Wolfgang Schwarzmann, Architekt und Doktorand sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Liechtenstein
Was in Österreich als Sprichwort für einen sparsamen Umgang mit Geld verstanden wird, macht auch im Holzbau Sinn. So konnten wir an einem gerade sanierten Dachstuhl in Dornbirn Balken entdecken, die zuvor in einem Stadel verbaut gewesen waren. Rechts und links von den Hölzern sieht man noch die Ausnehmungen für die Zapfen der vorigen Konstruktion. Richtig beeindruckend ist, dass der Dachstuhl bereits 160 Jahre alt ist, die Balken für die erste Aufgabe als Stadel also vor mehr als 200 bis 250 Jahren aus dem Wald entnommen wurden. Der reale Wert eines Balkens zur damaligen Zeit lässt sich nur erahnen, er muss jedoch weit höher gewesen sein, als das heute der Fall ist.
Bedenkt man, welche Sorgfalt bei diesem Aus- und wieder Einbauen an den Tag gelegt werden musste, fragt man sich, was eigentlich heute mit unserem gebrauchten Bauholz passiert. Die Komplexität aktueller Bauwerke ist natürlich höher, die Wertschätzung gegenüber einem einzelnen Baum, einem Brett, ist aber wohl noch ausbaufähig. Oft frage ich mich, was die nächste Generation von Zimmerleuten in 30 Jahren von den heute zusammengenagelten und verleimten Holzelementen sagen wird. Sicher ist aber, dass die Tausenden, bündig versenkten Magazinnägel so einfach wohl niemand mehr herausziehen wird.
Das Unglaubliche am Holzbau, an den Zimmerleuten, den Sägewerken, den Planungsbüros und vielen Weiteren ist aber, dass sie die Fähigkeit besitzen, auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Das Tückische an Krisen ist dabei, dass sie immer von einer unerwarteten Flanke angreifen. Das Unglaubliche am Holzbau, an den Zimmerleuten, den Sägewerken, den Planungsbüros und vielen Weiteren ist aber, dass sie die Fähigkeit besitzen, auf neue Herausforderungen zu reagieren. Diese Form der Weiterentwicklung ist zwar nur bedingt freiwillig, der damit verbundene Lernerfolg aber unumstritten. So waren es erst diese Unsicherheiten, die neue bzw. alte regionale Netzwerke wieder aufblühen ließen. Der Preis und die Qualität des nahe liegenden Sägewerkes konnten plötzlich wieder konkurrieren, dafür war das Holz zu einem ausgemachten Zeitpunkt am Hof. Das Wissen und die Erfahrung der Menschen ermöglichten eine prompte Reaktion und ersetzten die nicht lieferbaren OSB-Platten zum Beispiel mit einer Diagonalschalung.
Quo vadis … also, wo geht’s hin?
Wenn wir nur auf die letzten drei Jahre zurückblicken, ist klar, dass unser Leben auch in der kommenden Zeit vor größeren Herausforderungen stehen wird. Während die personellen und wirtschaftlichen Unsicherheiten des ersten Lockdowns viele Betriebe herausforderten, erweiterte sich das Chaos bald durch Preisschwankungen und Lieferschwierigkeiten am Baustoffmarkt. Gerade in diesem Frühjahr, als sich die Pandemie und die damit verbundenen Auflagen etwas zu lockern schienen, fällt Russland in die Ukraine ein. Abgesehen von der humanitären Katastrophe werden Handelsgüter wie Gas oder sibirische Hölzer nun an der politischen Grenze gestoppt.
Nur wenn jemand über vergangene Praktiken Bescheid weiß, kann dieses Wissen neu in den Prozess gebracht werden.
Neue Maschinen und Werkzeuge können den Handwerkenden in dieser Herausforderung eine Entlastung auf der körperlichen Ebene bieten. Abbundroboter fräsen Holzknoten, die bei handwerklicher Fertigung nicht mehr leistbar wären. Die dadurch mögliche Reduktion von 8 auf nur noch 2 Schrauben in einer Eckverbindung ermöglicht den Betrieben wieder mehr Spielraum. Diese Weiterentwicklung benötigt jedoch eine zentrale Ressource: das Wissen aller in den Prozess involvierten Handwerker, Planer und Menschen, die kreativ und offen neue Lösungen schaffen. Die Fähigkeit, auf historische Vorbilder zurückzugreifen, stützt sich dabei auf eine gute und tiefe Ausbildung in dem jeweiligen Beruf. Nur wenn jemand über vergangene Praktiken Bescheid weiß, kann dieses Wissen neu in den Prozess gebracht werden. Diese Bibliothek an alternativen Lösungen hat dabei gerade in der Corona-, der Baustoff- und jetzt der Ukrainekrise neue, möglicherweise alte Wege gezeigt.