Ein Opernhaus aus Holz?

Ein Artikel von Birgit Gruber | 11.01.2022 - 08:10
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Architekt Roman Delugan © Paul Kranzler

Ihr Büro baut bald 30 Jahre weltweit riesige Kulturbauten, Museen, Wohnprojekte, Einkaufszentren oder Bürogebäude – woher kommt dieses vielseitige Spektrum?

Es war uns immer schon ein Anliegen, Diversität zu praktizieren, uns also nicht nur auf einen Bereich der Architektur zu spezialisieren, sondern vielschichtig zu agieren. Diese Bandbreite hat dabei geholfen, uns ständig weiterzuentwickeln und davor bewahrt, uns ständig zu wiederholen.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration? Spielt die Natur eine Rolle?

Momentbilder aus gelebten Erfahrungen. Alltägliche Ereignisse und Eindrücke von bestehenden Räumen, deren Bedeutung und Relevanz ständig hinterfragt und neu interpretiert werden. Aus dem Kontext erarbeiten wir uns den Inhalt. Die Natur als Inspirationsquelle hat es bei uns immer schon gegeben. Anstatt sie zu imitieren, ist sie integraler Bestandteil unserer Architektur.

Was war Ihr bislang erfolgreichstes Projekt und wo reiht sich der Taiyuan Botanical Garden ein? Was unterscheidet dieses Projekt von anderen?

Um diese Frage zu beantworten, müsste man hinterfragen, was ein erfolgreiches Projekt auszeichnet und für wen dieses Prädikat gilt. Was die öffentliche Wirksamkeit angeht, sicherlich das Porsche Museum in Stuttgart, das Filmmuseum in Amsterdam oder die Casa Invisibile in Slowenien. Was das Thema der Nachhaltigkeit und den damit verbundenen bürointernen Lerneffekt betrifft, ist der Taiyuan Botanical Garden ein sehr wichtiges Projekt für uns.

Welcher Baustoff liegt Ihnen und womit würden Sie gerne mehr bauen?

Grundsätzlich gibt es nur Präferenzen, was die Nachhaltigkeit der eingesetzten Materialien betrifft, also Materialien, die sich nach Ablauf des ersten Lebenszyklus‘ einer Wiederverwendung zuführen lassen und damit im Kreislauf bleiben. Die Auswahl erfolgt nach projektspezifischen Kriterien und steht damit in engem Zusammenhang mit der konkreten Bauaufgabe.

Wie stehen DMAA-Architekten zum Baustoff Holz?

Die Verwendung des Baustoffs Holz stand bei nahezu jeder Bauaufgabe, ob im Wohnbau, Bürobau, kulturellen Einrichtungen etc. zur Diskussion. Wir haben sogar den Entwurf eines Opernhauses aus Holz in der Schublade. Ich denke, dass die breiter werdende Bereitschaft, Holz auch für städtische Bauaufgaben zu verwenden, automatisch zur Steigerung seiner Bedeutung führen wird.

Sie planen in China Panda-Häuser, Teepavillons und botanische Gärten. Hierzulande ist ihr Büro eher für „spacige“, eckige und urbane Gebäudeskulpturen bekannt. Wie kam es zu diesem eher grünen Schwerpunkt in China?

Der Nachholbedarf an ökologischer Architektur ist in China immens groß. Der Stellenwert urbaner Grünräume im Allgemeinen oder jener von botanischen Gärten im Speziellen ist dort ein anderer als in Europa. Derartige Anlagen sind Orte der Kommunikation, des Lernens und kollektiven Erlebens. Der Eindruck eines grünen Schwerpunkts mag daran liegen, dass unsere Projekte in China eigentlich immer in den Kontext großer Landschaftsparks eingebunden sind. Das Thema der Landschaft zieht sich aber wie ein roter Faden durch unser Werk und lässt sich nicht ausschließlich auf den Aspekt der Natur reduzieren. Für uns sind gebaute Räume ein Spiegel der Umgebung, die mit der Architektur eine organische Verbindung eingeht.

Sie haben einen engen Bezug zu China. Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen bezüglich des Bauens mit Holz in China?

Bauen mit Holz ist sicherlich in allen Ländern der Welt ein sehr aktuelles Thema. Jedoch muss man sich immer fragen, inwieweit die entsprechenden Ressourcen überhaupt vorhanden sind und ob ein bedarfsorientiertes Nachwachsen sichergestellt ist. China hat, im Gegensatz zu seinen historischen Wurzeln im Bereich der Holzarchitektur, die forstwirtschaftliche Kultivierung und Gewinnung von Bauholz in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt. Unsere Entscheidung, Holz als primären Baustoff für den Taiyuan Botanical Garden zu verwenden, wäre ohne die Unterstützung der heimischen Holzwirtschaft nicht möglich gewesen.

Was bedeuten Architekturwettbewerbe für Sie und wie ist Ihr Büro zu diesem Projekt gekommen?

Wettbewerbe sind unser tägliches Brot. Nahezu alle von uns realisierten Projekte sind das Ergebnis gewonnener Wettbewerbe. Nach mittlerweile 25 Jahren erhalten wir auch den einen oder anderen Direktauftrag. Der botanische Garten in Taiyuan war ein solcher, wobei ich dazu sagen darf, dass ich seit nunmehr 15 Jahren in regelmäßigen Abständen nach China reise und dort ein großes Netzwerk aufbauen konnte. Unsere Bauherren schätzen den persönlichen Bezug und das damit verbundene Vertrauen, was uns dabei hilft, die Projekte weitgehend nach unseren Vorstellungen umzusetzen.

Was war ausschlaggebend für die frühzeitige Entscheidung, in Holz zu bauen?

Diesbezügliche Vorgaben hat es keine gegeben. Wir wollten es mit Holz versuchen, auch wenn es in dieser Dimension keinen historischen Vorläufer und damit verbundene Erfahrungswerte gegeben hat. Man denke etwa an die Frage, ob die anhaltend hohe Luftfeuchtigkeit im Inneren der Kuppeln ein Problem für die Haltbarkeit darstellt. Nachdem diese und andere technische Fragen geklärt waren, haben wir uns auf die gestalterischen Aspekte der Aufgabe konzentriert, für die wir Anleihen bei der historischen chinesischen Holzarchitektur genommen und – wie ich meine – auf sehr zeitgemäße Art interpretiert haben.

Woraus setzt sich das architektonische Konzept zusammen und woran orientiert es sich?

Das Leitmotiv des gesamten Entwurfs ist die Schnittstelle zwischen Architektur und Landschaft, die wir facettenreich inszeniert und zu einem Spiel der fließenden Übergänge gemacht haben. Hauptdarstellerin ist die Natur, die neben den Gewächshäusern vor allem den großen Landschaftspark prägt, der als städtischer Naherholungsraum eine ganz besondere kommunikative Funktion übernimmt. Die weitreichende Verwendung des Baustoffs Holz hat neben den bereits erwähnten bauhistorischen Anknüpfungspunkten auch einen hohen Grad an Vorfabrikation und höhere Ausführungsqualitäten möglich gemacht. Besonders wichtig war uns die Minimierung des ökologischen Fußabdrucks der drei Gewächshäuser, was zu einer besonderen Symbiose von Architektur, Klimadesign und Tragwerkplanung geführt hat. Die Konstruktion von Dome-Gitterschalen mit Spannweiten von 40, 60 und 90 m zählt zu den größten der Welt und stellt daher eine Innovation im konstruktiven Holzbau dar.

Gab es wesentliche Parameter für die Planung?

In diesem Fall gab es nahezu keine Planungsvorgaben. Das Einzige, was uns vorgegeben wurde, waren die Funktionen wie Eingangsgebäude, Schaugewächshäuser, Bonsai Museum, Restaurant und ein Forschungszentrum, die aber allesamt 3 % der Gesamtfläche des Parks, also insgesamt 43.000 m², nicht übersteigen durften. Wichtig war den Auftraggebern darüber hinaus die Qualität des öffentlichen Grünraums und dessen fußläufige Erlebbarkeit. Derartige Anlagen haben in China eine große pädagogische Bedeutung.

Was waren Vorbilder für die Holzgitterschalen?

 Die Multihalle von Frei Otto.

Wie funktionierten die Bauarbeiten vor Ort in Zeiten einer weltweiten Pandemie? Waren Sie dort?

Vor der Pandemie war es natürlich obligatorisch, vor Ort zu sein, um das Vertrauen der Bauherrschaft zu gewinnen und den Fortschritt zu beobachten. Aufgrund der Pandemie und der damit verbundenen Quarantänevorschriften bin ich seit Ende 2020 leider nicht mehr in China gewesen. Da persönliche Präsenz dort aber besonders wichtig ist, spüren wir diesen Umstand auch was die Auftragslage betrifft. Die Überwachung des Baufortschritts übernimmt unser Partner, der Landschaftsarchitekt Yiju Ding.

Wenn Sie einen Wunsch an heimische politische Entscheidungsträger bezüglich des Holzbaus hätten, wie würde dieser lauten?

Hierbei geht es nicht allein um den Holzbau. Es geht um das Erreichen der Klimaziele, für die Politiker aus meiner Sicht mehr Verantwortung tragen müssen. Wir haben uns in diesem Zusammenhang mit dem Thema der Energiewende beschäftigt (dmaa.at/features/energy-transition), die wir nicht ausschließlich den Technokraten überlassen dürfen. Darüber hinaus wäre wichtig, der Kostenwahrheit bei den Umweltschäden näherzukommen, die CO2-Bepreisung kann dabei nur ein Anfang sein.

Zur Person

Roman Delugan wurde 1963 in Meran geboren. Er studierte an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, wo er auch einige Jahre unterrichtete. 1993 gründete er gemeinsam mit Elke Delugan Meissl die Delugan Meissl ZT GmbH, die 2004 zum Büro Delugan Meissl Associated Architects (DMAA) erweitert wurde. Weitere Partner des Büros sind heute die langjährigen Mitarbeiter Dietmar Feistel und Martin Josst. Roman Delugan hat mit seiner Architektur zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter 2006 den Wiener Architekturpreis und 2015 den Großen Österreichischen Staatspreis. DMAA hat unter anderem das Porsche Museum in Stuttgart, das Filmmuseum in Amsterdam und das Festspielhaus in Erl in Tirol entworfen.