holzbau austria ergriff in Innsbruck im Rahmen der Veranstaltung IHF (Internationales Holzbauforum) die Chance, die Koryphäe der Brandschutzforschung und Tragwerksplanung inmitten von rund 2900 Holzbauenthusiasten zu den aktuellen Themen des Holzbaus zu befragen. Warum für Frangi die Hochhausbauten die Kirsche auf der Torte sind, wo der Holzbau Gesetz ist und warum die Schweiz weltweit bald über die höchste Dichte an Mehrgeschoßern verfügt, erzählt er im Interview.
Die Schweiz zeigt sich in Sachen Holzhochbau außergewöhnlich. Warum?
2005 gab es in der Schweiz die erste große Änderung hinsichtlich der Brandschutzbestimmungen im Holzbau. Ab da waren Bauten bis zu sechs Geschoßen möglich. 2015 kam dann die volle Liberalisierung. Das heißt, dem Holzbau sind heute normativ keine Höhengrenzen gesetzt. Das Regelwerk wird so dem Stand der Technik gerecht.
Grundsätzlich ist Feuer nicht das Problem von Holz. Ich spreche hier den gesicherten Abbrand an. Die Schweiz hat diese Erkenntnis ins Regelwerk übersetzt. Warum klappt es in anderen Ländern mit der Normenanpassung noch nicht?
Grundsätzlich: Ich verstehe die Behörde und den Bauingenieur, die die Verantwortung für die Tragstruktur tragen. Deshalb müssen wir auch gemeinsam mit den Behörden die Vorschriften gestalten und ändern. Wir alle wollen brandsichere Gebäude. Die Holzbaubranche kann sich eine Brandkatastrophe nicht leisten. Wäre der Grenfell Tower [2017: Hochhausbrand in London mit 72 Toten, Anm. der Redaktion] ein Holzbau gewesen, hätte es die Entwicklung des Holzbaus um 100 Jahre zurückgeworfen. Die Vorsicht ist deshalb für mich verständlich. Dass wir in der Schweiz fähig sind, Hochhäuser zu bauen, ist das Ergebnis jahrelanger Entwicklung, Forschung, Qualitätssicherung, Ausbildung und der Zusammenarbeit mit Hochschulen und Behörden. Die Professionalität der ausführenden Unternehmen gibt zudem Vertrauen in die Fertigung und Montage.
Im Jahr 2012 fiel der Startschuss des Holzhochbaus in Österreich mit dem LCT One in Dornbirn bei 27 m. Derzeit stehen wir beim Rekordhalter Ascent mit 86,6 m in Milwaukee. Wohin geht die Reise?
Dass wir immer wieder Grenzen nach oben verschieben, liegt in der Natur des Menschen. Wir an der ETH glauben, dass Gebäude bis 150 m ohne aussteifenden Betonkern realistisch sind. Ab einer bestimmten Höhe muss sich aber die Frage der Sinnhaftigkeit stellen. Holzhochhäuser über 60 m sind meiner Meinung nach nur die Kirsche auf der Torte. Bestand zu sanieren, das ist die weitaus dringlichere Aufgabe und wenn wir neu bauen, dann nachhaltig. Hier sind dann eher Fünf- bis Achtgeschoßer in Quartieren gefragt. Hier kann der Holzbau einen guten Beitrag leisten.
Ebenfalls einen guten Beitrag kann der Holzbau im Segment Aufstockung leisten.
Das stimmt. Das ist eine Anwendung, wo der Holzbau aufgrund seiner Leichtigkeit Gesetz ist. Vor allem auch Aufstockungen über mehrere Etagen auf Mehrgeschoßern sind sicherlich zukunftsträchtig.
Dass wir die Grenzen im Holzhochhausbau immer weiter nach oben verschieben, liegt in der Natur des Menschen.
© Kathrin Lanz
Noch einmal zurück zur Grenzverschiebung in der Schweiz. Hier geht es aktuell knapp an die und sogar über die 100 m hinaus.
Zurzeit in Bau ist der „Tilia Tower“ in Lausanne [85m, Anm. d. Red.]. In Regensdorf entsteht ein 75 m hohes Holzhaus namens „Zwhatt“. Dessen Bau hat ebenfalls bereits begonnen. Beide sind Holzhybridgebäude. Darüber hinaus sind weitere Hochhäuser in Planung, beispielsweise in Winterthur der Hybrid „Rocket“ [100m, Anm. d. Red.] sowie in Zug „Pi“ [80m, Anm. d. Red.]. Das wird ein reines Holzgebäude, Stand heute. Wenn all diese Objekte bis 2028 einmal fertiggestellt sind, dann haben wir in der Schweiz – wohlgemerkt nicht in absoluten Zahlen, sondern auf die Bevölkerungszahl aufgerechnet – bald die höchste Dichte an Holzhochhäusern weltweit.
Wo liegen die Gründe hierfür?
Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon ist in Hinblick auf die allgemeine Ablehnung gegenüber Hochhausbauten in der eigenen Nachbarschaft die höhere Akzeptanz der Schweizer, wenn ein Hochhaus innovativ, also als Holzbau, gebaut wird. Die Investoren steigern mit der Holzbauweise die Chancen auf eine Baubewilligung. Zudem geraten diese immer stärker unter Druck, nachhaltig zu bauen.
Wo liegt Ihre Rolle bei den Schweizer Hochhausprojekten?
Wir begleiten viele dieser Projekte, weil in ihnen sehr viel Innovation verpackt ist. Das ist mutig von den Verantwortlichen, erfordert zugleich Unterstützung. Das kann sich in Versuchen für die Entwicklung der Aussteifungsstrategie äußern, in Push-out-Tests für innovative Decken, in der engen Zusammenarbeit mit Bauingenieuren sowie der persönlichen Beratung auf Bauherrenseite. Da geht es aber eher darum, Vertrauen zu geben und Sicherheit zu schaffen.
Ein weiteres Forschungsthema an der ETH ist die Anwendung von Laubhölzern. In welchem Ausmaß geben Sie diesem Thema Zukunft?
Laubholz beginnt dort, wo Nadelholz endet. Mechanische Eigenschaften betreffend, haben wir gesehen, in welcher Liga beispielsweise die Baubuche spielt. Deshalb gibt es auch Forschung betreffend HBV-Decken mit Laubhölzern, und zwar mit Buche oder Birke.
Wo liegt ihr derzeitiger Forschungsschwerpunkt?
Immer noch im Brandschutz. Aber es geht in eine etwas andere Richtung: Was passiert in einem realen Brand? Was passiert, wenn die Feuerwehr nicht kommt oder die Sprinkleranlagen nicht funktionieren? Heutzutage können wir die Räume trotz sichtbarer Holzoberflächen so konzipieren, dass der Brand sich von selbst auslöscht. Ein sogenanntes „Burn-out“ oder „self-extinguishing fire“. Einige Länder verlangen solche Nachweise. Gleich mehrere Projekte gibt es im Bereich der Robustheit und Aussteifung von Gebäuden. Wenn man eine Stütze des Gebäudes wegnimmt, sollte es möglich sein, die Lasten auf die übrigen umzulagern. Neben dieser Grundlagenforschung geht die Entwicklung gemeinsam mit der Wirtschaft weiter: zum Beispiel stirnseitige Verklebung, Verklebung von Holz mit Beton und Rückbaubarkeit von Verbindungsmitteln.
Zur Person:
Prof. Dr. Andrea Frangi ist seit 2010 Professor für Holzbau am Institut für Baustatik und Konstruktion an der ETH Zürich. Unter anderem ist er Mitglied des Schweizer Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) und Präsident der Normenkommission SIA 265 „Holzbau“ sowie Präsident von TC250 SC5 WG4 (Eurocode 5, Holzbau, Working Group „Structural Fire Design“) und Mitglied von TC250 HGF (Horizontal Group Fire), um nur einige seiner Funktionen zu nennen. Zudem ist Frangi Mitglied der Lignum Schweiz und Co-Präsident von Swiss Wood Innovation Network (S-WIN).
Die Schweiz zeigt sich in Sachen Holzhochbau außergewöhnlich. Warum?
2005 gab es in der Schweiz die erste große Änderung hinsichtlich der Brandschutzbestimmungen im Holzbau. Ab da waren Bauten bis zu sechs Geschoßen möglich. 2015 kam dann die volle Liberalisierung. Das heißt, dem Holzbau sind heute normativ keine Höhengrenzen gesetzt. Das Regelwerk wird so dem Stand der Technik gerecht.
Grundsätzlich ist Feuer nicht das Problem von Holz. Ich spreche hier den gesicherten Abbrand an. Die Schweiz hat diese Erkenntnis ins Regelwerk übersetzt. Warum klappt es in anderen Ländern mit der Normenanpassung noch nicht?
Grundsätzlich: Ich verstehe die Behörde und den Bauingenieur, die die Verantwortung für die Tragstruktur haben. Deshalb müssen wir auch gemeinsam mit den Behörden die Vorschriften gestalten und ändern. Wir alle wollen brandsichere Gebäude. Die Holzbaubranche kann sich eine Brandkatastrophe nicht leisten. Wäre der Grenfell Tower [2017: Hochhausbrand in London mit 72 Toten, Anm. der Redaktion] ein Holzbau gewesen, hätte es die Entwicklung des Holzbaus um 100 Jahre zurückgeworfen. Die Vorsicht ist deshalb für mich verständlich. Dass wir in der Schweiz fähig sind, Hochhäuser zu bauen, ist das Ergebnis jahrelanger Entwicklung, Forschung, Qualitätssicherung, Ausbildung und der Zusammenarbeit mit Hochschulen und Behörden. Die Professionalität der ausführenden Unternehmen gibt zudem Vertrauen in die Fertigung und Montage.
Im Jahr 2012 fiel der Startschuss des Holzhochbaus in Österreich mit dem LCT One in Dornbirn bei 27 m. Derzeit stehen wir beim Rekordhalter Ascent mit 86,6 m in Milwaukee. Wohin geht die Reise?
Dass wir immer wieder Grenzen nach oben verschieben, liegt in der Natur des Menschen. Wir an der ETH glauben, dass Gebäude bis 150 m ohne aussteifenden Betonkern realistisch sind. Ab einer bestimmten Höhe muss sich aber die Frage der Sinnhaftigkeit stellen. Holzhochhäuser über 60m sind meiner Meinung nach nur die Kirsche auf der Torte. Bestand zu sanieren, das ist die weitaus dringlichere Aufgabe und wenn wir neu bauen, dann nachhaltig. Hier sind dann eher Fünf- bis Achtgeschoßer in Quartieren gefragt. Hier kann der Holzbau einen guten Beitrag leisten.
Ebenfalls einen guten Beitrag kann der Holzbau
im Segment Aufstockung leisten.
Das stimmt. Das ist eine Anwendung, wo der Holzbau aufgrund seiner Leichtigkeit Gesetz ist. Vor allem auch Aufstockungen über mehrere Etagen auf Mehrgeschoßern sind sicherlich zukunftsträchtig.