Die Zukunft wird in Holz gebaut

Ein Artikel von Raphael Zeman | 18.08.2020 - 09:14

Im Bundesstaat New York beschäftigen sich zwei Forscher und Designer mit dem konstruktiven Einsatz von industriell bisher nicht verwertbarem Holz. An der Universität von British Columbia kommen jedes Jahr Studenten, Professoren und Akteure aus der Baubranche zusammen, um die neuesten Technologien im Holzbau zu erkunden, und an der Hochschule Luzern entwickelte man einen Modulbaukasten, der die Städte unserer Zukunft in Holz erstrahlen lassen könnte.

Ashen Cabin

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Die dunklen, geradlinigen Fensterlaibungen in Brettsperrholz erzeugen einen interessanten Kontrast zum geschwungenen, hellen Eschenholz. © HANNAH

Leslie Lok und Sasa Zivkovic sind Assistenzprofessoren an der Cornell Universität in Ithaca im Bundesstaat New York und Gründer des Designbüros HANNAH. In einer Kooperation mit der Universität – genauer gesagt, dem „Robotic Construction Lab“ (RCL), welches Zivkovic leitet – suchten die beiden nach einem kreativen Ansatz, der Plage durch den Asiatischen Eschenprachtkäfer zu begegnen. Denn „Eschen machen rund 10 % des Waldbestandes in der Region aus, in den gesamten USA sind fast neun Milliarden Bäume betroffen“, erzählt Zivkovic. Das Käferholz konnte aufgrund seiner irregulären Geometrie bisher kaum in der Holzindustrie verwendet werden. „Befallene Eschen lässt man oft verrotten oder verbrennt sie. Das setzt aber leider CO2 frei. Durch den Einsatz von Eschenholz im Bausektor bindet man nicht nur Kohlenstoff, sondern entlastet auch andere, für das Bauen geeignete Hölzer“, erklärt Zivkovic. „Es ist unsere Verantwortung, diese sterbenden Bäume nachhaltig zu nutzen – sie sind eine wertvolle Ressource für den Bau“, fügt er hinzu.

Robotik und 3D-Druck

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© HANNAH

Mit ihrem Prototyp, der „Ashen Cabin“ – also „Eschenhütte“ – schlagen die Designer und Professoren zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie entwickelten nämlich neben einem 3D-Druckverfahren für Betonschalungen, das nur mit dem unbedingt notwendigen Materialaufwand auskommt, auch eine Methode, um befallenes Eschenholz zu verarbeiten. So wird zuerst die Geometrie der Stämme mittels eines 3D-Scans ermittelt und dann ein eigens dafür angeschaffter Roboter darauf programmiert, das Holz in weiterverwendbare Form zu schneiden. Diesen 15 Jahre alten Roboterarm, der ursprünglich in der Automobilindustrie zum Einsatz kam, ersteigerte man über eine Onlineplattform, bevor ihn Zivkovic mit seinem Team des RCL für die gewünschten Zwecke adaptierte. Mit dem Projekt wollen die Forscher darauf aufmerksam machen, dass es auch in der Verantwortung der Akteure im Bausektor liegt, die Klimakrise mitzudenken. Lok und Zivkovic sind der Meinung, dass ebendiese Akteure dabei von den Ergebnissen aus Forschungseinrichtungen, die auf wiederholtes Testen und anhaltendes kritisches Hinterfragen ausgelegt sind, profitieren können: „Die Hütte demonstriert die Anwendung moderner Technologien. Wichtig war uns dabei auch eine nachhaltige Mischung der Baustoffe. Langfristig wird es aber nicht reichen, Material einzusparen. Man muss Alternativen finden“, fordert Lok. Die beiden schätzen sich jedenfalls glücklich, dass sie die im eigenen Unternehmen geborene Idee in Kollaboration mit dem RCL umsetzen konnten: „An der Universität sind wir beide wissenschaftlich tätig – das Projekt hat es uns ermöglicht, das Potenzial von Technologie und Material nun auch im architektonischen Kontext zu erforschen.“

Dragon Skin Pavillon

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© David Correa

Der „Dragon Skin Pavillon“ ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit der Fakultäten „School of Architecture and Landscape Architecture“ (SALA) und „Centre for Advanced Wood Processing“ (CAWP) an der Universität von British Columbia. Geleitet wurde das Projekt von SALA-Professorin Anna Lisa Meyboom, David Correa, einem Assistenzprofessor an der Universität von Waterloo, und Oliver David Krieg von dem auf digitalen Holzbau für urbanes Wohnen spezialisierten Unternehmen Intelligent City.

Tradition trifft Technologie

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Tradition und Moderne: Die strukturell wirksamen Schindeln sind robotergefertigt und mittels Holz-Holz-Verbindungen fixiert. © David Correa

Der Pavillon wurde nach dem Vorbild traditioneller japanischer und chinesischer Bauweisen ohne metallische Verbindungen hergestellt: Er besteht aus einer elastisch gebogenen Gitterkonstruktion, die von strukturell wirksamen Schindeln, welche wiederum mittels Holzdübeln befestigt sind, zusammengehalten wird. Innerhalb von nur drei Tagen wurde das Material produziert und das Bauwerk errichtet. Das Projekt will damit Möglichkeiten aufzeigen, moderne Technologien, wie Robotik und Automatisierung, mit traditionellen Handwerkskünsten zu verbinden. Das adaptierbare System, das vom Team zur Produktion und Errichtung des Pavillons angewandt wurde, bietet digitale Unterstützung vom Entwurf bis zur Fertigung und lässt sich zudem auf andere Orte mit geänderten Produktionsbedingungen übertragen. Den Initiatoren geht es vor allem darum, den Teilnehmern den Weg von der Idee zum fertigen Objekt aufzuschlüsseln und ihnen das Potenzial moderner Technologien zu vermitteln. So wurde die Struktur mittels des Rhino-Tools Grasshopper berechnet und das Material von einem siebenachsigen Roboter aufbereitet. Unterstützung erhielt das Projekt von „Forestry Innovation Investment“, einer Organisation zur Förderung der kanadischen Holzindustrie. Denn „Kanada produziert zwar viel Holz, aber die europäischen Produkte sind weiter fortgeschritten, die Herstellungsprozesse viel effizienter und wettbewerbsfähiger“, erzählt Meyboom. Mit Projekten, wie dem „Dragon Skin Pavillon“, will man den heimischen Holzbau vorantreiben. Deshalb ist der Workshop, der jedes Jahr stattfindet, nicht nur Studenten, sondern auch anderen Akteuren aus der Branche zugänglich. „Es nehmen auch immer Architekten, Ingenieure und Professoren von anderen Universitäten teil“, berichtet Meyboom und spricht noch eine Einladung aus: „Im Oktober hätte der nächste Durchgang starten sollen, aber wegen der Pandemie mussten wir auf Februar 2021 verschieben – falls ein holzbau austria-Leser am kommenden Workshop teilnehmen möchte.“

Modul 17

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© CCTP

„HolzHybridHochHaus. Typologie für Hochhäuser in Holz-Hybridbauweise zur urbanen Verdichtung“ ist ein gemeinsames Forschungsprojekt der Hochschule Luzern mit Partnern aus der Industrie. Gesucht wurden Antworten, die der moderne Holzbau mit seinem systemischen Denken auf aktuelle Fragen im städtebaulichen Diskurs geben kann. Im Zuge des von Innosuisse geförderten Projekts entwarf man das vielversprechende „Modul 17“, bei dem es sich um ein horizontal und vertikal flexibles System handelt, dessen Module zu fast 90 % aus Holz bestehen. Eine zentrale Forschungsfrage war dabei, wie die Gebäudestruktur konzipiert sein muss, damit sie dem Holzbau gerecht wird und eine nachhaltige räumliche Flexibilität ermöglicht.

Baukasten für unterschiedliche Bedingungen

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Konstruktionskonzept © CCTP

„Wir stellen mit dem Modul 17 einen Baukasten zur Verfügung, den man immer wieder benutzen kann, ohne dass die so entstehenden Hochhäuser alle gleich aussehen“, freut sich das Team, bestehend aus Forschern vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern und Wirtschaftspartnern. Das Modul mit den Seitenmaßen 17 x 17 m ist 14,5 m hoch. An den Ecken verfügt es über sogenannte „Megastützen“, die die vertikalen Lasten abtragen und die Gebäudetechnik aufnehmen. Unter der Decke leitet zudem ein „Megageschoss“, bestehend aus raumhohen Fachwerkträgern, die Vertikallasten in die „Megastützen“ ab. Dadurch entsteht ein stützenfreier Grundriss, der individuell angepasst werden kann. Die Gesamthöhe des Moduls von 14,5 m ermöglicht darüber hinaus eine flexible Gestaltung der Raumhöhen und, damit einhergehend, auch einen nachträglichen Umbau, beispielsweise von einem Büro- in ein Wohnhaus. Die einzelnen Module sind durch eine „Megadecke“ in Holz-Beton-Verbundbauweise abgetrennt. Treppenhäuser in Stahlbeton, die außerhalb der Module liegen, sorgen zusätzlich für die Aussteifung, die Fassade bleibt frei gestaltbar. Die Erkenntnisse des Projekts wurden mittels eines rund 130 m hohen Prototyps, der sich aus insgesamt 58 Modulen zusammensetzt, validiert und die Praxistauglichkeit nachgewiesen. Von dem interdisziplinären Team, bestehend aus Architekten, Brandschutzexperten, Bauökonomen, Holzbauern und Gebäudetechnikern wurde das System in unterschiedlichen Stadtstrukturen hinsichtlich der Statik, Gebäudetechnik, Energieversorgung, Produktion, Montage, Wirtschaftlichkeit und möglicher Finanzierungsweisen getestet. „Innovationsprojekte der Innosuisse beruhen auf einer Zusammenarbeit von Wirtschafts- und Forschungspartnern, die zu gleichen Teilen an der Ausarbeitung beteiligt sind. Erstere zahlen zudem einen finanziellen Beitrag in das Projekt ein. Dadurch wird sichergestellt, dass die Ergebnisse aus der Forschung in der Wirtschaft angewendet werden können“, weiß Dr. Sonja Geier, stellvertretende Leiterin des CCTP.