als Prototyp für einen komplett biobasierten, vertikalen Wald. Eine Umsetzung ist überaus wünschenswert und würde den mehrgeschossigen Holzbau auf eine neue Stufe heben.

Quelle: Vincent Callebaut Architectures