Stille Wasser waren gestern

Ein Artikel von Birgit Gruber | 08.07.2021 - 09:26
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© HESS Timber

Was muss der moderne Holzbau heutzutage leisten? Diese Frage stellt sich bei der Kombination unterschiedlicher Bauweisen, -elemente und Materialien. Abgestimmt auf die jeweilige Situation, spielt der Holzbau dabei seine Stärken voll aus. Durch eine enge Verknüpfung von Entwurf, Konstruktion und präziser Vorfertigung können Planer und Holzbau-Meister auch komplizierte Strukturen umsetzen. Neue Arten der Digitalisierung in Planung und Produktion sowie eine Weiterentwicklung der Fertigungs- und Verbindungstechniken ermöglichen räumliche Tragwerke und organisch geformte Bauteile aller Art. Damit lassen sich auch große Spannweiten überbrücken. Der moderne Holzbau wächst in die Höhe und punktet mit seinen vergleichsweise leichten Konstruktionen, die dennoch eine hohe Tragfähigkeit aufweisen. Das schont Ressourcen. Die vielfältigen Möglichkeiten und positiven Umweltaspekte wissen mittlerweile Architekten, Ingenieure und Bauherren weltweit zu schätzen. Sie setzen den nachhaltigen Baustoff deshalb für unterschiedlichste Projekte ein. Aber auch, wenn „höher, schneller, weiter“ die Schlagworte der Stunde sein mögen, muss der moderne Holzbau vor allem eines leisten: Er muss Spaß machen. Wie das geht, zeigen zwei aktuelle Projekte, die mit Sicherheit Groß und Klein Freude bereiten.

Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst

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Die Erlebnisholzkugel soll vor allem Spaß machen und eine herrliche Aussicht bereiten. Das garantieren Plattformen in luftiger Höhe, 25 Motorikstationen und eine lange Rutsche. © Almholz

Direkt am Steinberger See im Oberpfälzer Seenland öffnete 2019 ein Meisterwerk der Ingenieurskunst und eine neue Art von Erlebnisarchitektur die Pforten. Die laut Betreiber größte begehbare Erlebnisholzkugel der Welt, die 950 Besucher zeitgleich fasst, steht im „inMotion Park“ und ist ein Superlativ in vielerlei Hinsicht. Geplant und umgesetzt wurde die Kugel vom oststeirischen Unternehmen Almholz als Generalunternehmer, in enger Zusammenarbeit mit Hess Timber aus Kleinheubach. Mit einer Höhe von 40 m und einem Durchmesser von rund 50 m ist sie bereits von Weitem zu sehen. 627 m3 Brettschichtholz, 190 t Stahlteile, 40.000 Schrauben und 18.000 Bolzen, Bauschrauben und Stabdübel, 3300 m2 Verkleidungsplatten und 2200 lfm Geländer – das sind nur einige der Eckdaten, die Hess Timber zu diesem Mammutprojekt anführt.

Symbiose von Innen- und Außenturm

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Das mittlere Podest auf 28 m Höhe kann der Besucher auf unterschiedliche Weise erklimmen. Entweder über eine Netzbrücke mit freiem Blick nach unten, über eine klassische Hängebrücke mit Bohlenbelag oder über eine 12 m lange Zugangsrampe zum Innenturm. Nach unten gelangt man von hier in wenigen Sekunden über eine sich spiralförmig um den Innenturm windende Rutsche. © Almholz

Die 40 m hohe Holzkugel besteht aus einem inneren Turm mit zehn Achsen (BSH Lärche mit Abmessungen von 260 mm mal 530 mm im Querschnitt und Längen von 30, 26 beziehungsweise 10 m) und zwei Podesten. Am Firstkreis des Innenturms lehnen in Summe 20 Achsen des formgebenden äußeren Traggerüstes (BSH Fichte mit Abmessungen von 260 mm mal 140 mm im Querschnitt). Im Inneren der Erlebnisholzkugel verläuft ein 600 m langer, barrierefreier, spiralförmiger Fußweg mit einer konstanten Neigung von 6° bis zur obersten Plattform. „Die zwanzig außenliegenden, formgebenden Brettschichtholzelemente verfügen über einen Bogenstich von rund 15 m und eine Gesamtlänge von je 55 m. Aufgrund dieser Dimensionen wurde frühzeitig ein ganzheitliches Logistik- und Montagekonzept gemeinsam mit unserem Partner und Auftraggeber Almholz entwickelt. Dies ermöglichte es, die BSH-Elemente werkseitig in Kleinheubach mit jeweils zwei Stößen zu versehen und komplett vorzufertigen. Nach Anlieferung auf der Baustelle konnten die einzelnen Elemente vor Ort gefügt und aufgerichtet werden. Jedes der fertigen Bogenelemente wiegt rund 17 t. Wir sind stolz darauf, dass wir unser Wissen und Know-how bei diesem außergewöhnlichen Projekt unter Beweis stellen konnten“, freut sich Hess Timber-Projektleiter Kai Vahle. Im Zuge des Planungsprozesses fiel die Entscheidung, die außenliegende Konstruktion komplett zu verkleiden. Als Ergebnis wurden die äußeren Bauteile mittels Dreischichtplatten der Holzart Lärche mit einer Hinterlüftung von 60 mm versehen.

25 Motorikstationen wollen bespielt werden

Insgesamt 25 Motorikstationen zur Erkundung der Beweglichkeit, Koordination und Geschicklichkeit befinden sich auf den äußeren Balkonen. „Das mittlere Podest auf 28 m Höhe kann der Besucher auf unterschiedliche Weise erklimmen. Entweder über eine Netzbrücke mit freiem Blick nach unten, über eine klassische Hängebrücke mit Bohlenbelag oder über eine 12 m lange Zugangsrampe zum Innenturm. Nach unten gelangt man von hier in wenigen Sekunden über eine sich spiralförmig um den Innenturm windende Rutsche. Alle Wegelemente wurden von uns im Werk vormontiert, auf der Baustelle mithilfe segmentierter Geländer ergänzt und im Ganzen mittels eines Krans eingehoben“, erzählt Almholz-Geschäftsführer und Eigentümer Wolfgang Wild. Das Gewicht der gesamten Holzkonstruktion beträgt stolze 500 t. Das ist laut Betreiber so viel wie 85 ausgewachsene Elefanten.

Reinschauen, Raufklettern und Gucklöcher entdecken – Kinder erfinden ihre Abenteuer selbst, wenn das Umfeld stimmt. Dafür sorgen wir mit dem Baustoff Holz.


Wolfgang Wild, Geschäftsführer Almholz

„Wissen, wo unsere Stärken liegen“

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Almholz-Geschäftsführer Wolfgang Wild

Das Unternehmen aus Fladnitz an der Teichalm wurde 2001 mit rund 25 Mitarbeitern gegründet. Der gesamtheitliche Planer und Umsetzer von Themenwelten, Wanderwegen und Spielanlagen für Kinder und Familien hat zur richtigen Zeit den Weg in diese Nische gefunden und mit gezielten Investitionen in den Betrieb eine Marktführerschaft erlangt. Zahlreiche Projekte auf den Bergen Mitteleuropas stammen aus der Almholz-Feder, darunter zum Beispiel ein Themenwanderweg entlang der berühmten Streif in Kitzbühel, die Almzeit in Sölden oder das Hopsiland auf der Planai in Schladming. „Der österreichische Bergtourismus hat vor circa zehn Jahren damit begonnen, die beliebten Wintersportorte für Besucher auch im Sommer attraktiv zu gestalten. Diese Entwicklung durften wir mittragen und so Standards setzen, die uns heute zahlreiche Aufträge im In- und Ausland einbringen“, ist Wild stolz. Referenzen, die den Betrieb heute strahlen lassen, sind neben der Erlebnisholzkugel in Steinberg am See auch Anlagen in der Schweiz, in Italien, Frankreich und Dänemark sowie eine Pistenraupe aus Holz in der Skihalle in Dubai oder ein kleiner Freizeitpark mitten in Kurdistan. Möglich machen dies Vertriebspartner auf der ganzen Welt. „Unsere Kernkompetenz liegt in der Planung und detailgetreuen Umsetzung. Mit einer hauseigenen Kreativabteilung und Produktion können wir auch große Projekte als Generalunternehmer stemmen. Wir wissen, wo unsere Stärken liegen und setzen die Vorstellungen und Ideen unsere Kunden mit einem hohen Spielwert um“, erklärt Wild. Die fantasievollen Köpfe bei Almholz haben alle eine Ausbildung in Richtung Architektur. „Es sind Menschen, die alle kleine Kinder haben, sehr offenherzig durchs Leben gehen, den Markt kennen und einen extremen Wunsch verspüren, etwas für Kinder zu schaffen, dass es so noch nicht gibt“, ist Wild auf seine Mitarbeiter stolz.

Das Geheimnis der steirischen Lärche

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Almholz verwendet für den Bau ihrer Spielanlagen ausschließlich steirische Lärche, da sie besonders Robust ist. © Eric van Ommen

Das Unternehmen verwendet und verarbeitet vorzugsweise unbehandeltes Lärchenholz regional aus der Steiermark. „Die steirische beziehungsweise europäische Lärche hat als einzige Baumart die letzte Eiszeit überlebt. Dies zeigt schon die große Widerstandsfähigkeit dieser Holzart. Langsames Wachstum auf kargen Böden ist die Basis dafür“, weiß Wild. Das Material wird als Rundholzbloche direkt bei heimischen Forstbetrieben angekauft. Diese werden dann auf Lohnschnittbasis bei kleineren, regionalen Sägewerken eingeschnitten. „Die Verfügbarkeit von Lärchenrundholz ist durch längerfristige Lieferverträge nach wie vor okay“, weist Wild auf die aktuelle Marktsituation hin. Sorge bereiten dem Steirer allerdings Werkstoffe wie Brettschicht- und Brettsperrholz, die nicht selbst hergestellt werden: „Hier sind wir von den großen Produzenten abhängig und es ist aktuell eine deutliche Preissteigerung merkbar.“ Je nach Projekt wird das Holz mit kindgerechten Farben versehen. Diese dienen laut Wild primär der Individualisierung der Anlagen. „Hinter allem, was wir tun, stehen natürlich Standards und Normen, denen wir verpflichtet sind.“

Von der Teichalm an den Steppensee

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Ob überdimensionale Seerose zum Klettern und Rutschen, Kugelbahnen oder eine 57 m lange Motorikstrecke – die neue Erlebniswelt in Podersdorf am See lässt keine Wünsche offen. © Eric van Ommen

Als bislang jüngstes Projekt durfte Almholz einen gigantischen Spielplatz in Podersdorf am Neusiedler See umsetzen. Die neue Familienerlebniswelt „PODOplay“ wurde erst Ende Mai – coronabedingt – im kleinen Rahmen eröffnet. Auf 18.000 m2, integriert ins Gelände des Strandbades, darf seither geklettert, gerutscht, geplanscht und relaxt werden. Die Gemeinde hat dafür über 1,5 Mio. € investiert. „Einzigartigkeit, Innovation, Bezug zur Region, Bezug zu den Themen, für die Podersdorf am See steht, Auslösen eines Wow-Moments, Saisonverlängerung und vieles mehr“, mit diesen Schlagworten skizzierte Podersdorfs Tourismus-Geschäftsführer Rene Lentsch nur einige der vielen Anforderungen an das Projekt. Mit speziell für den Standort konzipierten Installationen sollte sich die Anlage von anderen abheben. Neben Wasserspielen, einem riesigen Sandspielplatz, einer 57 m langen Motorikkletterstrecke und Relaxmöglichkeiten sind vor allem die Holzkugelbahn in Wellenform und die 7 m hohen Nachbildungen einer Seerose und eines Löffler-Vogelpaares (beide innen komplett bespielbar) die Highlights. Viele der Elemente beziehen sich in ihrer Form auf die beliebten Seesportarten Segeln, Kite- oder Windsurfen. Wie Almholz auch Teil dieses großen Vorhabens wurde, erklärt der Geschäftsführer: „Es gab eine umfangreiche Ausschreibung mit Juryvorsitz und dem ausdrücklichen Ziel, die innovativste Familienerlebniswelt zu schaffen. Drei Anbieter lieferten erste Entwürfe, aus denen wir klar als Sieger hervorgegangen sind. Wichtig war dabei eine Kostengarantie, die wir aufgrund unserer Erfahrungen exakt einhalten konnten.“ Neun Monate vergingen von den ersten Entwürfen bis hin zum Auftrag. Die Umsetzung nahm dann weitere zehn Monate in Anspruch. Beim Podersdorf-Projekt wurden insgesamt 100 m3 Lärchenholz verbaut und 12.000 Arbeitsstunden aufgewendet. „Beides ist für einen Spielplatz extrem viel“, gibt Wild an.

Teamwork immer entscheidend

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Das Löffler-Vogelpaar ist mit Sicherheit eines der Highlights im neuen Erlebnispark in Podersdorf am See. © Eric van Ommen

Bevor es an die Installation der Anlage ging, wurden alle Spielgeräte am Computer in 3D maßstabs- und detailgetreu vorkonstruiert. Zu diesem Zeitpunkt standen auch bereits die Farbkonzepte fest. Almholz setzte sowohl im bayerischen Steinberg als auch im burgenländischen Podersdorf auf die Zusammenarbeit aller Beteiligten. „Ein gutes Gelingen ist sehr stark davon abhängig, wie unsere Kunden im Laufe des Projektes ihre Hausaufgaben bewerkstelligen. Schließlich sind im Vorfeld Tiefbauarbeiten wie zum Beispiel ein Leitungsbau, der Bau einer Bewässerungsanlage oder der Wegebau notwendig. Diese Arbeiten müssen alle gut getaktet und mit uns abgestimmt werden. Der Bauherr soll später ja möglichst wenige Handgriffe für die tägliche Wartung, Instandhaltung und Pflege der Anlage tun müssen“, weiß Wild.

„Auftragsbücher sind voll“

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An heißen Tagen können sich die ganz Kleinen an einer Wasserspielbahn austoben und sich eine Abkühlung holen. © Eric van Ommen

Selbst die harte Coronazeit mit allen Lockdowns im Vorjahr gönnte dem Almholz-Team keine wirkliche Verschnaufpause. Von Kurzarbeit blieben die Mitarbeiter verschont. „Wir verfügen momentan über einen Pool von 25 bis 30 Aufträgen, die über den Sommer abgearbeitet werden müssen. Unsere Auftragsbücher für den Herbst sind prallvoll. Dass es im heurigen Jahr zu einer Vollauslastung kommen wird, wussten wir bereits im Februar. Zudem sind wir seit Monaten mit der Planung für Umsetzungsprojekte in 2022 beschäftigt“, erklärt Wild.

„Je länger wir am Markt unterwegs sind, umso bekannter werden wir und umso internationaler werden die Anfragen“, freut sich der Almholz-Geschäftsführer über eine sehr arbeitsintensive Zeit.

Projektdaten „Erlebnisholzkugel“

Ort: Steinberg am See
Bauherr: inMotion PARK Seenland GmbH, dieholzkugel.de
Generalunternehmer: Almholz VertriebsgmbH, almholz.at
Brandschutzkonzept: Ingenieurbüro Preihsl + Schwan GmbH
Vorstatik: LUGGIN-Ziviltechnikergesellschaft m.b.H.
Prüfstatik: BBI, Dr. Ing. Norbert Burger
Ausführungsstatik und -planung, Werkplanungund Produktion: HESS TIMBER GmbH; Almholz VertriebsgmbH
Motorikstationen: Almholz VertriebsgmbH
Wege/Geländer: Almholz VertriebsgmbH
Baubeginn: 2017/2018
Fertigstellung:
2019
Holzarten:
Lärche, Fichte
Holzmenge:
627 m³ Brettschichtholz

Projektdaten „PODOplay“

Ort: Podersdorf am Neusiedler See
Bauherr: Podersdorf Tourismus
Ausführung der Anlage: Almholz VertriebsgmbH
Baubeginn:
Herbst 2020
Eröffnung:
Mai 2021
Holzart:
Lärche
Holzmenge:
100 m³