Der ewige Kreis

Ein Artikel von Teresa König | 19.09.2022 - 13:40
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Architektin Teresa König, kontur © Antje Wolm

Der ewige Kreis umschreibt für mich sinnbildlich die Definition von zirkulärem Bauen und Kreislaufwirtschaft. Auch wenn es nur ein Bild im Kopf ist, so ist es in allen Lebenslagen zu verfolgen und als Credo für unsere Hinterlassenschaften anzusehen. Wir Planer / wir Handwerker / wir Nutzer greifen aktiv in die Umgebung ein und gestalten sie neu. So muss es unser oberstes Ziel sein, diese so nachhaltig, so langlebig, so rückbaubar als möglich zu gestalten.

Jeder von uns kennt im Kleinen Beispiele für Recycling und Re-Use aus dem Alltag. Natürlich nutzen wir das Papiersackerl, wenn schon nicht zum Einkaufen, dann zumindest als Müllbeutel wieder und die Loawendt (Holzfassade) eines alten Stadels mit ihren verwitterten, sonnenverbrannten Brettern wird nach dem Abbruch immer häufiger zum Rezeptionspult eines Nobelhotels. Ich denke an den Holzboden im Haus meines Großvaters. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, aber ich gehe davon aus, dass er schon während seiner ersten Nutzungsphase als Boden immer wieder abgeschliffen und erneuert wurde. Teile des Bodens landeten nach dem Abbruch des Hauses in meinem Kinderzimmer, wo er die Grundlage für eine Stepptanzkarriere bilden sollte, so die ehrgeizigen Ambitionen einer damals Zehnjährigen. Als die Stepptanzschuhe längst an den Nagel gehängt waren, wurde der Boden zu Bauklötzen für meine Nichten und Neffen weiterverarbeitet. Schließlich wurden auch die Bauklötze nicht mehr gebraucht und das ehemalige Fußbodenholz landete im Kachelofen und spendete uns Wärme. So lässt sich der sperrige Begriff der kaskadischen Holznutzung an einem einfachen Praxisbeispiel erklären. Hätte mein Großvater statt Vollholz einen PVC-Boden eingebaut, wäre er wohl schon nach wenigen Jahren ersetzt worden und auf der Deponie gelandet.

Als Planerin fühle ich mich verpflichtet, diese alltäglichen Beispiele in den großen Maßstab zu transferieren. Dass wir den Gebäudebestand als wertvolle Ressource ansehen und Neubauten so errichten, dass sie künftigen Generationen nicht zur Last fallen, sollte eigentlich genauso Standard sein wie sorgsam mit der Ressource Boden umzugehen. Der Einsatz von sortenreinen und weitestgehend unbehandelten Naturmaterialien sowie trennbaren Aufbauten lässt sich nach unserer Erfahrung im Holzbau sehr gut umsetzen. Die Materialien und technischen Lösungen sind vorhanden. In der Entscheidung für ein Bausystem oder dagegen spielt der Rückbau oder die Verwertung am Ende der Lebensdauer allerdings noch kaum eine Rolle. Hier versagt der Markt als Regulativ, denn Kreislauffähigkeit, Nachhaltigkeit und Ökologie – also ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen – schlagen sich im Preis nicht nieder.

Und dennoch, wir müssen es uns zur Aufgabe machen, bei jedem Projekt, sei es noch so klein, immer zu überlegen: Was hinterlasse ich der nächsten Generation, was passiert am Ende der Lebensdauer? Unsere Aufgabe als Architekten ist es, diese Fragen in den Planungsprozess einzubringen und Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Bei der Errichtung von Gebäuden mit Lebensdauern von 50, 100 oder mehr Jahren treten wir als Bauschaffende auch in einen Dialog mit den zukünftigen Nutzern und Eigentümern. Wir entscheiden heute, ob wir ihnen eine Belastung oder eine wertvolle Rohstoffquelle hinterlassen.