Ressourcenschonend Bauen mit Holz

Ein Artikel von Helmut Dietrich | 04.03.2024 - 09:43
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Aus Alt mach Neu: Gelungener Hausumbau in Sibratsgfäll im Vorderen Bregenzerwald. © Bruno Klomfar

Das Haus, um das es sich handelt, war 1746 erbaut worden und stand über 20 Jahre lang leer, bevor es erneut mit Leben erfüllt werden sollte. Als mir dieser reizvolle Sanierungsauftrag angeboten wurde, habe ich der Bauherrschaft empfohlen, nicht den üblichen Weg der Ausschreibung und Vergabe zu wählen, sondern die Zimmerei Nenning aus dem nahegelegenen Hittisau mit den Holzbauarbeiten zu betrauen. Ihre umfassende Erfahrung mit der Sanierung und Restaurierung von Bregenzerwälderhäusern sollte sich auch bei diesem Projekt als besonders wertvoll erweisen. Die Nennings, Martin und Hermann Nenning, und ihre Mitarbeiter übernahmen nicht nur die konstruktiven Holzbauarbeiten und die Erneuerung der Gebäudehülle, sondern auch den Großteil des Innenausbaus, die Erneuerung der Kastenfenster und sogar die Erstellung der neuen Betonbodenplatte im Wirtschaftsteil, weil damals keine Baumeisterfirma Zeit für diese Unterfangungsarbeit hatte.

Mit Gespür für die Bautradition sanieren

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Der gesamte rauchgeschwärzte Dachstuhl, die Riegelwände des Wirtschaftsteils und sein Dachstuhl konnten ebenso erhalten werden wie die Bruchsteinfundamente und der Keller. © Bruno Klomfar

Ein weiterer wesentlicher Aspekt für ein Gelingen des Vorhabens war für mich, Edgar Höscheler mit der Projektleitung zu betrauen. Gerade bei der örtlichen Bauleitung, der Detailentwicklung und der Koordination der Handwerker stellten die Erfahrung im Umgang mit Sanierungen und das Gespür für die Bautradition, aber auch die Kombination von Altem und Neuen einen unschätzbaren Wert dar. Mit ihm durfte ich bereits davor eine Reihe solcher Häuser bearbeiten und vor dem Zerfall oder der Zerstörung retten. Das Anliegen, ein Objekt einer wertvollen Baukultur und -tradition zu erhalten und in ein zeitgemäßes Haus mit unnachahmlicher Wohnatmosphäre zu transformieren, verband alle Projektbeteiligten – Architekten, Handwerker und vor allem die Bauherrschaft.

Ursprüngliche Bausubstanz erhalten

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Die wesentlichen Veränderungen des Hauses stellen die neue Eingangssituation und die Öffnung der Küche und des Flures durch eine großzügige Verglasung dar. © Bruno Klomfar

Das Ziel war es, möglichst viel von der ursprünglichen Bausubstanz zu erhalten. Vor allem die intakte Stube als zentralen Raum möglichst vollständig zu erhalten und die Wände des zweigeschoßigen Wohnteils in Strickbauweise (massiver Blockbau) sowie die Dielendecken zu belassen. Der gesamte rauchgeschwärzte Dachstuhl, die Riegelwände des Wirtschaftsteils und sein Dachstuhl konnten ebenso erhalten werden wie die Bruchsteinfundamente und der Keller. Der Dachstuhl des früheren Heustocks ist eine wunderbare Zimmermannskonstruktion in Form eines bogenförmigen Sprengwerkes. Eine Besonderheit des Hauses ist seine Nähe zum ostseitigen Nachbarhaus, das nur ca. 1 m entfernt steht und ebenfalls ein altes Holzhaus ist. Die Wand zum Nachbarn hin wurde mit einer 40 mm Vollschalung brandschutztechnisch ertüchtigt, die notwendigen Fenster als Brandschutzverglasungen ausgeführt.

Mehrwert, der im Neubau nur selten erreicht wird

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Eine Besonderheit des Hauses ist seine Nähe zum ostseitigen Nachbarhaus, das nur ca. 1 m entfernt steht und ebenfalls ein altes Holzhaus ist. © Bruno Klomfar

Die wesentlichen Veränderungen des Hauses stellen die neue Eingangssituation und die Öffnung der Küche und des Flures durch eine großzügige Verglasung dar. Die Schlafräume blieben in ihrer Dimension unverändert. Um mindestens acht Personen Platz zu bieten, wurde der ehemals kalte Dachboden zum konditionierten Raum mittels Infrarotheizung. Räume, die im ursprünglichen Haus nicht vorhanden waren, also Diele, Heizraum, Bäder und Sauna, wurden in einer klar definierten Raumschicht in der ehemaligen Tenne auf zwei Geschoßen eingebaut. Das ehemalige Wirtschaftsgebäude wurde als Kaltraum erhalten und beherbergt im Erdgeschoß Garage und Lager, im Obergeschoß massenhaft Raum für Spiele, Sport und Werken. Dieser nicht vollständig determinierte, vielseitig nutzbare Raum stellt einen immensen Wert der Bauernhäuser dar, der im Neubau nur selten erreicht wird.

Leitmotiv ressourcenschonend Bauen

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© Bruno Klomfar

Der Gedanke des ressourcenschonenden Bauens mit Holz zieht sich als Leitmotiv durch das gesamte Renovierungsprojekt. Das Prinzip, nur jene Holzbauteile auszutauschen, bei denen es unbedingt erforderlich ist, ist aber keineswegs neu. Dies wurde in den zwar holzreichen, aber nicht im materiellen Überfluss lebenden Alpenregionen seit jeher praktiziert. Der ehemalige Besitzer Josef Scheuring, der in diesem Haus aufgewachsen ist, und die Geschichte des Hauses am besten kennt, berichtet, dass es ursprünglich ein flaches, mit Latten und Steinen beschwertes Legeschindeldach gab. Dieses Dach wurde Anfang der 50er-Jahre durch ein steileres Dach mit Eterniteindeckung ersetzt. Der heutige Dachstuhl besteht aber fast vollständig aus den alten vom Qualm der Rauchkuchl geschwärzten Holzbalken, die zuvor schon 200 Jahre im Einsatz waren.

Projektdaten

Bauherr: Familie Kretschmar-Hetterich
Planung: Architekt Helmut Dietrich – Dietrich I Untertrifaller Architekten
Projektleitung: Edgar Höscheler
Holzbau: Zimmerei Nenning