Zauberhut aus Holzelementen

Ein Artikel von Birgit Gruber | 13.04.2021 - 08:11

Knies Kinderzoo im schweizerischen Rapperswil kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Seit 1962 betreibt die Zirkus-Dynastie das Gelände nahe des Zürichsees, das heute vom legendären Elefantentrainer Franco Knie geleitet wird. Dass ein Zoo mit der Zeit gehen muss, um die Besucher bei Laune zu halten, weiß auch er. In eine stetige Weiterentwicklung reiht sich die neueste Attraktion ein, deren Eröffnung aufgrund der Coronapandemie zeitlich nach hinten verschoben werden musste. Seit 1. März kann man den markanten Bau, der wie ein silberner Fels in den Himmel ragt nun aber endlich betreten: Der Zauberhut, eine künftige Hauptattraktion des Tiergartens.

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© Luca Zanier

Neue Eventlocation aus Holz

Das 26 m hohe Gebäude entstand an der Stelle des früheren Otariums, wo bis 2019 Seelöwenshows gezeigt wurden. Mit dem multifunktionalen Zauberhut will der Zoo seine Ausrichtung leicht justieren und vermehrt auf Events setzen. Diverse Veranstaltungen wie Präsentationen, Firmenanlässe oder Shows sind im neuen Wahrzeichen geplant. Bei seinem Entwurf für das neue Gebäude schwebte Architekt Carlos Martinez ein Zaubertuch vor Augen. Knie selbst sah den Entwurf als Zauberhut, dessen Form sich bei diversen Medienberichten im In- und Ausland durchgesetzt hat. Die gesamte Konstruktion – von der Planung bis zur Montage auf der Baustelle – ist ein fantastisches Beispiel dafür, was im Holzbau alles möglich ist. Das Team dahinter kannte der Bauherr schon von anderen gemeinsamen Projekten. Neben dem Generalplaner Ghisleni und den Ingenieuren von Pirmin Jung, zeichnen die Holzbauexperten von Blumer Lehmann für die Planung und Umsetzung des ausgefallenen Schalentragwerks aus Holzelementen verantwortlich.

Zwölf gespiegelte Holzelemente

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Die gesamte Dachkonstruktion lagert an 12 Kehltiefpunkten auf Nischen im Betonzugring auf. © Blumer-Lehmann AG

Ein komplexes Schalentragwerk macht die spezielle Dachform möglich. Das Holzfaltwerk wird von Holzdruckringen und einem Betonring zusammengehalten und konnte durch die Auffaltung so weit erhöht werden, dass der Innenraum sogar für Trapeznummern geeignet ist. Die streng rotationssymmetrische Form ermöglichte laut den Schweizer Freiform-Spezialisten die wirtschaftliche Produktion von zwölf gleichen und zwölf gespiegelten Holzelementen; je zwei Dachelemente ergeben ein Paar, das an einem der zwölf Kehltiefpunkte auf den Nischen im Betonzugring aufgelagert wird. Die Krönung ist der sogenannte „Hut“, der als Sonderelement den Abschluss bildet. Ein Mock-up diente für die Klärung der Detailausführungen und der Produktion. Anschließend wurden alle Bauteile in 3D modelliert. „An dem parametrischen Modell konnten wird die Elemente exakt planen und vorprogrammieren. Leitungsdurchlässe für die Haustechnik wurden so schon in der Planungsphase in den Elementen ausgespart. Dadurch haben wir auch mögliche Kollisionen im Produktions- oder Montageprozess bereits am 3D-Modell identifiziert und beseitigt“, heißt es aus dem Holzbauunternehmen.

Bis ins kleinste Detail vorgefertigt

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Die Holzelemente wurden im Gossauer Werk vorgefertigt. © Blumer-Lehmann AG

Alle Holzbauelemente wurden in den Gossauer Werkshallen bis ins kleinste Detail vorgefertigt.  „Das Spezielle an diesem Projekt ist die Kombination von Elementbau und Freiform. Alle 24 Elemente sind zweifach gekrümmt. Auch das ist eine Besonderheit, weil die Krümmung die gesamten Elemente betrifft, nicht nur einzelne Tragrippen,“ erinnert sich Projektleiter Jan Hempel. Die Rippen und Querrippen sind aus Brettschichtholz. Nach dem Ausdämmen erhielten die Elemente eine zweifache, 24 mm starke Diagonalschalung, die händisch gebogen und vernagelt wurde. Das verwendete Holz ist einheimische Fichte, die von den Planern in der komplexen Konstruktion so naturnah eingesetzt wurde, dass das Material seine Stärken voll entfalten kann. Auch die Dachverkleidung war in der Werkplanung von Blumer Lehmann für die Vorfertigung vorgesehen. So wurden die charakteristischen Dachschindeln aus Zinkblech schon im Werk aufgebracht. Auf der Baustelle mussten bei der Montage nur noch die Kehlfugen versiegelt und die Anschlussbleche fixiert werden. 

„Was hier geleistet wurde, ist einfach unglaublich!“

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Knies Zauberhut übernimmt eine identitätsstiftende Rolle in dem wiedereröffneten Knies Kinderzoo. Er wird für Zirkusvorführungen und als Eventlocation genutzt. © Knies Kinderzoo

Schallschutz und Akustik spielen im neuen Eventgebäude natürlich eine große Rolle. Das Schalentragwerk wurde deshalb von innen mit 470 Akustikpaneelen vollständig verkleidet. Eine weitere Herausforderung spielte im Anschluss die Montage auf der Baustelle. Sicherheit hatte dabei oberstes Priorität. „Um die Monteure nicht unnötig zu gefährden, waren schon in der Planung die letzten Meter des Zauberhuts in einem Element zusammengefasst und als Sonderbauteil komplett inklusive Dacharbeiten, vorgefertigt worden. Der fast 20 t schwere Hut wurde mit einem Spezialkran an Ort und Stelle gehoben, justiert und fixiert“, so die Holzabauspezialisten. Zirkusdirektor und Bauherr Franco Knie war sichtlich begeistert: „Ich bin vom Zirkus gewöhnt, dass man schnell auf- und abbaut, doch was hier geleistet wurde, ist einfach unglaublich!“

Quelle: Blumer-Lehmann AG