Auf kleinem Fuß ganz groß

Ein Artikel von Birgit Gruber | 27.05.2024 - 13:47
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Ausgezeichnet: Das Projekt erhielt in diesem Jahr den best architects award in der Kategorie Wohnungsbau / Einfamilienhäuser. © Kurt Hörbst

„Mittlerweile weiß hier jeder im Ort, wer das Haus gebaut hat und wer es bewohnt. Wenn man von konventionellen Bebauungsstrukturen abweicht, fällt das am Land ganz schnell auf“, erzählt Architekt Andreas Pühringer mit einem Lächeln über seine plötzliche Berühmtheit in Hagenberg im Mühlkreis. Denn dort hat er 2023 seinen ganz persönlichen Traum vom Eigenheim fertiggestellt. Dieser weicht in Architektur und Erscheinung vom klassischen Einfamilienhaus ab und versiegelt dabei weniger Fläche. Mit einem erstaunlich kleinen Fußabdruck mit 14 mal 6 m Grundfläche ragt es über vier Geschoße in den Himmel. Das in jeder Hinsicht eigenwillige Dorfhochhaus liegt in zweiter Reihe neben der Gemeindestraße auf einem Grundstück, das diese schlaue Art der Bebauung forderte. „Als Architekten und Planer müssen wir die Qualitäten eines Bauplatzes sofort erkennen, seine Eigenschaften filtern, konservieren und im besten Fall stärken“, erklärt Pühringer. Sein geerbter Bauplatz im Hagenberger Ortsteil Anitzberg war dahingehend sehr speziell. 

Vom Handwerk zum Studium

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Mit dem Know-how aus der Tischlerei des Vaters, konnte der Architekt in Eigenleistung den gesamten Innenausbau inklusive Küche, Möbel, Fenster und Türen durchführen. © Kurt Hörbst

In der 2900-Seelen-Gemeinde im Mühlviertel ist Pühringer aufgewachsen und sollte eigentlich die Tischlerei seines Vaters übernehmen. Diese befindet sich neben dem Wohnhaus der Eltern und Großeltern ebenfalls auf dem Grundstück. „Zudem stand dort ein alter Stadel, dessen Substanz sehr baufällig war“, weiß der Architekt. Nach dem Besuch der HTL für Innenraumgestaltung und Möbelbau in Hallstatt, kehrte er dem Handwerk jedoch den Rücken zu, um in Wien Architektur zu studieren. Schon damals erkannte er sein Talent für außergewöhnliche Bauvorhaben. Dieses kam Pühringer, der seit 2021 an dem von Peter Schneider und Erich Lengauer vor 20 Jahren gegründeten Architekturbüros beteiligt ist, jetzt bei der Errichtung seines Eigenheimes zugute.

Revitalisierung kam nicht in Frage

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„2226“ als Inspiration: Architekt Andreas Pühringer hat sich beim Bau seines Einfamilienhauses vom Bürobau in Lustenau inspirieren lassen. Aus diesem Grund hat das Gebäude 19 gleich große Fenster, die über die schwarzen Tannenbretter der Fassade verteilt sind.   © Kurt Hörbst

„Im Süden und im Osten des Neubaus befinden sich neun Meter hohe giebelständige Gebäude. Um diese Nachbargebäude zu überragen und die räumlichen Qualitäten zu maximieren, habe ich entschieden, den Neubau mit vier Geschoßen zu errichten. Durch eine geringe Gebäudegrundfläche und die geschickte Platzierung des Neubaus entsteht im Westen ein neuer Vorplatz und im Osten eine Gartenfläche“, berichtet Pühringer. Er habe zunächst eine Aufstockung oder einen Anbau am großelterlichen Wohnhaus überlegt. Auch eine Revitalisierung des alten Stadels hätte sich Pühringer vorstellen können. „Dies kam aber leider nicht infrage, da die Bausubstanz so desolat war, dass nur noch ein Abriss möglich war.“ Begeistert von der klaren Architektursprache des Lustenauer Bürogebäudes „2226“ von Baumschlager Eberle Architekten schwebte Pühringer zunächst ein Massivbau vor. Doch aufgrund seiner bereits frühkindlichen Nähe zum Werk- und Baustoff Holz kam wieder der Nachhaltigkeitsgedanke zurück. „Während der Planung hat sich sehr schnell herausgestellt, dass es die richtige Entscheidung war. Denn die Kombination aus einem Holzbau und dem Know-how aus der Tischlerei meines Vaters, mit der wir in Eigenleistung den gesamten Innenausbau inklusive Küche, Möbel, Fenster und Türen durchführen konnten, machte natürlich mehr Sinn“, freut sich Pühringer. 

Neben der Wohnnutzung, könnte ich mir zu einem späteren Zeitpunkt die Umnutzung des Gebäudes in ein Büro oder Studentenhaus vorstellen.

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Architekt Andreas Pühringer
© Kurt Hörbst

Ein Brettsperrholz-Bau durch und durch

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Schwarze Tannenbretter bilden die 400 m2-Fassade des Hauses, während das Dach mit wartungsfreien Aluminiumdachbahnen ausgeführt ist.  © Kurt Hörbst

Entstanden ist ein viergeschoßiger Baukörper, der zu 90 % aus Holz errichtet wurde. Alle Wände, Decken und Dachflächen bestehen aus insgesamt 128 m3 Fichtenbrettsperrholz. Sowohl die Fenster als auch die Portale sind aus Holz gefertigt. Ausgeführt wurde das Architektenhaus von Kapl Bau aus Bad Leonfelden. Das Gebäude verfügt über 19 gleich große Fenster. Im ersten und zweiten Geschoß wurden die Räume identisch übereinandergestapelt. „Spezielle Details beim Fenster- und Treppenbau forderten die Holzbauprofis bereits bei der Vorfertigung der Elemente im Werk“, weiß der Architekt. „Der Treppenbau war nicht nur kompliziert, sondern einzigartig, aber dank guter Planung einfach umzusetzen. In den Treppenhauswänden wurden bereits im Werk Löcher im Bereich der Trittstufen gebohrt. Auf der Baustelle wurden dann Stabdübel in die Löcher montiert und die Trittstufen auf die Stabdübel gelegt – ähnlich wie das Fach eines Möbelstücks”, erzählt Holzbau-Projektleiter Walter Mitterbaur. Mit Andreas Pühringer und seinen Kollegen hat das Unternehmen bereits zahlreiche Projekte in der Region Mühlviertel beziehungsweise Linz und Umgebung erfolgreich über die Bühne gebracht. „Gerade bei einem Projekt mit beengtem Bauplatz und herausfordernden Wetterverhältnissen ist es immer sehr wichtig, dass die Elemente termingerecht für jeden Bauabschnitt eintreffen”, lobt Mitterbaur die Zuverlässigkeit des Systemlieferanten Binderholz. „Zudem war es sehr hilfreich, dass diesmal auch die statische Berechnung und die Werkplanung vom BSP-Lieferanten bereitgestellt wurden”, weiß Mitterbaur. Ein Aufzug macht das Einfamilienhaus barrierefrei. Der Wohnbereich des Hauses mit Küche, Essbereich und überdachter Terrasse wurde im obersten Stockwerk geplant. Die darunterliegenden Geschoße sind mit Schlaf- und Sanitärräumen belegt. Im Erdgeschoß befinden sich die Doppelgarage, ein Foyer, die Garderobe und der Hauswirtschaftsraum mit Technik für die Wohnraumbelüftung. 

Insgesamt bietet das Haus eine Wohnnutzfläche von 180m2. „Die barrierefreie Ausführung und die räumliche Aufteilung des Hauses ermöglichen unterschiedlichste Nutzungsvarianten. Neben der Wohnnutzung könnte ich mir zu einem späteren Zeitpunkt die Umnutzung des Gebäudes in ein Bürohaus oder Studentenhaus vorstellen“, fügt Pühringer an. Mit einer Fachhochschule vor der Haustür gar kein schlechter Gedanke. 

Fast auf den Schallschutz vergessen

Das Haus wurde in Gebäudeklasse 4 eingestuft, die Behörden forderten deshalb einen entsprechenden Brandschutz. Damit musste sich Pühringer arrangieren. „Wegen all der Auflagen habe ich mich von Anfang an leider zu wenig mit dem Thema Schallschutz beschäftigt“, gibt der Architekt zu. „Der Schall von außen ins Haus war nie das Problem. Doch im ganz obersten Geschoß mit einer Raumhöhe von 4,50 m bis zum First war es so laut, wenn jemand gesprochen hat, dass ich nachträglich eine gerippte Akustikdecke mit 5 cm Schafwolle einziehen musste“, berichtet Pühringer. Heute weiß er: Aus Fehlern lernt man, denn die raumhohe Küche musste dementsprechend abgeschnitten und nachgebessert werden. 

Schwarz fügt sich besser in die Landschaft ein

Schwarze Tannenbretter bilden die 400 m2-Fassade des Hauses, während das Dach mit wartungsfreien Aluminiumdachbahnen ausgeführt ist. Die schwarze Färbung des Holzbaus wiederum ist seiner Höhe geschuldet. Der dunkle Baukörper fügt sich laut Pühringer nämlich zurückhaltender in die umliegende Landschaft ein, als ein weißer Baukörper es tun würde. Im Ensemble mit den Tischlereigebäuden und dem benachbarten Großelternwohnhaus generiert der Neubau tolle Außenraumqualitäten und verwandelt den Hof mit Betriebszufahrt in einen familiären Dorfplatz, auf dem das Leben pulsiert und sich mittlerweile vier Generationen einander täglich begegnen. „Besonders freut uns die Auszeichnung mit dem ‚best architects award 2024‘, die uns zeigt, dass Einfamilienhäuser mit geringem Flächenverbrauch wohl die Zukunft sind“, ist sich Pühringer sicher.

Projektdaten

Standort: Hagenberg im Mühlkreis
Bauherrschaft: Andreas Pühringer
Planung: 10/2019 - 12/2020
Ausführung: Okt. 2020 bis April 2023
Architektur: Schneider Lengauer Pühringer Architekten
Holzbau: Kapl Bau
Systemlieferant/ Tragwerksplanung: binderholz
Holzarten: Fichte, Tanne
Nutzfläche: 180 m²
Bebaute Fläche: 85 m²