Daheim im Stadel

Ein Artikel von Kathrin Lanz (auf Basis der Architektenbeschreibung) | 03.06.2020 - 10:24
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Von außen soll sich das Gebäude in die Ästhetik des Dorfes eingliedern – im Inneren wird mit Traditionen gebrochen.
© Alex Filz

Höchste Priorität für die beiden Gründungsmitglieder von noa*, Stefan Rier und Lukas Rungger, hatte bei diesem Hausentwurf, die Sensibilität des Dorfes einfließen zu lassen. Deshalb tritt der dreigeschossige Holzbau, von außen betrachtet, relativ dezent und traditionell auf. Ganz verbergen kann oder will er aber seinen mutigen Kern auch nicht. In Lärche ausgeführt, trägt die Rahmenkonstruktion im offen gestalteten Innenbereich einzelne Raumboxen förmlich durch die Luft. Zwei dieser Boxen sind auch von außen erkennbar und treten durch die Fassade hervor. Dadurch lässt sich erahnen, welchen Eindruck der Innenraum hinterlassen könnte. „Unser Ziel war es, dass sich das Haus in die Ästhetik und Architektur des Dorfes einbindet, die durch Paarhöfe aus Feuerhäusern und Holzstadeln geprägt ist“, erklärt Architekt Rier. „Aus diesem Grund haben wir die Fassade des Gebäudes auf allen Seiten traditionell mit einer Holzstruktur gestaltet, damit es wie ein typischer Stadel aussieht. Bei den Innenräumen entschied ich mich dafür, mit der Tradition zu brechen und mich von festgelegten Einschränkungen und Mustern zu befreien.“

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Wer die Boxen, die über Stege und Treppen erschlossen sind, erreichen will, fühlt sich vielleicht an das kindliche „Heuhüpfen“ erinnert. © noa*

Unser Ziel war es, dass sich das Haus in die Ästhetik und Architektur des Dorfes einbindet, die von Paarhöfen aus Feuerhäusern und Holzstadeln geprägt ist.


Stefan Rier, Architekt

Innenraum assoziiert Kindheitserinnerungen

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Architekt Stefan Rier © noa*

Auf dem Fundament aus Stein, das 10 mal 8 m misst, steht also eine Konstruktion aus Lärchenholz, die ein ortsübliches Satteldach trägt. Eine vorgehängte Holzfassade umgibt das gesamte Haus wie eine Hülle, schützt vor Sonneneinstrahlung an warmen Tagen und negiert die eindeutigen Verweise auf den Stadel nicht. Auf der Südseite blicken die großen Fenster, der Außenbereich und die Terrasse des Gebäudes auf die Landschaft der Dolomiten, die vom Schlerngebirge dominiert wird. Jeder, der in Kindheitstagen die Erfahrung des „Heuhüpfens“ machen durfte, entlarvt die Heustadel-Verweise auch im Innenbereich sofort. Die durchgängig sichtbare Holzkonstruktion, welche die schwebenden Boxen trägt, ragt bis auf 12 m Höhe auf das Holzbalkendach. In den drei Boxen befinden sich die Schlafräume, die über Treppen und Stege erreichbar sind. Die Bäder sind offen gestaltet, nur die Toiletten geschlossen. Auf der letzten Ebene gibt es eine Box mit Sauna inklusive Panoramablick. Ganz unten, im Erdgeschoss, präsentiert sich ein offener Wohnraum mit Küche, Esszimmer und „Plauderecke“, wie sie die Architekten selbst bezeichnen. Die Holzbau- und auch Tischlerarbeiten übernahm das Südtiroler Unternehmen Holzbau Brida.

Regionale Handwerker und Materialien

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Auch die Bäder integrieren sich in das offene Raumkonzept als freie Einheiten. Lediglich Schlafzimmer und Toiletten sind separiert.   © Alex Filz

Neben den traditionellen Baustoffen Holz und Stein wurden für das Haus weitere moderne Materialien, zum Teil in mediterranem Design, verwendet. Der Kunstharzboden, der im Erdgeschoss optisch eine Einheit schafft, wechselt sich mit dem gebrannten Ton der meerblauen Fliesen ab, die auch für die Verkleidung der Küchenzeile verwendet wurden. Das Messing setzt helle und warme Akzente in der Einrichtung und entlang der langen Arbeitsplatte mit Kochfeld. Die Treppe aus fein geschmiedetem Eisen erinnert an die traditionellen arabischen Fenstergitter und bildet für eine alpinische Landschaft ungewöhnliche Lichtspiele. Die gesamte Einrichtung wurde nach Maß von lokalen Anbietern angefertigt und die Materialien stammen von Herstellern aus der Umgebung.

Lichtdurchflutung und Beschattung im Einklang

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Das Erdgeschoss ist ein großer, offener Raum mit Essbereich und Küche inklusive Küchenzeile aus Naturmessing. Hängeleuchten sorgen punktuell für Licht. © Alex Filz

Ziel des Projekts war es, die natürliche Beleuchtung zu maximieren: Im Süden ist die Fassade vollständig verglast und das Licht wird durch die Holzstruktur, die etwa 2,5 m vom Aufriss entfernt montiert ist, gefiltert. Das Vordach schützt den Innenraum im Sommer vor Sonneneinstrahlung und über jenes kommt durch ein nach Osten offenes Dachfenster Zenitallicht. Im Norden gibt es keine Fenster. Für die Innenbeleuchtung wurden im doppelhohen Wohnbereich Hängeleuchten angebracht, um eine punktuelle Beleuchtung der unterschiedlichen Funktionsbereiche – insbesondere im Esszimmer und in der Küche – zu gewährleisten. Viele der im Haus verwendeten Leuchten wurden nach Maß gefertigt.

Preise eingeheimst

Die Liebe zum Detail brachte dem Ersatzneubau den Iconic Award 2018 für innovative Architektur des Rats für Formgebung und war unter den fünf Projekten im Finale des World Architecture Festival 2018 in der Kategorie „House“. Ohne die intensive Verwendung des Baustoffes Holz wären diese Auszeichnungen wohl ausgeblieben.

Projektdaten

Standort: Seis am Schlern, IT
Fertigstellung: Dezember 2017
Bauherr: Stefan Rier
Nutzfläche: 4590 m2
Architektur: noa*
Holzbau: Holzbau Brida