Zwischen der Metropole München und dem schönen Tegernsee liegt die oberbayerische Kurstadt Bad Tölz, hierzulande auch durch einen beliebten TV-Kommissar bekannt. Im dortigen Kurviertel befand sich das bei Großstädtern beliebte Erlebnisbad Alpamare. Eine riesige Rutschenlandschaft, ein Wellenbad, beheizte Freibecken, ein Jodsolethermalbad, Sauna, Solarien und ein Dampfbad lockten Jung und Alt in die Gegend. Zum Bad gehörten auch ein Restaurant und das direkt an das Alpamare angeschlossene Hotel Jodquellenhof. 2015 wurde der gesamte Komplex aufgrund fehlender Wettbewerbsfähigkeit geschlossen. Seither befindet sich das ehemalige Thermalbad im Dornröschenschlaf. Über die Zukunft des Geländes wurde zu dieser Zeit politisch viel gestritten, aber nichts entschieden. Von Februar 2015 bis Mai 2017 waren das ehemalige Hotel und dann auch das ehemalige Bad an den Landkreis Bad Tölz vermietet, zur Unterbringung von Asylsuchenden. Seit 2018 sind Teilbereiche des Jodquellenhofs als preisgünstiges Hostel wieder geöffnet. Mit einem Gesamtkonzept wollte die Jodquellen AG als Besitzer dem seit Jahren brachliegenden Areal neues Leben einhauchen. Gelingen sollte die Reanimation mit einem Mix aus Leben, Arbeiten, Gastronomie und Kultur. Eine konkrete Umsetzung ist schwierig.
Rahmenbedingungen gut gemeistert
Im Interview berichtet auch Tobias Karlhuber von Meyer Karlhuber Architekten aus München von komplizierten Rahmenbedingungen. Die Planer erhielten von Swiss Life Asset Managers Deutschland als Bauherrn den Auftrag zur Planung eines nachhaltigen Wohnprojektes am Rande des Grundstückes. Architekten und Bauherr kannten sich gut, da sie in der Vergangenheit schon gemeinsam Bauvorhaben realisiert hatten. „Am Ende ist man froh, wenn trotz der schwierigen Ausgangssituation auch hier ein schönes Projekt gelungen ist“, hält Karlhuber fest. Die Rede ist von der neuen Wohnbebauung in der Schützenstraße, die ein einheitliches Ensemble aus zwei dreigeschoßigen Mehrfamilienhäusern bildet. Die Mehrfamilienhäuser mit 25 Wohneinheiten befinden sich in parkähnlicher Umgebung auf einem Teilstück des ehemaligen Alpamare-Geländes. „Die beiden Bauteile wurden zurückversetzt und gestaffelt angeordnet, sodass straßenseitig eine spannende bauliche Abfolge von der benachbarten Villa auf der einen Seite über die beiden Häuser bis zur Johanneskirche am anderen Ende des Grundstücks entstand. So fügt sich die neue Bebauung harmonisch in den städtebaulichen Kontext ein“, weiß Projektleiterin Colette Almesberger.
Moderne Wohnkonzepte mit Nachhaltigkeit vereint
Besonderes Augenmerk lag auf der Grundrissgestaltung der Wohnungen: Maisonettewohnungen mit einer offenen Galerie erstrecken sich zweigeschoßig unter dem Walmdach und großzügige, raumhohe Fenster, sorgen für eine optimale Belichtung in allen Etagen. © Sebastian Schels
Umso schöner ist es auch, dass die zwei Häuser von Huber & Sohn aus Bachmehring in Holzmodulbauweise über einer Tiefgarage mit 32 Stellplätzen errichtet wurden. Damit passen sie auch perfekt zur grünen Landschaft ihrer Umgebung. Das Ensemble entstand zwischen November 2019 und Dezember 2023, wobei die Bauzeit davon die kürzeste Zeit in Anspruch nahm. „Die größte Herausforderung bestand darin, die Vorgaben für Wohnungstypen, -größen und Stellplätze mit einer effizienten Holzbaustruktur zu vereinbaren. Dabei wurde besonders auf eine wirtschaftliche Umsetzung geachtet, die eine hohe Vorfertigung und den Einsatz möglichst standardisierter Bauteile ermöglichte“, erzählt Karlhuber, der schon seit 2008 mit Holz baut und die präzise Planung und Ausführung, die ein Holzbau mit sich bringt, sehr schätzt. Gerade beim Holzmodulbau könne man laut Karlhuber so kostengünstig, schnell und mit sehr hoher Genauigkeit produzieren. Entstanden ist ein Holzmodulbau mit Brettschichtholzdecken und raumhohen Wandelementen in Holzständerbauweise. Die bis acht Meter langen Außenwandelemente wurden komplett vorgefertigt mit eingebauten Fenstern samt Absturzsicherung und Sonnenschutz angeliefert und wie die großformatigen Dachelemente samt Gauben rasch aufgebaut. Die Zusammenarbeit mit dem Holzbauunternehmen lief laut Projektleiterin reibungslos. Auf die Profis sei immer Verlass gewesen und so gab es schon früh in der Planungsphase einen regen Austausch mit den Ingenieuren.
650 m3 Holz verbaut
Alle Wohnungen erhielten großzügige Freibereiche in Form von vorgestellten Balkonen sowie Terrassen im Erdgeschoß. Die Fassade wurde mit einer geschoßweise getrennten, vertikalen Holzverkleidung aus einer grau beschichteten Fichtenschalung versehen. © Sebastian Schels
Besonderes Augenmerk lag auf der Grundrissgestaltung der Wohnungen: „Maisonettewohnungen mit einer offenen Galerie erstrecken sich zweigeschoßig unter dem Walmdach und großzügige, raumhohe Fenster, sorgen für eine optimale Belichtung in allen Etagen. Die Gebäude wurden nach den Förderkriterien des KfW55-Standards konzipiert. In beiden Gebäuden wurden rund 650 m3 Holz verbaut. Durch den Einsatz von PEFC-zertifiziertem Holz konnten rund 524 t CO2 in der Konstruktion gebunden werden“, berichtet Almesberger. Die Energieversorgung erfolgt durch Nahwärme der Stadtwerke Bad Tölz. Die regional erzeugte Wärme stammt zu 95 % aus erneuerbaren Energien. Aufgrund der Gebäudehöhe musste man beim Brandschutz nach Gebäudeklasse 4 vorgehen. Dementsprechend wurde auch das Stiegenhaus in Stahlbeton ausgeführt. „Der erhöhte Schallschutz wurde durch eine zusätzliche Kiesschüttung gewährleistet“, ergänzt Karlhuber. Dieser Teil der Bauphysik würde gerade im Holzwohnbau mehr Aufmerksamkeit benötigen: „Die im Holzbau komplexen Anforderungen an den erhöhten Schallschutz konnten gut umgesetzt werden, obwohl dieses bauphysikalische Thema Investoren oft abschreckt. Aufgrund des Nachhaltigkeitsdrucks in der Branche wird man sich noch an den Baustoff gewöhnen“, ist sich der Architekt sicher. Gerade in Großstädten hätte der Baustoff Holz laut Karlhuber ein ganz großes Potenzial. „Das Thema Nachverdichtung liegt unserem Büro besonders am Herzen. In Deutschland gibt es so viele Gebäude aus den 1960er-Jahren, die problemlos mit Holz um ein bis zwei Geschoße aufgestockt werden könnten. In München kommen jetzt auch immer mehr neue Quartiersentwicklungen, wo der Holzbau eine große Rolle spielt. Diese Entwicklung begrüßen wir sehr“, meint der Architekt.
Nahe an der Natur
In den beiden Gebäuden wurden rund 650 m³ Holz verbaut. Die Konstruktion speichert dadurch dauerhaft 524 t CO2-Emissionen. Für den Bau wurde ausschließlich PEFC-zertifiziertes Holz verwendet. © Sebastian Schels
Der Holzbau in Bad Tölz kommt bei den Bewohnern jedenfalls sehr gut an, alle Wohnungen konnten verkauft werden. „Ein großes Augenmerk legten wir auf die Gestaltung der Außenbereiche. Uns war es wichtig, einen Bezug zur Natur herzustellen. So verfügt jede Wohnung über großzügige Freibereiche. Vorgestellte Balkone und Terrassen im Erdgeschoß bieten den Bewohnern private Rückzugsorte. Einheitliche Materialien sorgen für ein harmonisches Gesamtbild“, weiß Almesberger. Eine geschoßweise getrennte, vertikale Holzverkleidung aus grau lasierter Fichtenschalung gibt den Gebäuden ein zeitgemäßes und lebendiges Erscheinungsbild.
„Uns war es wichtig, dass der Holzbau auch nach außen hin erkennbar ist. Das tut dem Ort und dem gesamten Landschaftsbild gut. Ich glaube außerdem, dass eine Holzfassade weniger wartungsanfällig ist als herkömmliche Systeme“, ist Karlhuber überzeugt. Das Büro hat bereits weitere Holzprojekte in der Pipeline und freut sich über viele Nachahmer.
Projektdaten
Standort: Bad Tölz
Bauherrschaft: Swiss Life Asset Managers Deutschland
Fertigstellung: Dezember 2023
Architektur/Projektleitung: Robert Meyer und Tobias Karlhuber Architekten, Colette Almesberger (Projektleitung)
Generalübernehmer: Pfeiffer Baugesellschaft
Tragwerk: Reiser Tragwerksplanung (Entwurf bis Genehmigungsstatik); Shortlist Ingenieur:innen (Statik Ausführungsplanung)
Holzbau: Huber & Sohn
Holzarten: Buche (Unterzüge), Eiche (Parkett), Lärche (Balkon), Fichte (Fassade, Wände, Decken). Das Holz stammt aus Österreich und Deutschland.
Verbaute Holzmenge: ca. 650 m³
Volumen: 2328 m² Grundstücksfläche, 2158 m² Wohnfläche