Architekten zerstören die Landschaft

Ein Artikel von Raphael Zeman | 10.06.2022 - 12:05

Natürlich …

gelten Einfamilienhäuser in mehrerlei Hinsicht als hochproblematisch. Die Landschaft wird zersiedelt und die Folgen davon sind horrende Grundstücks- und Erschließungskosten sowie stark zunehmender Individualverkehr. Dabei ist das Einfamilienhaus laut einer Umfrage aus dem Jahr 2020 für über 60 % der Menschen in Österreich die bevorzugte Wohnform. Pro Stunde (!) werden 1,74 neue Gebäude mit nur ein bis zwei Wohnungen fertiggestellt. Fast zwei Drittel aller Gebäude in diesem Land sind Einfamilienhäuser. Diese Fakten werden in der sehenswerten Ausstellung „Boden für alle“ des AzW sehr eindrücklich präsentiert. Für das Einfamilienhaus sprechen viel Platz, Abstand, Selbstbestimmung, eigenes Grün, Nachbarschaft. Dagegen sprechen (etwas pointiert formuliert) Menschen, die keines besitzen. Neue Einfamilienhäuser sollten jedoch aus einer Vielzahl von ökologischen und ökonomischen Gründen eigentlich gar nicht mehr entstehen.

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Stefan Lasinger, Architekt Lasinger ZT-GmbH

Aber …

verhindern kann man diesen (durchaus legitimen) Wunsch nach dem Einfamilienhaus nicht. Gesichtslose Geschosswohnbauten ohne jegliche architektonische Ambition wecken zu Recht die Sehnsucht nach dem Haus im Grünen. Man kann und muss deshalb diese kleine Bauaufgabe nachhaltig, ressourcenschonend und landschaftsverträglich ausführen. Die gebaute Umgebung ist zu wertvoll, als dass man sie skrupel- oder gedankenlosen Investoren überlassen kann. Unter Umständen ist der Umbau oder das Ersetzen eines Bestandsgebäudes der bessere Weg als das „Bauen auf der grünen Wiese“. Auch die Materialisierung hat eine Änderung erfahren. Nach Jahrzehnten des Massivbaus findet die Holzbauweise mehr und mehr Anhänger. Das Einfamilienhaus war und ist ein Experimentierfeld, bei dem Innovationen und neue Lösungen im Maßstab 1:1 ausprobiert werden können. Diese Erfahrungen fließen unter anderem in den großvolumigen Holzbau ein, der sich ohne diese Testmöglichkeiten nicht so hätte entwickeln können. Es bleibt jedoch immer eine verantwortungsvolle Einzelfallentscheidung, ob die Errichtung eines Einfamilienhauses vertretbar ist. Je besser die Bauaufgabe gelöst ist, desto besser ist es für die Gesellschaft.

Und …

um auf den etwas reißerischen Titel dieses Textes zurückzukommen, sei noch ein Zitat des vor einiger Zeit verstorbenen großen Tessiner Architekten Luigi Snozzi angefügt: „Jeder Eingriff bedingt eine Zerstörung, zerstöre mit Verstand.“