Lebensqualität im Salzburger Wohnbau

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 25.04.2024 - 17:13
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Bald können die beiden Bauherren, Katharina und Niko Richter-Wallmann, den Bauhelm abnehmen. Denn im Mai dieses Jahres sind nach Eröffnung des Hotels „Zum Hirschen“ auch die 40 Wohnungen des neu geschaffenen sechsgeschoßigen Holzbaus bezugsfertig. © Neumayr/Christian Leopold

„Ich sehe es als unheimliches Privileg, dass wir unsere Stadt mitgestalten können. Das können nur wenige und birgt eine große Verantwortung“, startet Bauherrin Katharina Richter-Wallmann in das holzbau austria-Gespräch. Sie kommt gerade aus dem Garten, wo sie ihre ersten Setzlinge in die neu geschaffene Urban Gardening-Fläche verpflanzt hat. Diese soll einmal auch den Nutzern der 40 neu geschaffenen Wohneinheiten zur Verfügung stehen. Im Mai wird der Holzbaukomplex fertig sein. Eigentlich sei sie keine Gärtnerin. Und eigentlich sei sie auch nicht die geborene Bauherrin. Trotzdem: Sie und ihr Mann Niko, der quasi während des laufenden Projekts involviert und vorab und davon unabhängig geheiratet wurde, haben in den vergangenen Jahren einiges gestemmt: nicht nur die Revitalisierung und den Ausbau des renommierten Hotels „Zum Hirschen“, sondern auch ein neues Restaurant und Apartments sowie einen Wohnkomplex in Holzbauweise in bester Lage Salzburgs. Um Letzteren und dessen außergewöhnliche Wohnqualität soll es hier vorrangig gehen. Aber erstmal von Anfang an.

Eine Vision der Nachhaltigkeit

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Freiflächen sind sowohl im Hotel als auch im Wohnbau essenzieller Bestandteil. © Pion Studio

Katharina Richter-Wallmann, vor vier Jahren noch ob ihrer neuen Aufgaben nichtsahnend in Berlin lebend, stand unerwartet früh vor der Aufgabe, den Familienbetrieb „Zum Hirschen“ in elfter Generation zu übernehmen. Dennoch stellte sie sich der Herausforderung und nahm voller Tatendrang zur Vorbereitung auf die Bauaufgabe an der Donauuniversität Krems das Studium „Real Estate“ in Angriff. Mit der Beauftragung eines Baumanagements kam die Bauherrin sehr früh mit dem nicht nur in Salzburg für hochwertigen Holzbau bekannten Architekten Tom Lechner von LP Architektur in Kontakt. „Das hat von Anfang an gepasst, ich musste keinen zweiten sehen“, lacht Richter-Wallmann. Der eiserne Wille zum Holzbau käme, wie sie selbst sagt, „teilweise aus dem schlechten Gewissen heraus, überhaupt zu bauen. Dem folgte der Versuch, das möglichst umweltschonend zu tun. Zweiter Beweggrund war, eine spannende Architektur schaffen zu wollen und sich abzuheben von anderen konventionellen Projekten.“ Diese Aufgabe nahm Lechner gerne an. „,Der Hirschen‘ ist nicht nur ein Gebäude, sondern in Salzburg eine Institution“, ist sich der Architekt des Werts der Bauaufgabe bewusst. Im 17. Jahrhundert erstmalig als Wirtshaus genutzt, wurde der Bau im Krieg teilweise zerstört und mittels oft kurioser Materialwahl wiederaufgebaut. 

Vorerst konzentrierte man sich also auf den Hotelbau, vom Wohnbau war damals noch keine Rede. Hinter dem Bestandsgebäude lag eine versiegelte Fläche, die als Parkplatz genutzt wurde. Daneben war ein brach liegendes Grundstück in Familienbesitz. Lechner sah bei Erstbegehung gleich den ungeschliffenen Diamanten und fragte die Bauherrin, ob er über die eigentliche Aufgabe hinaus den gesamten städtebaulichen Raum durchdenken dürfe. Und auch die Bauherrin war sich im Klaren: „Ich habe da ein Juwel in der Innenstadt und die Möglichkeit, es zu formen.“ 

„Wir haben dann relativ schnell in zwei Bauabschnitten gedacht“, sagt Lechner. Der erste betraf die Sanierung des Hotels und die Wiederherstellung des alten Mansardendachs des Hotels sowie die Revitalisierung eines alten Stalls und die Erweiterung um Apartments. Die Brettsperrholz-Wände des Mansardendachs stehen auf einer Stahlbetondecke des Bestands. Darüber spannen sich die Holzsparren. Die vertikale Erweiterung des Bestands, ein BSP-Bau mit Stahlbetonsockel und -brandwand, ist per Brückenverbindung mit dem Altbestand verbunden. Eine formale Fuge ermöglicht straßenseitig den Eintritt in den Garten.

Qualität der großen Mitte

Der zweite Bauabschnitt bestand im Wohnbau. Dabei ging es darum, die Baukultur zu schützen und dies bei Ausnutzung der Wirtschaftlichkeit. Gemeinsam mit der Stadt und dem Gestaltungsbeirat wurde eine höhere Bebauungsdichte erreicht. Dadurch war es möglich, den Innenhof nicht zu bebauen. „So kann die gesamte Nachbarschaft von dieser Qualität der großen Mitte profitieren. Und das ist nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern hier passiert durch engagierte Landschaftsplanung ein wirklich hochwertiger Raum“, informiert Lechner. Das bestätigt auch Richter-Wallmann: „Die Landschaftsplanung läuft noch auf Hochtouren“, gibt sie Einblick in den derzeitigen Stand. Um diesen Raum schaffen zu können, musste die gesamte Parkplatzfläche entsiegelt werden. Und um wieder Stellflächen zu generieren, wurde eine zweigeschoßige Tiefgarage unterbaut. „Letztere war eine Herausforderung, die einen großen Teil der Baukosten verschlungen hat“, bedauert Doreen Rehmer-Jeitler von Dietrich I Untertrifaller Architekten. Jenes Büro kam für das Gesamtprojekt in der Leistungsphase 4 als Partner hinzu, für den Wohnbau in Leistungsphase 3. 

Wirtschaftlichkeit durch Wissen

Priorität hatte es, in einem guten wirtschaftlichen Verhältnis alle Anforderungen an einen Holzbau hinsichtlich des Schall- und Brandschutzes zu erfüllen und dabei in den Innenräumen auf Beplankungen verzichten zu können. Der Wohnbau besteht aus sechs oberirdischen Geschoßen, wiederum mit Sockel und Brandwand in Stahlbeton. Es handelt sich um einen Brettsperrholz-Bau mit vorgesetzten Balkonregalen aus Brettschichtholz-Stützen und -Trägern sowie BSP-Balkonplatten. Der Brandschutz an der Fassade wurde mittels fünfschichtiger BSP-Wand über einen Brandriegel mit einem Stahlblech, eine diffusionsoffene Holzwerkstoff-Platte sowie Zellulose-Einblasdämmung gelöst. Das energetische Konzept besteht aus einer Kombination aus Geothermie und der Bestückung des Bestandsdaches mit PV-Elementen. Zurzeit sind in etwa ein Drittel der Wohnungen verkauft.

Wir hatten bei diesem Projekt das Glück, das sowohl die Tragwerksplaner als auch das Holzbauunternehmen gemeinsam mit uns im gleichen BIM-Modell arbeiteten. [...] Das sparte uns enorm viel Zeit.

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Doreen Rehmer-Jeitler
© Birgit Gruber

„Wir hatten bei diesem Projekt das Glück, das sowohl die Tragwerksplaner als auch das Holzbauunternehmen gemeinsam mit uns im gleichen BIM-Modell arbeiteten“, erklärt Rehmer-Jeitler. „Dadurch musste das Modell nicht komplett neu gezeichnet werden und das sparte uns enorm viel Zeit. Die Pläne wurden dann von Holzbau Burgschwaiger mit den Produktionsdaten ergänzt und der Produktion von Theurl übergeben.“

Wenn es um Einsparungspotenzial geht und sich verschiedene Gewerke an einem Tisch zusammensetzen, ist das erste Argument oft: ‚Baut es massiv, dann können wir x-Themen vernachlässigen und die Summe X einsparen.

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Tom Lechner
© Markus Rohrbacher

„Wenn es um Einsparungspotenzial geht und sich verschiedene Gewerke an einem Tisch zusammensetzen, ist das erste Argument oft: ‚Baut es massiv, dann können wir x-Themen vernachlässigen und die Summe X einsparen.‘ Aber dass man sich damit auf ein ganz anderes Level in der Wohnqualität begibt, das interessiert dann niemanden“, sagt Lechner. Diese Richtung einzuschlagen, wäre weder für das Ehepaar Richter-Wallmann noch für die Architekten eine Alternative gewesen. Die Bauherrschaft hielt trotz Rohstoffpreisexplosion, Pandemie und allen Überraschungen im Bestand an der Idee eines Holzbaus fest. „Was man im Nachgang sagen kann und ich immer wieder spüre, ist, dass Holzbau am besten funktioniert, wenn holzbauaffine Firmen mit ihm Team sind“, ergänzt Lechner.

Wie stellt man sich nun das Leben in diesem Salzburger Wohnbau vor? Wie es Tom Lechner ausdrückt: „Man ist Teil eines übergeordneten Ganzen.“ Zum einen ist die Lage top: in drei Minuten am Bahnhof, in fünf Minuten in der Altstadt. Zum anderen genießt man die Vorzüge der In-house-Gastronomie: Bei Lust auf einen Cappuccino besucht man das Café oder bei Gusto auf gediegene Kulinarik lässt man sich einmal umfallen und sitzt im Restaurant. Zum dritten und nicht letzten genießt der Nutzer hohe Freiraumqualitäten: mit einem Buch unter dem von Katharina gepflanzten Hochzeits-Apfelbaum, beim Urban-Gardening in den üppigen Hochbeeten oder mit den Kindern am Naschobst naschen. „Da muss man am Land schon Situationen suchen, die diese Qualitäten in einem guten, ausgewogenen Maße erfüllen, wie es hier der Fall ist“, schließt Lechner.

Projektdaten

Standort: Salzburg
Architektur: LP Architektur; Dietrich I Untertrifaller Architekten
Bauherrschaft: Katharina und Niko Richter-Wallmann
Bauzeit: 2022 bis Mai 2024
Holzbau: Holzbau Burgschwaiger
Holzart: Fichte
Systemlieferant: Theurl-Holz
Holzmenge: 1700 m3 BSP, 300 m3 BSH, Bauholz und Holzschalungen
Fläche: 7350 m2