Kühe weichen dem Wein

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 27.10.2022 - 08:19
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In Tieschen, Südoststeiermark, ersetzte ein Jungwinzer dieses alte Wirtschaftsgebäude durch einen zeitlos schönen Weinausschank. © Mascha Ritter

Nach dem Studium in Wien in seine Heimat Tieschen zurückgekehrt, etablierte sich Lukas Jahn unter dem Namen „Locknbauer“ im Weinbau. Namensgebend war der Vulgoname des von ihm gekauften leerstehenden Bauernhofes. Mascha Ritter absolvierte seinerzeit noch ihr Masterstudium in Architektur in Berlin. Zuvor hatte sie an den Universitäten von Stuttgart und Paris studiert und arbeitete in verschiedenen Architekturbüros, unter ihnen Cobe Copenhagen. 2021 schloss Ritter  ihr Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin ab. Die Begegnung mit Jahn erfolgte aber, wei erwähnt 2018, also schon zwei Jahre zuvor. Zu diesem Zeitpunkt begannen die beiden über den Umbau des alten Bauernhofes Locknbauer zu sinnieren. „Hätte man mich damals vor die Aufgabe gestellt, ein 600m2-Projekt zu planen, hätte ich wahrscheinlich abgelehnt“, sagt die heute 28-Jährige. Denn vorerst war nur die Rede von einem benötigten Verkostungsraum. „Mit der Zeit ist das Projekt immer komplexer und umfangreicher geworden“, beschreibt Ritter den Planungsprozess, der fast zwei Jahre gedauert hat. „Ich dachte, wenn ich das jetzt angehe, dann gleich g’scheit“, kommentiert Jahn die umfangreichen Umbaumaßnahmen. Er hatte den Hof 2017 gekauft. Konstant und unumstößlich blieb aber die Entscheidung pro Holzbau. „Gegen Paneelhallen, Plastik und Co. habe ich sowieso eine Allergie“, erzählt der Weinbauer. „Es sollten so viele natürliche Rohstoffe verbaut werden, wie möglich.“

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© Simon Oberhofer

Kuhstall wird Vinothek

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Das einseitig auskragende Vordach wurde mit Vorbild am Bestand rekonstruiert und schafft einen geschützten Außenbereich. © Simon Oberhofer

Von dem Ökologiegedanken sofort angesprochen fühlte sich Ritter. „Ich sehe uns Architekten oder Experten in der Verantwortung, nachhaltige Bauprodukte an den Mann zu bringen. Wir sind es, die alternative Möglichkeiten aufzeigen und die Leute mitnehmen müssen“, konstatiert die Planerin. „Das fängt im Kleinen an, wo es beispielsweise um die Entscheidung zwischen Plastik- oder Holzfenster geht. Auch hier können wir etwas bewegen.“ Im großen Maßstab bewegte Ritter nun etwas mit dem ersten ihrer geplanten und realisierten Holzbauten. Für die Hürden der Baugenehmigung wurde das Projekt von dem Architekten Stephan Piber aus Graz unterstützt, der sich auch im weiteren Prozess beratend beteiligte.

Es gilt nicht, das Rad neu zu erfinden. Oft müssten Architekten es annehmen, dass Dinge einfach nicht funktionieren.


Wolfgang Muhri, Muhri Holz
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Die Atmosphäre ist von dem ruhigen Ton der Weißtanne geprägt. © Simon Oberhofer

Dem Ökologiegedanken folgend, handelt es sich um keinen Neubau, sondern einen Ersatzneubau. Der Bestand setzte sich aus einem lang gestreckten Wirtschaftsgebäude, einem Wohnhaus und einem kleinen Schuppen zusammen. Das Langhofgebäude, in dem vormals unter anderem Kühe untergebracht waren, vereint nun Produktion, Vermarktung und Verkostung. Gegenüberliegend finden sich das Wohnhaus des Winzers, das lediglich saniert wurde, und ein Nebengebäude, in dem Heizhaus und Garage untergebracht sind. Letzteres ersetzte einen kleinen Schuppen. Und spätestens hier kommt Muhri Holz aus St. Stefan ob Stainz ins Spiel. Ein kleines Unternehmen mit insgesamt elf Leuten wurde dem Bauherrn und der Architektin als kompetent und zuverlässig empfohlen. Ausschreibung hat es keine gegeben. 1935 als Zimmerei gegründet, führte man das Unternehmen Muhri in nächster Generation als Säge- und Hobelwerk. 2003 folgte mit Sohn Wolfgang Muhri der erneute Wechsel und die Rückkehr zu den Wurzeln der Zimmerei. Die Säge blieb allerdings bestehen. „Das verschafft uns unglaublich viel Flexibilität“, versichert der Geschäftsführer.

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Architektin Mascha Ritter: „Ich sehe uns Architekten oder Experten in der Verantwortung, nachhaltige Bauprodukte an den Mann zu bringen.“   © Ritter

Muhri Holz ist aufgrund seiner Betriebsgröße vorzugsweise im Einfamilienhausbereich und bei Kleinprojekten tätig. „Am Ende hat sich das Bauvolumen fast verdoppelt. Alleine 830 m2 Dachfläche waren zu fertigen. Da hatten wir mit der Witterung schon zu kämpfen“, erzählt Muhri. „Von außen schaut der Bau relativ einfach aus. Die hohen Brettsperrholzwände, die Weißtannenvertäfelung im Galeriebereich oder die exakt auf die bestehenden Fensteröffnungen abgestimmte Fassade forderte uns dann schon heraus. Aber mit viel Vorarbeit konnten wir dem Zeitdruck standhalten.“ Zudem holte sich Muhri für das Tragwerk Verstärkung von Kulmer Bau aus Pischelsdorf. „Die Aufgabe hat unsere Betriebsgröße einfach überschritten. Die Zusammenarbeit war unkompliziert und hat Spaß gemacht“, kommentiert Muhri.

Zehn Träger mit gekreuzten Zugstäben

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Von dem Gastraum führt eine offene Treppe  über einen schmalen Galeriebereich in den Verkostungsraum. © Simon Oberhofer

Wie regional für diese Gebäudetypologie üblich, handelt es sich bei dem Weinhof um eine Mischkonstruktion aus Massiv- und Holzbau. Das Erdgeschoss ist im vorderen, beheizten Bereich gemauert. Von dem alten Wirtschaftsgebäude blieb ein Ziegelkorpus mit Gewölbedecke erhalten. Das Gemäuer ist im öffentlichen Produktionsbereich präsent, darüber spannt sich das offene Holztragwerk. Zehn Träger mit gekreuzten Zugstäben spannen sich über die Länge des Gebäudes. Während das Erdgeschoss von rohem Mauerwerk und Sichtbeton geprägt ist, wurde der obere Teil des Baus ganz in Holz gekleidet. Die Gebäudetechnik setzt mit einer Hackschnitzelheizung, Regenwasserspeicher und einer auf dem Nebengebäude installierten Photovoltaikanlage auf regenerative Energien und ermöglicht einen annähernd autarken Betrieb.

Die Frage: ‚Wer hat den Holzbau gemacht?‘, höre ich an die 100 Mal in der Woche.


Winzer Lukas Jahn

Annehmen, wenn Dinge nicht funktionieren

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Im Obergeschoss bietet eine Showküche Möglichkeiten für Veranstaltungen. © Simon Oberhofer

Die Zusammenarbeit mit der jungen Planerin, die zurzeit des Baus noch ihre Masterarbeit finalisierte, beschreibt der Zimmerer als durchwegs fruchtbar.
„Details waren sehr gut ausgearbeitet und es herrschte eine offene Gesprächskultur, in der man bereit war, Dinge voneinander anzunehmen“, erzählt Muhri.
Offene Worte findet er dagegen für viele Kollegen Ritters: „Es gilt nicht, das Rad neu zu erfinden. Oft müssten Architekten es annehmen, dass Dinge einfach nicht funktionieren.“ Durchwegs positiv verliefen jedoch die Schnittpunkte beim hier vorgestellten Projekt. „Ich habe enorm viel gelernt“, sagt Ritter, „teilweise auf die harte Tour. Trotzdem bin ich dankbar für das mir entgegenbrachte Vertrauen und froh darüber, dass das Gebäude nun so stimmig ist und so gut zur Philosophie des Bauherrn passt.“

Seit Juli 2021 läuft der Saisonbetrieb beim „Locknbauer“ von April bis Oktober. Auf eine Brettljause, wie in einer üblichen Buschenschank, wartet man hier allerdings vergeblich. Neben dem Weinausschank kredenzt man kalte Tapas, vorzugsweise vegetarisch. „Highend-Tapas“, wie sie der Winzer nennt. Hauptrebsorte ist der Burgunder, Jahns Qualitätsansprüche sind hoch. „Richtig guter Wein braucht keine große Inszenierung“, liest man auf seiner Website. Richtig gute Holzbauarchitektur ebenso wenig. „Es gibt keine perfekte Baustelle“, weiß Muhri, „aber hier waren wir schon verdammt nah dran.“ 

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© Simon Oberhofer

Projektdaten

Standort: Tieschen, Südoststeiermark
Bauherr: Lukas Jahn
Fertigstellung: Juni 2021
Architektur: Mascha Ritter (Planung); Stepan Piber (beratend)
Holzbau: Muhri Holz; Kulmer Bau
Baumeister: Schönbacher & Klöckl
Statik: ZMP
Holzarten: Fichte, Lärche, Weißtanne