Basislager im Holzskelett

Ein Artikel von Birgit Gruber | 30.09.2022 - 12:31
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Der Empfangsbereich von ASI-Reisen in Innsbruck. © Christian Flatscher

ASI-Reisen ist ein traditionsreiches Familienunternehmen, das sich auf weltweite Aktiv- und Erlebnisreisen spezialisiert hat. Die 1963 von Hannes Gasser gegründete „Alpinschule Innsbruck“ war ein Pioniervorhaben auf dem Gebiet der alpinen Ausbildungen und wuchs nach der Übernahme 2011 durch Ambros Gasser zum progressiven Unternehmen mit heute 60 Mitarbeitern an. In zwei Bauabschnitten entstanden in den 1980er und 1990er Jahren in einer waldreichen Umgebung in Natters zwei Betriebsgebäude aus der Feder von Architekt Peter Lorenz. Eines davon musste 2018 aus Platzgründen einem Neubau weichen. Gasser wünschte sich dafür ein nachhaltiges Gebäude, das die Firmenphilosophie widerspiegelt und atmosphärische Arbeitsplätze schafft. Mit seiner Innovationskraft, gepaart mit Weitblick, schuf er gemeinsam mit Snøhetta einen attraktiven Arbeitsplatz in den Alpen, der seinesgleichen sucht.

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In Teamarbeit entwickelte ASI-Reisen mit den Architekten von Snøhetta ein neues „Basislager“, das bis ins letzte Detail die Menschen wertschätzt, für die es da ist und auf den Ort antwortet, an dem es steht. © Christian Flatscher

Work-Life-Balance plus Shiatsu-Therapie

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Ambros Gasser, ASI-Geschäftsführer © Anna Fichtner

Drei Hauptpunkte – Unternehmensphilosophie, Mitarbeiterwertschätzung und Standort – waren für die Architektursprache ausschlaggebend. Gasser erläuterte diese im Interview: „ASI-Reisen hat sich beim Thema Nachhaltigkeit stark positioniert. So haben wir zum Beispiel unseren ökologischen Fußabdruck reduziert und bieten keine Inlandsflüge mehr an. Bei Reisen in den Alpen setzen wir auf Fahrgemeinschaften und vermeiden Plastik. Wir haben auch eine Spendenplattform eingerichtet, mit der Reisende Projekte oder lokale Communities, die sie im Ausland entdeckt haben, unterstützen können.” Zudem herrsche im Unternehmen eine sehr flache Hierarchie. „Mitarbeiter können einen Monat lang von einem anderen Ort aus arbeiten, in der Mittagspause Laufen gehen oder sich von einer eigenen Shiatsu-Therapeutin behandeln lassen. Eine Work-Life-Balance ist mir sehr wichtig.“ Der Charme der Tiroler Bergwelt tut das seine dazu. Den spüre man dort oben ganz besonders: „Wir befinden uns mitten im Wald und oft sieht man Rehe vorbeispringen, wenn man aus dem Fenster schaut.“

Unser neuer Firmensitz ermöglicht Leistungsfähigkeit auf ethisch korrekte Art und Weise, kombiniert mit einer vernünftigen Work-Life-Balance. Holz spielt dabei als Hochleistungsbaustoff eine entscheidende Rolle.


Ambros Gasser, ASI-Geschäftsführer

Entwurfskonzept unter Mitarbeitereinbindung

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Patrick Lüth, Snøhetta-Innsbruck-Geschäftsführer © Snøhetta

Snøhetta-Innsbruck-Geschäftsführer Patrick Lüth reagierte auf die offene Unternehmensphilosophie mit einem gemeinsamen Workshop als Basis für die architektonische Arbeit. Es war der Start des Entwurfsprozesses. Daran teilnahmen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen, so auch Innen- und Landschaftsarchitekten. Ein ganzer Tag also, um „unter die Haut zu gehen“, wie Lüth es gut beschreibt: „Der moderierte Workshop gestaltete sich recht spielerisch. In Bezug auf den neuen Hauptsitz von ASI-Reisen fanden wir schnell das Wort Symbiose. Sie definiert das Zusammenschmelzen von Bauwerk,Menschen und umgebender Natur.“ Dass das Gebäude in Holzbauweise errichtet werden soll, stand von Anfang an fest und habe sich laut Lüth durch diesen Begriff manifestiert. Der Holzbau passe auch inhaltlich ausgezeichnet zu den ASI-Werten. „Ich war schon immer ein großer Snøhetta-Fan“, gibt Gasser zu. Das weltweit tätige Planungsbüro mit Sitz in Oslo und Zweigstelle in Innsbruck vereint zeitgemäße und außergewöhnliche Holzbauarchitektur und setzt sich stark mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. „Die Unternehmenskultur ist unserer in vielen Bereichen sehr ähnlich“, freut sich Gasser. Auf die Frage, wie das Gebäude dann schlussendlich heißen soll, sei die Bezeichnung „ASI-Nest“ aus dem Kreis seiner Mitarbeiter entstanden. „Ein Nest, das Geborgenheit bietet und sich mit seiner grünen Fassade zwischen den Bäumen versteckt“, erklärt der Geschäftsführer.

Wir haben sehr stark für diese offene Struktur plädiert, die bei Kreativschmieden einfach üblich ist.


Patrick Lüth, Snøhetta-Innsbruck- Geschäftsführer
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Seitenanischt des Gebäudes © Snøhetta

Zwillingsträger mit Schraubverbindungen

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Christoph Kranebitter, Huter & Söhne-Bauleiter Holzbau © Huter & Söhne

Ausgeführt von Huter & Söhne aus Innsbruck, wurde der viergeschossige Bau als Holzskelettbau mit aussteifenden Holzwänden und Decken aus Brettsperrholz umgesetzt, um den Materialverbrauch zu optimieren. Der Keller und der aussteifende Gebäudekern sind aus Stahlbeton. Die Holzträger stehen dabei nicht parallel zueinander, sondern bilden die Form einer Raute, was dem Innenraum eine tolle Perspektive verleiht. Diese Besonderheit fällt auf den ersten Blick gar nicht auf und ergibt sich aus der Form des Grundstückes. „Wir haben diesen an der Stirnseite schrägen Anschnitt vom Bestandsgebäude übernommen“, weiß Lüth. „Alle Teile des Holzrohbaus wurden nach Plan-Maß produziert und auf den, von unserem Baumeister gefertigten, Betonbau gesetzt. Die komplexe Bauart des Holzskeletts (Zwillingsträger mit Schraubverbindung) hat uns in der Werksplanung vor Schwierigkeiten gestellt. Hätten wir es vor Ort zusammengeschraubt, wäre das zeitliche Ziel für den Holzrohbau nicht zu schaffen gewesen. Deshalb haben wir das gesamte Holzskelett mithilfe des Statikers geschossweise zerlegt, um in unserem Werk Holzrahmen vorfertigen zu können. Der vorgefertigte Holzrohbau konnte auf diesem Weg in nur drei Wochen realisiert werden“, erläutert Huter & Söhne-Bauleiter Holzbau Christoph Kranebitter. Holz kam auch für die Außenfassade, die Pfosten-Riegel-Fassade, die Fenster und Türen, Böden und Akustikpaneele zum Einsatz. „In vielen Arbeitsstunden, egal ob Holzrohbau, Holzfassade oder Holzinnenverkleidung, fertigten unsere Zimmerer das Gesamtkunstwerk in höchster Präzision“, ist Kranebitter stolz. Für Lüth verlief die Zusammenarbeit reibungslos. Er habesehr offene Gespräche mit dem Holzbauprojektteam geführt, dieses habe sich innovativ gezeigt und alle Lösungen mitgetragen. „Es wurde effektiv und lösungsorientiert in einer freundlichen Atmosphäre miteinander gearbeitet“, ergänzt Kranebitter.

Bei der Holzfassade wurde eine traditionelle japanische Methode zur Holzkonservierung angewendet – sogenanntes Yakisugi – bei dem die Holzoberfläche leicht angebrannt und so karbonisiert wird. Durch die Verdichtung der Holzzellen ist das Material vor Schimmelpilzen, Verwitterung, Fäulnis und Wasser geschützt. Durch die ökologische Bauweise konnte gegenüber einem konventionellen Massivbau etwa die Hälfte an CO2 eingespart werden.

In vielen Arbeitsstunden, egal ob Holzrohbau, Holzfassade oder Holzinnenverkleidung, fertigten unsere Zimmerer das Gesamtkunstwerk in höchster Präzision.


Christoph Kranebitter, Huter & Söhne-Bauleiter Holzbau

Flexibles offenes Raumkonzept

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Die schwarzen Regale dienen als Raumtrenner und definieren die einzelnen Bereiche des ASI-Nestes. © Christian Flatscher

Innen schaffen Galerieräume einen großen, offenen und flexiblen Büroraum über mehrere Etagen, der individuelle Arbeitsplätze genauso umfasst wie einen Empfangsbereich, Besprechungsnischen und -räume, einen Ruheraum, eine Cafeteria, Duschen und Umkleiden. Trotz des offenen Grundrisses entspricht die Innenraumgestaltung nicht einem klassischen Großraumbüro. Bei den Mitarbeitern von ASI-Reisen gab es diesbezüglich Bedenken. „Wir haben sehr stark für diese offene Struktur plädiert, die bei Kreativschmieden einfach üblich ist“, erzählt Lüth. Gasser habe sich schlussendlich darauf eingelassen. Auf Rücksicht untereinander wird natürlich viel Wert gelegt. „Jeder Mitarbeiter hat bei uns den gleichen Arbeitsplatz mit höhenverstellbaren Tischen und ohne Möbel. In einer schwarzen Stahlkonstruktion stehen Holzboxen, die für Büroutensilien verwendet werden. Ein- bis zwei Mal pro Jahr wechseln wir unsere Sitzplätze und siedeln mit unserer Box um. So bleiben wir in Bewegung, nehmen das Gebäude von unterschiedlichen Perspektiven aus wahr. Der Wechsel fördert die Kommunikation und das Teamwork“, erklärt Gasser den Arbeitsalltag.

Vielseitiges Akustikkonzept

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© Die großzügige und einladende Eingangshalle – das sogenannte „Base Camp“ – mit ihrer großen Treppe ist ein schöner Raum mit doppelter Höhe, in dem Besuchern die Geschichte des Unternehmens auf großen Wandpaneelen präsentiert wird.

In die Akustik wurde viel Geld investiert. Die Lignotrend-Akustikpaneele (Ligno Akustik light 3s-33 A70G WTL) an den Decken absorbieren, neben weichen Materialien wie Filz und langen Vorhängen aus dickem Stoff an den Fenstern, den Schall. Eine schwarze Wand an der Ostseite des Innenraumes ist ebenfalls akustisch wirksam. „Durch die eingeschobenen Besprechungsräume entlang der Fassade, die für vertrauliche Gespräche gebucht werden können, teilt sich der offene Arbeitsbereich in Zonen ein, die ebenfalls förderlich für eine gute Resonanz sind“, weiß Lüth.

Natürliche Belüftung und grüne Fassade

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Wenn die Mitarbeiter die Balkone für eine kurze Auszeit nutzen, können sie sich ganz im Sinne der Biophilie an unterschiedlichen Blattformen und Blüten erfreuen. © Christian Flatscher

Bei der Gebäudetechnik gibt es kein überflüssiges Hightech, dafür intelligente CO2-Sensoren, welche die Luftqualität messen und bei Bedarf die mechanischen Fensteröffner ansteuern. Snøhetta wurde dabei von den 2226-Projekten von Baumschlager Eberle Architekten aus St. Gallen in der Schweiz inspiriert. „Ein 2226 Gebäude kommt ohne Heizung, Lüftung und Kühlung aus”, erklärt Lüth das Konzept – messbar in der weltweit akzeptierten Wohlfühltemperatur von 22 bis 26 Grad Celsius. „Geheizt wird durch die Abwärme der anwesenden Menschen, der technischen Geräte und der Beleuchtung. Sensorisch gesteuerte Lüftungsflügel regulieren die Temperatur und den CO2-Anteil und sorgen so für ein immer angenehmes Klima.“ Mit Simulationen haben die Haustechnikplaner von Alpsolar bewiesen, dass 2226 auch beim ASI-Gebäude funktioniert. Die Lüftungsklappen an allen vier Fassadenseiten werden zu unterschiedlichen Zeiten automatisch angesteuert, auch nachts zum Herunterkühlen des Bauwerks. Eine reversible Luft-Wasser-Wärmepumpenanlage heizt und kühlt das Gebäude über den Fußboden und den Treppenhauskern (Betonkernaktivierung) zusätzlich. Am Dach wird eine Photovoltaikanlage als Überschussanlage betrieben. „Die West- und Nordseite des Gebäudes ragen so nah an den dichten Mischwald heran, dass die Bäume beinahe selbst zur Gebäudehülle werden. Dieses Bild haben wir aufgegriffen und zu einem grünen Pflanzenvorhang verdichtet, der den Bau immer mehr in der umgebenden Natur verschwinden lassen wird“, weiß Lüth. 18 verschiedene Arten sommer- und immergrüner Kletterpflanzen ranken sich an einem Stahlseilnetz über zwei Geschosse nach oben und dienen im Sommer als natürliche Beschattung. „Unser Landschaftsarchitekt hat sich die Blühzyklen der Pflanzen angeschaut, um eine große Farbenvielfalt sicherzustellen“, so Lüth. Bewässert wird mit Regenwasser aus der Zisterne im Keller.

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Besprechungsnischen und -räume sind im Raumprogramm des Bürobaus enthalten. © Christian Flatscher

Resümee nach fast drei Jahren Betrieb

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© Christian Flatscher

Das ASI-Nest wurde im September 2019 an seine neuen Bewohner übergeben. Alle zwei Wochen wird seither mittels Online-Tool die Stimmung unter den Mitarbeitern gemessen. „Seit wir in das neue Gebäude eingezogen sind, ist die Zufriedenheit deutlich gestiegen“, freut sich Gasser. Das, obwohl die Angst vor einem Büro ohne abgetrennte Räume groß gewesen sei. Die Holzumgebung wirke sich zudem positiv auf das Befinden der Menschen aus, die allesamt naturverbunden sind und gerne mit dem Rad in die Arbeit fahren oder selbst an Abenteuerreisen teilnehmen. Nach fast drei Jahren Betrieb konnte ein Monitoring feststellen, dass die Luftqualität und die Temperaturen im Inneren des Gebäudes stimmen.

„Für ein tolles Team, das gute Leistungen abliefert, braucht es eben geeignete Rahmenbedingungen. Unser neuer Firmensitz ermöglicht Leistungsfähigkeit auf ethisch korrekte Art und Weise, kombiniert mit einer vernünftigen Work-Life-Balance. Holz spielt dabei als Hochleistungsbaustoff eine entscheidende Rolle“, zeigt sich Gasser zufrieden.

Projektdaten

Standort: Natters
Fertigstellung: 2019
Bauherr: ASI Reisen – Alpinschule Innsbruck
Architektur: Snøhetta Studio Innsbruck
Holzbau, Hochbau, Türbau: Huter & Söhne
Tragwerksplanung: tragwerkspartner zt (Conrad Brinkmeier, Thomas Badergruber)
Bauphysik: Fiby ZT
Brandschutzplanung: IHW – Ingenieurbüro Huber
Nutzfläche: 1389 m²
Bebaute Fläche: 347 m²
Holzarten: Fichte (BSP Decken und Wände, BSH Träger und Stützen), Lärche (Fassade), Weißtanne (Akustikelemente)
Verbaute Holzmenge: 70 m3 BSH, 280 m3 BSP, 630 m² Holzfassade, 560 m² Holzuntersichten, 210 m² Holzverkleidung
Systemlieferanten: Binderholz, Mocopinus, Lignotrend, Hartl-Holz