Drei Herzen wohnen ihnen inne

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 19.12.2022 - 10:11
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© Dietmar Walser

Im Persischen sind zwei Kapitäne zu viel für ein Schiff. Im Französischen versalzen mehrere Köche die Sauce. Hierzulande verderben zu viele davon den Brei. In allen landestypischen Abwandlungsformen des Sprichworts ist der Sinn doch immer derselbe: Wenn sich zu viele Leute um eine Sache kümmern, kommt nichts Gescheites dabei heraus. Anders in Alberschwende in Vorarlberg. Insgesamt vier Baukörper wurden im Juli dieses Jahres fertiggestellt. Dahinter stehen Sohm Objektbau mit Sitz in Alberschwende, Rhomberg Bau und die Wohnbauselbsthilfe, jeweils in Bregenz situiert. Über ein Projekt, dem drei Herzen innewohnen und alle für diesselbe Sache schlagen. Rhomberg Bau ist als Joint-Venture-Partner seit 2013 mit 50 % an der Sohm HolzBautechnik beteiligt. Ganz aktuell im Februar dieses Jahres hat die Holding ihre Anteile auf 75 % aufgestockt. Die verbleibenden 25 % hält weiterhin Thomas Sohm. Martin Kohler von Rhomberg Bau hatte die Gesamtprojektleitung inne. „Ich muss die gute Zusammenarbeit extra betonen. Mit der Wohnbauselbsthilfe arbeiten wir ja nicht zum ersten Mal zusammen und auch mit Sohm Holzbautechnik hat alles reibungslos funktioniert.“

Vom integrativen Wohnbau nicht wegzudenken

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Eine saubere Bauabfolge garantierte den reibungslosen Fortschritt. Den Anfang machten die Häuser A und D (ohne Einrüstung), danach folgten die Häuser B und C. © Timo Vogel | VogelPix Media Productions

Der Bauplatz in Alberschwende ist 6000 m2 groß und „das Einfahrtstor in den Bregenzerwald, der für seine Baukultur bekannt ist“, erklärt Thomas Schöpf, Geschäftsführer und Vorstand der Genossenschaft Wohnbauselbsthilfe in Vorarlberg. Sein Unternehmen zeichnet als Bauherr der beiden Gebäude C und D verantwortlich. Seit Jahren engagiert sich die Vorarlberger Genossenschaft im Holzbau. „Unser Unternehmen steht für Regionalität und Nachhaltigkeit. Insofern wurde für uns der Baustoff Holz in den vergangenen Jahren zunehmend wichtiger. Das Knowhow und Detaillösungen wie beispielsweise zum Trittschall konnten gemeinsam mit unseren Baupartnern wesentlich gestärkt werden. Auch im Förderwesen für den integrativen Wohnbau ist Holz nicht mehr wegzudenken.“ Beim Projekt Schwarzen kam als Argument zusätzlich der Standort im Bregenzerwald dazu. „Insofern suchten wir gemeinsam mit den Architekten nach einer geeigneten gestalterischen Antwort, worin Holz als Baustoff quasi vorprogrammiert war.“

Genau geplante Schichtabfolgen benötigt

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© Dietmar Walser

Planerisch fand man in den Bregenzern Schnetzer Kreuzer die richtigen Partner. Als im Holzbau versiertes Büro schätzt man die enge Zusammenarbeit mit den Handwerkern. Geschäftsführer Claus Schnetzer weiß, worauf es im Vergleich zum konventionellen Bau ankommt: „An jeden Bauteil eines Gebäudes gibt es vordefinierte Anforderungen in Bezug auf Statik, Brandschutz, Schallschutz, Feuchtigkeit, Wärmeleitfähigkeit und weitere. Überspitzt gesagt besteht der Planungsprozess beim Betonbau in der Aufgabe, ihn sauber einzupacken. Beim Holzbau können zumeist nicht alle Anforderungen mit dem Baustoff Holz alleine gelöst werden. Es benötigt genau geplante Schichtabfolgen, die jede für sich unterschiedliche Funktionen erfüllt. Hier braucht es eine sehr genau Zusammenarbeit zwischen Architekten, Fachplaner und Handwerker. Nachträgliche Anpassungen in der Bauphase sind meist mit Schwierigkeiten verbunden. Eine genaue Vorplanung ist im Holzbau unabdingbar.“

Vier Gebäude, zwei Aufbautypen

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Eine großzügige Spielfläche im Außenbereich gehört ebenso zur Anlage wie neun ebenerdige Besucherstellplätze und ein überdachter Fahrradraum. © Dietmar Walser

Diese enge Zusammenarbeit praktizierten die Architekten hier mit Sohm HolzBautechnik. Planung und Ausführung waren von Anfang an vernetzt, Kohler war bei allen wesentlichen Besprechungen involviert. Besonders am Projekt ist aber nicht nur die gute Partnerschaftlichkeit mehrerer Unternehmen, sondern auch die unterschiedliche Bauweise der Baukörper. Zwei Gebäude mit insgesamt 25 Wohnungen wurden von Sohm als Bauträger errichtet und als Eigentumswohnungen verkauft. In zwei weiteren Gebäuden sind 22 Miet- und Mietkaufwohnungen für die Wohnbauselbsthilfe entstanden. Hier war Rhomberg Bau der Generalunternehmer, die Holzbauarbeiten wurden bei allen vieren von Sohm ausgeführt. Die Eigentümervarianten (A+B) weisen aufgrund der unterschiedlichen Nutzungsvariante einen anderen Aufbau auf, als die beiden Mietmodelle (C+D). Haus A und B verfügen über drei beziehungsweise vier Etagen. Die Konstruktion besteht aus Massivholzwänden und Massivholzdecken, kraftschlüssig mit einer Aufbetondecke verbunden. „Die Holzdecke fungierte als verlorene Schalung, im Verbund mit dem Beton ist die Decke tragend. Zusätzlich war Beton der Masseeinbringer für den Schallschutz.“ Damit war der Bauträger flexibler, was die Wohnungsgrößen anging und konnte auf Kundenwünsche eingehen, was das nachträgliche Einsetzen von einzelnen Wänden betrifft. „Wir waren auf keine lineare Ablastung angewiesen. Bis auf zwei, drei Stützen war jede Wohnung frei gestaltbar“, erklärt Christian Milz, Geschäftsführer von Sohm Objektbau.

Beim Holzbau können zumeist nicht alle Anforderungen mit dem Baustoff Holz Alleine gelöst werden. Es benötigt genau geplante Schichtabfolgen, die jede für sich unterschiedliche Funktionen erfüllt.


Claus Schnetzer, Schnetzer Kreuzer

Von A bis D: alles vergeben

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Claus Schnetzer, Schnetzer Kreuzer

Der Holzbaubetrieb griff dabei auf sein eigenes patentiertes Produkt DiagonalDübelholz zurück. Keilgezinkte Vollholzlamellen werden anders als bei üblichem Brettstapel- beziehugsweise Dübelholz nicht durch parallel, sondern durch diagonal eingepresste Hartholzdübel und Wellenprofilierung noch formstabiler zu einem flächendeckenden Element verbunden. Die Ausführung der Außenwände und Decken in den Häusern A und B passierte in nahezu astfreier Weißtanne in hoher Qualitätsausführung. Die Wohnungseigentümer konnten sich im Vorfeld für oder gegen Sichtoberflächen entscheiden – alle wollten, dass das Holz sichtbar bleibt. Alle Wohnungen waren rasch nach Vergabe verkauft. Die Häuser C und D sind beide viergeschossig. Für den Bauträger Wohnbauselbsthilfe wählte man eine Ständerbauweise in Kombination mit Massivholzdecken in Fichte. Bei allen vier Gebäuden wurde auf hochwertige Ausstattung geachtet und es kamen Parkettböden zum Einsatz. In Haus A und B finden sich Holzfenster, in C und D Holz-Alu-Fenster. Die Hülle präsentiert sich im typischen Bregenzerwälder Stil als Schindelfassade. Unter dem Areal entstand eine Tiefgarage, hinzu kamen außerdem neun ebenerdige Besucherstellplätze, ein überdachter Fahrradraum sowie eine großzügige Spielfläche im Außenbereich.

Kapital an Baustoffen und Finanzmitteln

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Thomas Schöpf, Vorstand Wohnbauselbsthilfe

Betrachtet man das Konzept des Bauvorhabens und die Ausführungs- und somit die Wohnqualität, taucht der Gedanke auf, ob solche Modelle in Zukunft den Traum nach einem eigenen Einfamilienhaus durchkreuzen könnten. „Natürlich zählt das private Haus im Grünen in beinahe jedem Lebensentwurf noch zu den größten Wünschen“, weiß Architekt Schnetzer aus seiner täglichen Erfahrung. „Gesellschaftlich betrachtet ist diese Lebensweise in Zukunft aber auf beinahe allen Ebenen nicht mehr vertretbar. Ein praktisches Beispiel: Ein kleines Dorf am Land mit 300 Einwohnern unterhält dutzende Kilometer Straßen, Kanal, Leitungen und andere Infrastruktur. Zusätzlich gibt es noch ein Gasthaus, einen Fußballplatz, ein Vereinsheim und vieles mehr. In einem Wohnkomplex mit derselben Einwohnerzahl und dem Flächenstempel der Dorfkirche brauche ich einen Bruchteil dieser Infrastruktur. Man stelle sich vor, was mit dem restlichen Kapital an Baustoffen und öffentlichen Finanzmitteln innerhalb dieser Wohnanlage alles geschaffen werden könnte.“ Das Wohnquartier Schwarzen ist noch kein Dorf, aber ein Vorbild für qualitätsvollen Wohnraum mit geringem Fußabdruck auf jeden Fall. 

Projektdaten

Ort: Alberschwende
Fertigstellung: Juli 2022
Architektur:
Schnetzer Kreuzer
Bauherren:
Wohnbauselbsthilfe (Haus C+D); Sohm Objektbau (Haus A+B)
Generalunternehmen:
Rhomberg Bau; Sohm Objektbau
Holzbau:
Sohm HolzbauBautechnik
Holzmenge:
ca. 1240 m3
Holzarten:
Weißtanne, Fichte (Fassade)