Streuobst statt englischen Rasens

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 24.10.2022 - 08:53
Urmann2_MarkSengstbratl.jpg

© Mark Sengstbratl

„Gewerbebauten ästhetisch zu gestalten, ist von Haus aus eine nicht allzu leichte Aufgabe“, meint Martin Urmann, der Geschäftsführer des Architekturbüros Urmann Radler. „Da meist die reine Funktionalität gepaart mit hohem Kostendruck und wenig attraktiver Umgebung die ‚Architektur‘ bestimmen.“ Warum das bei dem hier vorgestellten Projekt nicht so schwierig war? „Holz ist fast immer schön. Dem Gewerbebau Ästhetik einzuhauchen, fiel hier deshalb mit diesem Baustoff viel leichter.“ Dessen waren sich die zwei Geschäftsführer Werner Schneider und Jürgen
Reisinger des oberösterreichischen Torherstellers Tor.support bewusst. Es stand nämlich vom ersten Planungsgedanken an fest, dass es ein Holzbau werden soll. Die beiden wollten sich mit dem Bau nach außen hin ihren Qualitätskriterien in der Produktion entsprechend präsentieren und ein Aushängeschild für ihre Unternehmensphilosophie positionieren.

Urmann1_MarkSengstbratl.jpg

Der neue Firmenstandort von Tor.support in Pucking. © Mark Sengstbratl

An Folgegenerationen gedacht

Urmann7_Urmann.jpg

Architekt Martin Urmann © Urmann Radler

Aber nicht nur deshalb entschieden sich die beiden Unternehmer für die nachhaltige Bauweise inklusive eines durchdachten Energiekonzepts. „Wir sehen in unserem Job viele Low-Budget-Paneelbauten. Bei denen wird nicht länger als fünf bis zehn Jahre gedacht. So wollten wir es nicht machen“, sagt Werner Schneider. „Wir denken mit unserem Holzbau langfristig. Und nicht nur an uns, sondern auch an Folgegenerationen.“ Deshalb wurden die Wände sowohl im Gebäudeteil, wo die Büros untergebracht sind, als auch die Halle in Holzriegelbauweise ausgeführt. Im Büro gibt es Brettsperrholz-Decken, in der Halle überspannen Gelenksträger mit Auskragung die knapp 19m Breite. Fundament und Treppenhauskern sind betoniert.

Dem Gewerbebau Ästhetik einzuhauchen, fiel mit dem Baustoff Holz viel leichter.


Martin Urmann, Architekt

Holz im Innenraum sichtbar

Urmann3_MarkSengstbratl.jpg

Die Innenverkleidungen des Bürotrakts wurden mit Fichtendreischichtplatten ausgeführt. © Mark Sengstbratl

Der nach Süden gerichtete und parallel zur Zufahrtsstraße ausgerichtete Schenkel beherbergt die Lagerhalle mit der notwendigen An- und Ablieferungszone. Der nördliche Schenkel, der Bürotrakt, richtet sich gut sichtbar zur Landesstraße. Verbunden werden die beiden Hauptkörper durch den eingeschossigen Bereich der Umkleiden. Das Gebäude folgt in seiner Form dem L-förmigen Grundstück.

Dem Baustoff Holz gerecht wurde auch die Fassade ausgeführt. Die Holzfassade des Bauteils Büro besteht aus einer 27mm starken und 70mm breiten Lärchenlattenschalung im Umfang von rund 1600m2. Raumseitig zeigt sich an Wänden und Decken Holz statt Gipskarton. Die Innenverkleidungen des Büros wurden mit Fichtendreischichtplatten ausgeführt, die sichtbare Innenverkleidung der Halle wurde mit 8mm starken Funderplan-Platten ausgeführt. „In der Kürze der Bauzeit stellten die Oberflächenqualitäten im Bereich des Großteillagers eine Herausforderung dar“, erzählt Klaus Freischlager, der mit seinem Unternehmen tragwerk+ die Holzbau-, Schwarzdecker- sowie Spenglerarbeiten ausgeführt hat. Eine extensive Dachbegrünung war ebenfalls im Auftrag enthalten.

Keine Klimaanlage erwünscht

Urmann5_MarkSengstbratl.jpg

Den Innenraum des Lagers dominiert die Verkleidung mit Holzfaserplatten. © Mark Sengstbratl

Nun arbeiten die Mitarbeiter von Tor.support seit knapp einem halben Jahr im neuen Bau. Auf die Frage, was sich bisher verändert hat, antwortet Schneider: „So ziemlich alles!“ Wir erleben beispielsweise ein viel angenehmeres Raumklima. Eine zusätzliche Klimaanlage ist dafür nicht notwendig. Eine flächendeckende PV-Anlage auf den extensiv begrünten Flachdächern wurde ebenso installiert wie eine Luftwärmepumpe zur Herstellung von Heiz- und Warmwasser. Fast alle vorhandenen Fenster sind nach Norden ausgerichtet, ein außenliegender Sonnenschutz verhindert zusätzlich die Überhitzung des Hauses. Viel Augenmerk wurde auch auf die Außengestaltung gelegt. Streuobst und Sträucher statt englischer Rasen bestimmen den Vorgarten. E-Ladestationen für die Firmen- und Gästeautos runden das Nachhaltigkeitskonzept zusätzlich ab.

Wie man in Zukunft bauen soll

Urmann6_MarkSengstbratl.jpg

Verbunden werden die beiden Hauptkörper durch den eingeschossigen Bereich der Umkleiden (in der Grafik grau). © Mark Sengstbratl

Schneider und Reisinger erhalten seit ihrem Einzug in das neue Firmengebäude durchgehend positive Resonanz. „Jeder, der uns besucht, erkennt den Mehrwert. Das Gebäude zeigt generell Ansätze, wie man in Zukunft bauen sollte“, sagt Schneider. Sowohl der Architekt als auch der Holzbaumeister heben das Geschäftsführerduo als besonders innovative und engagierte Bauherren hervor. „Sie haben die Nachhaltigkeitsstrategie konsequent durchgezogen“, meint Freischlager. Und auch Architekt Urmann ist überzeugt: „So eine Einstellung und der durchgängige Wille zur Nachhaltigkeit sind nicht alltäglich. Sie präsentieren sich nicht schreiend, sehen aber die Vorteile eines Holzbaus ganz pragmatisch.“ Da der Planer ebenfalls aus Pucking stammt, fährt er fast täglich an seinem neuesten Bauprojekt vorbei. Was er dabei empfindet? „Ich freue mich jedes Mal.“

Urmann4_MarkSengstbratl.jpg

© Mark Sengstbratl

Projektdaten

Standort: Pucking, Oberösterreich
Fertigstellung: März 2022
Bauherr:
Tor.support
Architektur:
Urmann Radler
Holzbau: tragwerk+ Ingenieurholzbau
Bauleitung: Thomas Schneider Baumanagement
Nutzfläche: ca. 500 m² NGF Büro + ca. 900 m² Lagerhalle
Holzmenge: 2300 m² Holzriegelwand und -dachelemente; 120 m³ BSH; 90 m³ BSP; 320 m² Dreischichtplatten; 700 m² Holzfaserplatte; 1600 m² Lärchenlattenschalung