Was soll hier wachsen? Hohes Holz!

Ein Artikel von Raphael Zeman | 12.10.2021 - 08:58
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Hohes Holz: Rund 200 bis zu 19 m hohe Baumstämme bilden die namensgebende Außenhülle. © mju-fotografie

Die Ziegler Group wurde 1948 in Plößberg gegründet und ist eines der größten Einzelstandortsägewerke Europas. Das Familienunternehmen ist über die Jahrzehnte gewachsen, die Mitarbeiter waren zunehmend auf unterschiedliche Standorte beziehungsweise Gebäude verstreut. „Dies wollte man – dem Marktwert des Unternehmens entsprechend – ändern und auf einer neuen Ebene zusammenführen“, erzählt Stephan Gräbner, der die Planung für Brückner & Brückner Architekten leitete. Dass das Büro in Tirschenreuth nur zehn Autominuten vom Sägewerk entfernt ist, bot dabei eine gute Möglichkeit, das Projekt in enger Zusammenarbeit zu entwickeln.

Auf gemeinsamer Erkundungstour

Die Bauherren hatten bereits eine ungefähre Vorstellung davon, wo das Gebäude errichtet werden sollte – nämlich an der Südwesteinfahrt zum Werk. Den finalen Bauplatz fand man schlussendlich bei einem gemeinsamen Spaziergang im Wald: auf einer erhöhten Lichtung direkt am Schnittpunkt Sägewerk-Wald beziehungsweise Verarbeitung-Natur. Treffender könnte der Standort nicht gewählt sein, bildet das Endprodukt doch die diversen Verarbeitungsstufen vom Rohmaterial bis hin zur veredelten Oberfläche oder dem Möbelstück ab. Anschließend konkretisierten die Planer in gemeinsamen Workshops mit den Bauherren das Projekt. Die Ziegler Group hatte bereits ein Raumprogramm, abgestimmt auf die Zahl der Mitarbeiter und die jeweiligen Abteilungen, im Sinn. Nun stellte man sich die Frage, was hier „wachsen“ soll und wie sich das Unternehmen am besten abbilden lässt. „Die verarbeiteten Produkte sollten Anwendung finden und ‚begehbar ausgestellt‘ sein. Das Ziel und gleichzeitig die Herausforderung war es, den Baustoff Holz konsequent weiterzuentwickeln und zeitgemäße Antworten für seine Verwendung zu finden – freilich ohne dabei kitschig zu werden“, erläutert Gräbner.

Anekdoten, so weit das Auge reicht

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© Ziegler Group

Den Rahmen bildet eine Fassade aus knapp 200 bis zu 19 m hohen Rundhölzern, denen die neue Zentrale auch den Namen „Hohes Holz“ zu verdanken hat. Sie wurden von der Ziegler Group selbst geliefert, händisch geschält und gebürstet und anschließend von Riedl Holzbau für die Montage vorbereitet und aufgestellt. Dahinter verstecken sich zwei in der Höhe versetzte Kuben – eine Hommage an den Einschnitt in einen Baumstamm nach dem Fällen –, dazwischen liegen zwei Innenhöfe. „Bis auf die Fluchttreppenhäuser, WC- und Aufzugsanlagen handelt es sich um einen reinen Holzbau mit Brettschichtholz-Trägern und -Stützen sowie Brettsperrholz-Wänden und -Decken“, so Gräbner. Die Stiegenhäuser wurden aus Stahlbeton gefertigt, doch auch hier wollte man nicht auf Holz verzichten. So ist die Stiege selbst komplett aus Massivholz gefertigt und in der Schalung der Treppenhäuser wurden sägeraue Bretter eingelegt, die der Betonoberfläche eine Holzmaserung verliehen haben. Der Haupteingang befindet sich im Süden, über den ersten Innenhof mit einem Wasserspiel aus regionalem Granit, einem steinernen Abbild übereinandergestapelter Holzlatten, gelangt man durch eine Drehtür – wiederum eine Anspielung auf den Baumstamm – ins Gebäude. Dort erblickt man auch gleich eines der größten Highlights im Hohen Holz.

Holz in allen Formen

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Die maßgefertigte Spindeltreppe ist das einzige Element im Gebäude, das nicht aus unmittelbarer Nähe des Bauplatzes stammt. © mju-fotografie

Mittig im Foyer ist eine repräsentative Spindeltreppe situiert, deren Mittelspindel über alle Geschosse hinweg konisch zuläuft – wie ein Baum. Sie bildet die zentrale Erschließung und lädt dazu ein, den Lift stehenzulassen. Vom Erd- bis zum zweiten Obergeschoss sind auf der Ost- und Westseite die Büros für rund 120 Mitarbeiter verortet, an der Nord- und Südseite befinden sich Besprechungsräume. Im dritten Obergeschoss sind ein Mitarbeiterrestaurant, von dem man in den zweiten Innenhof mit Baumpflanzungen und einem Waldboden hinabschauen kann, und eine Cafeteria sowie weitere Besprechungsräume gelegen. Auch hier findet man abgesehen von den überall sichtbaren Holzoberflächen zahlreiche Anspielungen auf den holzverarbeitenden Charakter der Bauherren. So zum Beispiel die Deckenleuchte im Besprechungsraum der Geschäftsführung, in deren Hintergrund sich das Sägewerk erstreckt. Sie besteht aus abgehängten Leuchten, die zwischen Holzlatten unterschiedlicher Länge hervorstrahlen. Ihre spielerische Unordnung bildet einen starken Kontrast zur Theke ein Geschoss tiefer, die aus strikt übereinandergestapelten Kanthölzern besteht. Ein ganz besonderer Ort im Hohen Holz scheint überdies die Loggia – ebenfalls mit Blick auf die angrenzende Produktion – zu sein: „Von dort aus sieht man die Entwicklung vom Rohstoff bis zum schlussendlichen Gebäude. Das stellt einen Bezug her, macht den Prozess erlebbar“, erklärt Andreas Sandner, Geschäftsführer der Ziegler Group. „Der tolle Ausblick erschwert es dem einen oder anderen Gast, mit voller Konzentration beim Gespräch zu bleiben“, berichtet er schmunzelnd. Ein weiteres interessantes Detail verrät Fabian Maier, der die Bauleitung für Holzbau Riedl innehatte: „Die Bürozwischenwände sind Schallschutzwände. Sie wurden als Holzrahmenwände entkoppelt, mit Fermacell beplankt und anschließend mit Dreischichtplatten verkleidet.“

Bauherr setzt auf Regionalität

Nicht nur Architekturbüro und Bauherr liegen örtlich wie philosophisch nahe beieinander. Auch Holzbau Riedl, die als Generalunternehmer auftraten, sind keine 20 km vom Bauplatz entfernt in Waldthurn angesiedelt. Die Tischlerei, die sich wie Gräbner es auf den Punkt bringt „mit ihren Möbeln ausgezeichnet hat“, stammt ebenfalls aus einem Nachbarort von Plößberg. Gleich nach der Genehmigungsplanung hat das Büro Brückner & Brückner den Kontakt zur Zimmerei Riedl gesucht: „Wir wollten einen Partner mit Fachkenntnis, der das Projekt sofort mit begleitet“, so Gräbner. Holzbau Riedl übernahm dann die Detail- und Ausführungsplanung: „Das Team war top. Für uns war das eine Art Pilotprojekt, da wir als ausführender Generalunternehmer und gleichzeitig Detailplaner, zum Beispiel bei den Fassadenanschlüssen, auftraten“, erzählt Maier. Generell wird die hervorragende Zusammenarbeit von den Behörden über die Fachplaner bis hin zu den Ausführenden von allen Beteiligten in hohen Tönen gelobt. So schaffte man es auch in einer gemeinsamen Anstrengung, die Gebäudeklasse 4 zu erreichen. „Wir hatten keine großen Probleme – weder bei der Planung noch bei der Ausführung. Dafür kann man sich bei allen Akteuren für den gemeinsamen Einsatz bedanken“, befindet Gräbner.

Ein Anker für den neuen Campus

„Vonseiten der Architekten war sehr schnell ein Verständnis dafür da, wohin wir uns als Holz ver- und -bearbeitendes Unternehmen entwickeln wollen“, würdigt auch Sandner die Zusammenarbeit. „Man merkt bei den Mitarbeitern, aber auch Besuchern, dass die Botschaft der Wichtigkeit des Holzes für uns ankommt. Es ist eine tolle Identifikation, jeder fühlt sich wohl – das hat uns als Unternehmen nochmal einen Schub gegeben“, fügt er hinzu. Einen Schub hat die Ziegler Group tatsächlich erhalten. Obwohl man in der damaligen Konzeption bereits ein großzügiges Wachstum miteinberechnet hatte, war beim Einzug das Pensum an verfügbaren Räumlichkeiten bereits erreicht. Nun fungiert das Hohe Holz als Ausgangspunkt für den „Ziegler Campus“. Dieser wird aus einzelnen zweigeschossigen Büromodulen für die jeweiligen Abteilungen bestehen, die locker gruppiert im Wald um das Sägewerk aufgestellt werden.

Projektdaten

Standort: Plößberg, DE
Baubeginn: 2018
Fertigstellung: 2020
Bauherr: Ziegler Holzindustrie GmbH & Co. KG
Architektur: Brückner & Brückner Architekten Stadtplaner
Tragwerksplaner: Ingenieurbüro Bodensteiner & Partner GbR
Generalunternehmer inkl. Holzbau: Riedl Holzbau
Holzmenge: ca. 4700 m³
Bruttogeschossfläche: 3660 m²