Es braucht eine eierlegende Wollmilchsau

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 20.01.2023 - 10:06

Derzeit arbeitet Rellstabs Team an der Harmonisierung des Holzbau-Bildungssystems. Was steckt dahinter und inwiefern nützen die Bemühungen dem einzelnen Zimmerer? holzbau austria hat sich erkundigt.

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Christoph Rellstab, Leiter der Höheren Fachschule Holz in Biel und Mitglied der Departementsleitung der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau, ist Vorsitzender der Timber Construction Europe-Kommission Bildung. © Kathrin Lanz

Stichwort Fachkräftemangel: Was ist das Problem?
Es herrscht der Grundtenor, dass man in den Holzbau nur über die Lehre einsteigen kann. Wenn aber die Ausbildungspyramide, wo Lehrlinge das Fundament bilden, immer geringer wird, muss man dieses System aufbrechen. Dazu brauchen wir eine gewisse Offenheit. Die zweite Frage, die wir uns stellen müssen, ist: „Welche Erwartungen haben 20-Jährige?“ Wichtig sind Themen wie Zeit für die Familie, Sinnhaftigkeit der Arbeit – die Work-Life-Balance also. Ohne das zu werten, glaube ich, dass im Holzbau sehr viel vorhanden ist, was auf diese Bedürfnisse zutrifft.

Warum entscheiden sich dann nicht viel mehr Jungendliche für eine Karriere im Holzbau?
In den Köpfen herrscht eine veraltete Vorstellung vom Berufsbild Zimmerer/Zimmerin. Diese hinkt der Realität 20 oder 30 Jahre nach. Wir müssen daran arbeiten, das aktuelle Berufsbild in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir können den jungen Leuten einen Job anbieten, der klimafreundlich ist, Zukunft hat, in der man Perspektive hat und sich in verschiedenste Richtungen entwickeln kann. Das können nicht alle Branchen behaupten. Wichtig ist darüber hinaus natürlich die Lohnpolitik. Ich sehe es als Branchenaufgabe, dass wir rentabler werden und unsere Mitarbeitenden daran teilhaben lassen. Ich weiß, das ist ein relativ heikles Thema.

Wenn wir eine Antwort auf das Thema Fachkräftemangel finden wollen, müssen wir mehr Leute für den Holzbau begeistern und dafür die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten schaffen.


Prof. Christoph Rellstab

Ein weiterer Schlüssel ist die Ausbildung.
Natürlich, es braucht die entsprechenden Kompetenzen. Wenn wir eine Antwort auf das Thema Fachkräftemangel finden wollen, müssen wir mehr Leute für den Holzbau begeistern und dafür die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten schaffen. In einem stark wachsenden Markt braucht es aber zusätzlich Leute, die das Auftragsvolumen jetzt stemmen. Ich mache mir nichts vor. Wenn wir keinen Wohlstandsverlust hinnehmen wollen, dann müssen wir ab sofort verstärkt in Richtung Digitalisierung und Automatisierung gehen.

Im Moment arbeitet die TCE-Kommission Bildung an der Harmonisierung der international unterschiedlichen Systeme. In welcher Form?
Unter dem Titel „EQF Timber“, dem Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, arbeiten wir daran, die Berufsbildung und ihre Inhalte in den europäischen Ländern transparenter darzustellen und damit besser vergleichbar zu machen. Wir evaluieren verschiedene Ausbildungsgrade. Was können beispielsweise die österreichischen Zimmerer und Zimmerinnen im Vergleich zu jenen aus Belgien? Welche Abschlüsse gibt es überhaupt und wie ist die Ausbildung aufgebaut? Auf welcher Stufe steht das Meisterniveau, welche Qualifikationen hat ein Polier/eine Polierin? Inwiefern hat ein Land Vorarbeit geleistet, auf die wir gemeinsam zurückgreifen können? Wir arbeiten, überspitzt formuliert, an der eierlegenden Wollmilchsau.

Welches Ausbildungssystem führt zu dieser?
Wir setzen uns europaweit für das duale Bildungssystem ein und arbeiten daran, dieses anzugleichen beziehungsweise zu verbessern. Dafür haben wir ein Netzwerk aufgebaut, um uns hinreichend austauschen zu können. In Bezug auf den starken Fachkräftemangel sind wir speziell gefordert. Hat eine Person beispielsweise Holzbaukompetenzen, aber keinen Abschluss, soll künftig die Möglichkeit bestehen, das Können auf einfachem Wege kategorisieren zu lassen. Wir sind überzeugt, dass das der richtige Weg ist.

Was hat der einzelne Zimmerer davon?
Unsere Anstrengungen kommen indirekt den Zimmerern und Zimmerinnen zugute. Wir wollen Bildung export- und importfähig machen. Das heißt, die Möglichkeiten schaffen, im Ausland zu arbeiten sowie die Einstellung von ausländischen Fachkräften zu vereinfachen. Das hilft Fachkräften bei der Job- bzw. Betrieben bei der Mitarbeitersuche. Und nicht nur das: Qualitätssicherung spielt eine ebenso große Rolle. Die weiteren Kommissionen Technik und Normung setzten sich ebenso ganzjährig dafür ein, dass wir auf europäischer Ebene unsere Anliegen vorantreiben. Das kommt nur zustande, wenn man sich gut vernetzt. 

Was macht die TCE-Bildungskommission?

Diese ist für die Information und Koordination in allen Bildungsbelangen auf europäischer Ebene zuständig. Sie validiert und vergleicht die länderspezifischen Bildungssysteme und Ausbildungsgänge. Nach Bedarf führt sie europäischer Projekte wie zum Beispiel die Harmonisierung von Ausbildungsgängen, die Organisation gemeinsamer Bildungsgänge, die Evaluation von Lehrmitteln und Berufsbildern durch.