Atriumhaus sticht Jagdschloss aus

Ein Artikel von Raphael Zeman | 23.06.2020 - 09:16
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Die Fensteröffnungen  sind an den jeweiligen Ausblicken orientiert und sollen von außen nicht sofort erkennen lassen, was sich dahinter verbirgt. © Steinkogler Aigner Architekten  

Michael Aigner ist Gründungsmitglied von Steinkogler Aigner Architekten mit Sitz in Wien, sein Bruder Joachim Geschäftsführer von Holzbau Aigner in Molln. Schon in jungen Jahren sammelten die beiden Holzbauerfahrung in Ferialjobs im Zimmereibetrieb des Vaters, der bereits 1780 gegründet und 2009 an Joachim übergeben wurde. Eine Besonderheit von Holzbau Aigner ist dabei nicht nur, dass der Betrieb über ein eigenes Sägewerk verfügt, sondern teils selbst als Bauherr auftritt und die Objekte anschließend vermietet. So errichtete man bereits 1998 eine eigene Reihenhausanlage in Leonstein, die seit 2017 nun schon zum zweiten Mal in Zusammenarbeit mit Michael Aigner erweitert wird. Eine weitere Koproduktion der Brüder ist das hier vorgestellte Atriumhaus.

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© Steinkogler Aigner Architekten

Bedürfnisse der Mieter als zentrale Entwurfselemente

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Betreten wird das Haus im Westen, von wo aus man direkt in die Wohnküche gelangt, welche die gesamte Südseite des Gebäudes einnimmt. © Steinkogler Aigner Architekten

Im Oktober 2018 traten die beiden Senioren mit ihrer Idee vom Hausbau an Joachim Aigner heran. Als dann kurzzeitig eine Parzelle in einer Mollner Einfamilienhaussiedlung frei wurde, erkannten die Umzugswilligen ihre Chance. Allerdings erwarb Holzbau Aigner den Grund, der anschließend in regem Austausch zwischen Architekten, Holzbauer und Mietern bebaut wurde. An oberster Stelle stand dabei das Bedürfnis nach Uneinsichtigkeit und Barrierefreiheit, weshalb die Wahl auf die Typologie des Atriumhauses fiel. Ebenso entsprang der Wunsch nach großen Raumhöhen, die im Atriumhaus teilweise bis zu 3,8 m betragen, der vormaligen Wohnsituation. Die Technik- und Lagerräume sind in einen separaten Baukörper ausgelagert, wodurch sich das Hauptgebäude vollends den Funktionen des täglichen Bedarfs widmen kann. Zudem schafft das Fehlen von Gängen einen fluiden Übergang der Räumlichkeiten, die sich ringförmig um das Atrium anordnen. Der Kamin in Sichtbeton stellt die Verbindung vom öffentlicheren Bereich der Wohnküche zu den privateren Wohnräumen her und ist so platziert, dass sowohl die Wohnküche als auch das Wohnzimmer beheizt werden. Die Verengung ist dabei eine bewusste Zäsur, die einerseits eine überdachte Terrasse im Innenhof und andererseits eine klare Trennung zu den Privaträumen ermöglicht. Anschließend befindet sich in der Ostecke des Gebäudes das Schlafzimmer, das einen Ausblick in die nahe gelegene Talöffnung bietet. Über das Badezimmer gelangt man dann in den Wirtschaftsraum, der dank eigener Sanitäreinrichtungen auch zum Beherbergen von Gästen oder einer Pflegekraft genützt werden kann. Hier grenzt wiederum der Eingangsbereich an und der Kreis aus unterschiedlichen Raumsituationen mit hellen, offenen Bereichen und geschützteren Zonen schließt sich.

Geschlossenes Ensemble mit offener Fassade

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Rudolf Steinkogler (li.) und Michael Aigner, Architekten © Steinkogler Aigner Architekten

Das kellerlose Atriumhaus befindet sich auf einem leicht abfallenden Grundstück, weswegen der Anspruch an Barrierefreiheit ein Einsenken des Gebäudes erforderte. Sowohl Haupt- als auch Nebengebäude wurden in Holzriegelbauweise in Fichte ausgeführt, ruhen auf einem Sichtbetonsockel und verfügen über eine offene, dunkel gestrichene Fassade, ebenfalls in Fichte. Die Abstände der Lattung sind hierbei so gewählt, dass sich eine homogene Oberfläche ergibt und dennoch genügend Platz zur Luftzirkulation bleibt. Das Nebengebäude steht parallel zur Längsseite des Atriumhauses und ist mittels eines Verbindungsdachs in das Ensemble integriert. Hier wurde eine potenzielle Erweiterung mitgedacht, denn durch eine Schließung der Zwischenräume könnte man zukünftig eine komplette Einheit herstellen. Geheizt wird per Erdwärme, gedämmt wurde mit Zellulose.

Man muss zu einem früheren Zeitpunkt Bescheid wissen, dass ein Holzbau entstehen soll. Wenn man dies beherzigt, ist der Aufwand nicht größer als bei einer herkömmlichen Bauweise.


Rudolf Steinkogler und Michael Aigner, Architekten
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© Steinkogler Aigner Architekten

Da bei der Errichtung des Atriumhauses auf dieselben Betriebe wie bei der Siedlungserweiterung in Leonstein zurückgegriffen wurde, benötigte das eingespielte Team eine Bauzeit von nur sechs Monaten. Den Planungsaufwand empfanden Michael Aigner und sein Partner, Rudolf Steinkogler, dabei als „normal“ und fügen an: „Man muss zu einem früheren Zeitpunkt Bescheid wissen, dass ein Holzbau entstehen soll. Wenn man dies beherzigt, ist der Aufwand nicht größer als bei einer herkömmlichen Bauweise.“ Im Fall des Atriumhauses wurden die Details zudem in enger Zusammenarbeit mit dem geschwisterlichen Holzbauunternehmen entwickelt. Seine Affinität zum Holzbau begründet Michael Aigner mit den Faktoren Zeit, Nachhaltigkeit und Sensorik. Hierzu meint er: „Je trockener die Baustelle, desto zügiger kommt man voran“ und „Holzbaustellen haben einen ganz eigenen Geruch, den ich als sehr angenehm empfinde.“ Auch sein Bruder Joachim ist mit dem Projekt vollends zufrieden und empfand es als inspirierend. Für ihn sticht vor allem der regionale Aspekt hervor, worüber auch die Mieter hocherfreut waren. Denn mithilfe von Betrieben aus der Gegend im eigenen Heimatort zu bauen und zu vermieten, trägt in Joachims Augen nicht nur zur Wertschöpfung der Region, sondern auch zum Kampf gegen die Landflucht bei. Die vormaligen Jagdschlossbewohner jedenfalls fühlten sich nach eigenen Aussagen noch nirgendwo so wohl wie im Mollner Atriumhaus. 

Projektdaten

Standort: Molln
Fertigstellung: Oktober 2019
Architekten: Steinkogler Aigner Architekten
Holzbau inkl. Abbund: Holzbau Aigner
Nutzfläche: 158 m2 (Wohnraum), 48 m2 (Nebengebäude)
Holzmenge: 70 m3