„Resteverwertung“ auf Dänisch

Ein Artikel von Raphael Zeman | 21.03.2023 - 08:10
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Standardisiertes Bauen muss nicht eintönig sein. Durch den leichten Versatz der Zimmer kommt Bewegung ins Gebäude. © Adam Mørk

Kopenhagen ist 2023 die UNESCO Welthauptstadt der Architektur. Rund 200 km entfernt, auf der Insel Bornholm, liegt die Stadt Rønne, die ebenfalls mit einem architektonischen Vorzeigebau aufwarten kann: das Hotel „Green Solution House 2.0“ (GSH 2.0).

Standardisiert bedeutet nicht langweilig

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Eine zentrale Stiege führt vom Atrium bis aufs Dach. © Adam Mørk

Der Dreigeschosser setzt sich aus 22 Einbettzimmern, einem Zweibettzimmer sowie vier Konferenzräumen zusammen, die um ein langgestrecktes, zentrales Atrium angeordnet sind. Von hier führt auch eine großzügige Stiege bis aufs Dach, wo eine Sauna und ein Spa das Angebot komplettieren. Holz ist das primäre Konstruktionsmaterial für Tragstruktur, Fassade sowie Dämmung und zeigt sich im Gebäude an allen Ecken und Enden. Die boxenartigen Einheiten wurden mit Brettsperrholz-Elementen errichtet, die bereits im Werk beispielsweise mit den nötigen Lüftungsschlitzen versehen und vor Ort lediglich montiert werden mussten. Ein leichter Versatz der Zimmer sorgt trotz des repetitiven Designs für Dynamik. Zudem sind die Balkone dadurch von den Nachbarzimmern aus nicht einsehbar.

„Wiederverwendete Materialien nicht minderwertig“

Beim dänischen Architekturbüro 3XN mit Sitzen in Kopenhagen, Stockholm, New York, Sydney und London wird Nachhaltigkeit großgeschrieben. Dementsprechend gründete man 2007 das unabhängige Forschungs- und Beratungsunternehmen GXN. Das auf nachhaltige Innovation im Gebäudesektor spezialisierte Unternehmen beschäftigt sich mit Kreislaufwirtschaft, Materialverhalten und digitalen Technologien. Die Erkenntnisse daraus fließen in die Entwürfe von 3XN ein – und umgekehrt. Mit dem GSH 2.0 zeigen die Planer, dass zirkuläre Lösungen mit der ästhetischen Qualität von fabrikneuen Materialien und Produkten mithalten können und dabei einen deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck aufweisen.

Fußabdruck über Lebenszyklus gedacht

Viele Faktoren reduzieren den ökologischen Fußabdruck des GSH 2.0. Dank der standardisierten Herangehensweise ließ sich der Verschnitt bei den Holzelementen präzise berechnen und in weiterer Folge in Form von Möbeln wiederverwenden. Doch das Prinzip des „Upcycling“ – das Wiederverwenden und gleichzeitige Aufwerten von Materialien – macht nicht beim Baustoff Holz Halt. Es kamen beispielsweise Glas- und Granitoberflächen zum Einsatz, die aus lokalen Restprodukten hergestellt wurden. Solarpaneele am Dach sowie eine hauseigene Wasseraufbereitung minimieren die Abhängigkeit von externen Versorgungsnetzen. Durch großzügige Oberlichten, voll verglaste Zimmerfronten und den Versatz der Zimmer wird die Tageslichtnutzung maximiert. Ein ausgeklügeltes Belüftungskonzept macht mechanische Lösungen obsolet und komplettiert das nachhaltige Design. All das trägt dazu bei, dass das GSH 2.0 2022 – wie auch schon sein Vorgänger, das Green Solution House – mit dem dänischen Architekturpreis „Årets Byggeri“ ausgezeichnet wurde.

„Wir sind sehr stolz, diesen Preis gewonnen zu haben, der die Auswirkungen von Architektur auf die Gesellschaft fokussiert“, so Lasse Lind, Partner bei GXN. „Unser Büro möchte mit seinen Projekten inspirieren und wir hoffen, dass wir mit dem GSH 2.0 Menschen dazu animieren, mit biogenen Materialien zu bauen, dabei lokale und aufgewertete Ressourcen zu verwenden und eine holistische Nachhaltigkeit zur treibenden Kraft des Entwurfs zu machen.“ Auch Trine Richter, Leiterin des GSH, bringt ihre Freude zum Ausdruck: „Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass wir den Preis bereits zum zweiten Mal erhalten.“

Projektdaten

Standort: Rønne/DK
Bauherrschaft: Hotel Ryttergården
Fertigstellung: 2021
Architektur: 3XN/GXN