Wenn der Blick ins Grüne heilt

Ein Artikel von Birgit Gruber | 07.12.2023 - 13:33
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© Åke E:son Lindman & White

Heilende Architektur (healing architecture) ist zwar kein ganz neues, aber dennoch junges Konzept im Bereich des Gesundheitswesens. Per definitionem wird damit ein planerischer Ansatz bezeichnet, mit dem das körperliche und seelische Wohlbefinden von Patienten, Personal und Angehörigen gestärkt werden soll. Dahinter steht immer dieselbe Frage: „Welchen Einfluss haben Räume auf Gesundheit und Genesung?“ Wegbereiter für das Konzept war eine 1984 im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichte Studie des schwedischen Architekturprofessors Roger Ulrich. Er verglich darin zwei Gruppen von Patienten nach identischen Operationen und konnte nachweisen, dass der Blick ins Grüne auf einen Park mit Bäumen die Heilung beschleunigt. Heilsame Architektur zeichnet sich durch viel natürliches Licht, großzügige Ausblicke ins Grüne und den Einsatz moderner Technologien aus.

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Mit der Errichtung des „Hälsocentrum“ begann man im Oktober 2017 mit einer geschätzten Bauzeit von 25 Monaten. © Åke E:son Lindman & White

Natürliche Materialien, die, wie Holz, auch noch angenehm riechen, vermitteln zusätzlich ein Gefühl von Behaglichkeit und lassen den Raum gerade von alten und kranken Menschen durch alle Sinne wahrnehmen. Das Gesundheitszentrum in der kleinen schwedischen Stadt Lindesberg vereint alle diese Punkte.

Geringerer Stresslevel im Holzbau

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Nordisches Holz prägt im Gesundheitszentrum sowohl den Innen- als auch den Außenbereich. Es vermittelt ein Gefühl von Behaglichkeit und lässt den Raum gerade von alten und kranken Menschen durch alle Sinne wahrnehmen. © Åke E:son Lindman & White

Mit der Errichtung des „Hälsocentrum“ begann man im Oktober 2017 mit einer geschätzten Bauzeit von 25 Monaten. Das 2019 fertiggestellte Gebäude mit einer Fläche von 4000 m2 ist ein Gemeinschaftsprojekt der regionalen Gesundheitsbehörden und einer kommunalen Wohnbaugesellschaft. Es verbindet die Wohnnutzung mit verschiedenen Funktionen des Gesundheitswesens, verknüpft durch einen dazwischenliegenden öffentlichen Raum. Die Wohnungen sind nicht in erster Linie als Pflegewohnungen konzipiert, aber dank großzügiger Abmessungen, weniger Ecken, Doppel- und Schiebetüren sowie geräumiger Bäder für mögliches Personal als solche nutzbar. Der Holzbau wurde mit modernen technischen Hilfsmitteln, wie Tageslichtsimulation, Energieberechnungen sowie Mikroklimaanalysen, entworfen. Unter der Leitung von Olov Gynt von White Arkitekter entstand ein Konzept, das sich auf aktuelle Forschungsergebnisse hinsichtlich der physiologischen und neurologischen Vorteile von Holz in Gesundheits- und Wohnumgebungen stützt: „Menschen, die Zeit in der Natur verbringen, profitieren mental durch eine Verbesserung ihrer kognitiven Fähigkeiten und weisen einen geringeren Stresslevel auf“, weiß der Projektleiter. Nordisches Holz prägt im Gesundheitszentrum sowohl den Innen- als auch den Außenbereich. Lärchenholz ziert die Fassade.

Menschen, die Zeit in der Natur verbringen, weisen einen geringeren Stresslevel auf.

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Olov Gynt, Architekt
© White Arkitekter

Galerie der Sinne

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© Åke E:son Lindman & White

Die beiden Einrichtungen – das Wohnhaus und das Gesundheitszentrum – sind in zwei Gebäude unterteilt, die durch eine gemeinsame Glasgalerie und ein begrüntes Dach miteinander verbunden sind. Von dort aus erreicht man eine Parkanlage mit 150 Bäumen, Gehwegen, vielen Sträuchern, einer Pergola, einem Springbrunnen und einem kleinen Spielplatz, die den Bewohnern als Orte für Begegnungen dient und durch ihre geschützte Atmosphäre eine gewisse Art von Sicherheit bietet. Durch die großzügigen Glasflächen der Galerie dringt viel Licht ins Innere der Gebäude. Die Gesundheitseinrichtungen sind im straßenseitig gelegenen Volumen untergebracht. „Im zweiten Gebäude befinden sich in den unteren Geschoßen ein Seniorenzentrum und ein Restaurant. Alle Wohnungen im Obergeschoß verfügen über holzverkleidete private Balkone, die sich zum Wald hin orientieren, und überdachte Laubengänge, die sich zum Gemeinschaftsraum hin öffnen“, erklärt Gynt. Sie verstärken noch das Gefühl, in der Natur zu sein und nicht in einer klinischen Gesundheitseinrichtung.

Projektdaten

Standort: Lindesberg, Schweden
Fertigstellung: 2019
Bauherr: LindesbergsbostäderRegion Örebro län
Architektur: White Arkitekter
Generalunternehmer: Tommy Allström Byggproduktion
Statik: WSP Byggprojektering
Holzarten: Kiefer, Fichte und Eiche, Fassade aus Lärche