Kraftplatz in der Natur

Ein Artikel von Birgit Gruber | 22.02.2021 - 10:08
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© Dirk Tacke

Die Natur ist eine Quelle von Freiheit und Kraft. Nichts kann uns diese Privilegien so eindrucksvoll vermitteln, gerade in ungewissen Zeiten wie diesen. Natur tut außerdem gut. Die Menschen zieht es nach draußen, wenn sie sich ruhe- und kraftlos fühlen. In den Wald, an den Fluss, an den See, in die Berge. Wie einem Instinkt folgt dieser Impuls nach draußen. Hat man frische Luft getankt, fühlt man sich meist besser und entspannter. Wissenschaftler befassen sich seit Jahrzehnten mit der Frage, wie die Natur auf unsere Psyche wirkt. Ablesen lässt sich diese Wirkung daran, dass Blutdruck und Puls sinken, ebenso der Kortisolgehalt im Blut. Somit reagiert unser Herzrhythmus flexibler auf spätere Belastungen im Berufs- oder Privatleben. Dieses Zurückbesinnen auf das Wesentlichste inspirierte auch die Tiroler Bauherrenfamilie Binder-Egger bei der Planung und dem Bau ihres jüngsten Hotelzuwachses in Zell am Ziller. „Die eigenen Lebensgeister wieder einmal spüren und auf allen Ebenen ganzheitlich neu entdecken können“ – das und noch viel mehr wird den Gästen im MalisGarten Green Spa Hotel versprochen. Und stellt man einmal den gebotenen Luxus des 5-Sterne-plus Refugiums, in dem man erst ab 16 Jahren verweilen darf, hintan, so zeigt sich der wahre Charakter des Hauses. Ein Hotel ganz aus Holz, vom Boden bis zum Dach, innen wie außen. Natur pur also. Das architektonische Konzept dieses besonderen Kraftplatzes inmitten der beeindruckenden Tiroler Bergkulisse stammt aus der Feder des italienischen Stararchitekten Matteo Thun. Der aus Südtirol stammende Designer und Architekt hat sich mit seinen Werken über die Jahre einen international bekannten Namen gemacht. Vor allem mit seinen Kreationen im Bereich der Hotellerie konnte sich der 68-Jährige erfolgreich positionieren. Sein Name steht außerdem für grüne Architektur.

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Das fünfgeschossige Hotel besteht samt den Liftschächten und Stiegenhäusern komplett aus Massivholz – ein Novum in Österreich. © Dirk Tacke

„Grüne Architektur ist kein Trend“

Für Thun ist grüne Architektur kein Trend, sondern eine Rückkehr zur Normalität: „Als Architekten versuchen wir mittlerweile, zwei Wörter aus unserem Wortschatz zu streichen: Nachhaltigkeit und Ökologie. Beide sind Pleonasmen, also sinngleiche Wörter – es ist also völlig unnötig, darüber zu sprechen. Denn wenn ein Architekt nicht nachhaltig ist, nicht ökologisch handelt, dann sollte er diesen Beruf nicht ausüben. Wir haben die beiden Worte aus diesem Grund mit Dauerhaftigkeit ersetzt“, so Thun. Bei MalisGarten treffen nun der Star unter den Architekten und der Star unter den Baustoffen aufeinander. „Holz ist der mir einzig bekannte Werkstoff mit ästhetischer und technischer Dauerhaftigkeit“, erklärt er. Thun schätzt die Vielseitigkeit des Materials und greift bei seiner Arbeit deshalb gerne auf Holz zurück. In den vergangenen Jahrzehnten hat er seine sehenswerten Holzspuren quer über die Kontinente hinterlassen. „Die Zusammenarbeit mit einem so tollen Architekten und seine Herangehensweise sind eine Offenbarung”, freut sich Christina Binder-Egger.

Enger Zeitrahmen von nur 15 Monaten

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Architekt Alexander Meissl: „Die flexiblen Möglichkeiten, die kurze Bauzeit und die ökologischen Vorteile sprechen in Verbindung mit dem gelungenen Design eindeutig für eine vielversprechende Zukunft des Baustoffes Holz.“ © David Johansson

Neben den 35 Zimmern in sechs Kategorien umfasst das Hotel eine Wellnesslandschaft mit Außenpool, das Restaurant „Wilde Kräuterküche“ sowie die Bar und Patisserie „Eden“ und nicht zuletzt den namensgebenden Garten von rund 2000 m² inklusive Obst- und Kräutergartens. Als lokaler Architekt vor Ort fungierte das Tiroler Büro von MEISSL Architekten. Für das Team war es die erste Umsetzung eines Holzhotels: „Wir sind stolz, dass wir als Teil des Planungsteams bei diesem neuen Schmuckstück für das
Zillertal mitwirken durften“, zeigt sich Alexander Meissl mit der reibungslosen Umsetzung des Großprojekts zufrieden. „Gerade, weil es das erste Holzhotel war, das unser Team umgesetzt hat, sind wir von der Qualität der Ausführung bei einer knappen Bauzeit von nur 15 Monaten begeistert.“ Dass Holz als regionaler Baustoff damit auch die heimische Wirtschaft stärkt, ergibt sich durch die Zusammenarbeit mit binderholz. Bauherr Reinhard Binder ist Miteigentümer und Geschäftsführer des Massivholzherstellers mit Stammsitz in Fügen. Damit ließen sich die eigenen Holzträume auch rasch und unkompliziert verwirklichen. Insgesamt 1500 m3 Holz wurden bei diesem Projekt verbaut. Binderholz Bausysteme war für die gesamte holzbautechnische Planung und Abwicklung verantwortlich. Dazu gehörten die statische Vorbemessung, die Arbeitsvorbereitung sowie die Projektierung des Bauvorhabens.

Vom Boden bis zum Dach: Holz aus Österreich

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An der Fassade und im dekorativen Bereich des Luxustempels wurde mit Massivholzplatten und Profilhölzern gearbeitet. © Dirk Tacke

Der Fünfgeschosser besteht von der Bodenplatte bis zum Dach komplett aus Massivholz und setzt damit auch neue Maßstäbe für den Holzbau. Für die gesamte tragende Struktur wurden Brettsperrholzelemente sowie Brettschichtholz aus Fichte und Lärche eingesetzt. Stiegenhäuser und Liftschächte bestehen ebenfalls aus Massivholz. Für die Montage der Elemente holte man sich die Profis von Holzbau Schweinberger aus Fügen auf die Baustelle. Das junge und dynamische Team konnte – gemeinsam mit binderholz – einige Großprojekte umsetzen und war an der Errichtung anderer ZillerSeasons-Hotels im Besitz der Familie Binder-Egger beteiligt. An der Fassade und im dekorativen Bereich wurde mit Massivholzplatten und Profilhölzern gearbeitet. Dabei legte man ebenfalls viel Wert auf die Verwendung von heimischen Hölzern wie Zirbe, Nuss, gedämpfte Fichte, Lärche oder Weißtanne. Auch die Türen, Möbel und Parkettböden aus Nuss- und Eichenhölzern stammen allesamt von österreichischen Produzenten. Durch eine intelligente Planung mittels Vorfabrikation konnten die Gewerke den eng gesteckten Zeitrahmen bis hin zur Eröffnung im Juni 2020 einhalten. „Von der tragenden Struktur bis hin zum letzten dekorativen Holzelement stammen alle verarbeiteten Hölzer aus Österreich“, freut sich Reinhard Binder.

Brandschutzkonzept braucht Flexibilität

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In MalisGarten darf das Holz all seine Facetten entfalten und seine Vorzüge ausspielen. Im Barbereich sorgen große Fenster für genügend Tageslicht. © Dirk Tacke

MalisGarten ist das erste fünfgeschossige Hotel komplett aus Massivholz, inklusive Stiegenhäusern und Liftschächten, in Gebäudeklasse 5. Um so bauen zu können, braucht es in Österreich ein sicheres Brandschutzkonzept. Verantwortlich dafür war das Brandschutzmanagement von Christian Schretthauser aus Kundl. „Gleich zu Beginn ist es wichtig, allen Beteiligten klar zu vermitteln, dass ein Projekt in diesem Umfang und dieser Komplexität ohne wesentliche Berücksichtigung des Brandschutzes nicht funktioniert. Dazu gehört eine klare und offene Kommunikation zwischen den Bauherren, dem Architekten und den Fachplanern. Zu berücksichtigen ist auch, die abschließend beurteilenden Behörden von Anfang an mit ins Boot zu holen, um im Nachhinein aufwendige und kostenintensive Änderungen in der Planung zu vermeiden“, weiß Schretthauser. Die Planung und Umsetzung sollen dann laut dem Experten so weit als möglich entsprechend den Anforderungen der OIB-Richtlinie und weiteren normativen Vorgaben erfolgen. „Das ist deswegen wichtig, da sich, wie im vorliegenden Fall, im Laufe der Planung und aufgrund der Bauherrenwünsche immer notwendige Abweichungen ergeben, die dann gezielt anhand eines Konzeptes ausgearbeitet und umgesetzt werden müssen. Bei MalisGarten war zum Beispiel der Kern des Gebäudes ursprünglich in Stahlbeton geplant. Mit der späteren Abänderung, das Stiegenhaus in Massivholzbauweise zu errichten, ergab sich eine Abweichung von den geltenden Vorgaben. Die Erreichung des Schutzzieles war nur mittels einer Kapselung der verwendeten Bauteile möglich“, erklärt der Brandschutzexperte. Für Schretthauser war das Projekt eine große Herausforderung, dessen wichtigste Rolle in der Umsetzung der Bauherrenwünsche die Flexibilität der Gewerke untereinander sowie das professionell agierende Planungsteam spielten. „Die besonderen Herausforderungen lagen oft im Detail. Viele Detailskizzen waren notwendig, um zum Beispiel Wand- und Deckenanschlüsse oder Übergänge im Bereich von Brandabschnitten klar zu definieren. Dazu muss man sich gut mit der Bauleitung und den Fach- bzw. Herstellerfirmen, gerade im Bereich Trockenbau, vor Ort abstimmen. Aber wie schon erwähnt, je besser die Kommunikation innerhalb der Planergruppe und in weiterer Folge zwischen den Gewerken ist, desto einfacher lassen sich aufkommende Probleme schon im Vorfeld erkennen und anschließend einfacher lösen“, so Schretthauser abschließend.

Projektdaten

Standort: Zell am Ziller
Bauherrschaft: Familie Binder-Egger
Fertigstellung: Juni 2020
Bauzeit: 2019 bis 2020
Architektur: Matteo Thun; MEISSL Architects
Vorstatik: binderholz Bausysteme
Tragwerksplanung: tragwerkspartner
Holzbau: Holzbau Schweinberger
Brandschutz: Brandschutzmanagement Christian Schretthauser
Systemlieferanten: binderholz
Holzmenge: 1500 m³