Wie Holzbau das Leben begleitet

Ein Artikel von Doreen Rehmer-Jeitler | 03.11.2025 - 09:48
Portrait_Doreen Rehmer.jpg

Doreen Rehmer-Jeitler, Architektin (Dietrich Untertrifaller Architekten) © Dietrich Untertrifaller Architekten

Viele Projekte entstehen aus dem Wunsch heraus, eine vorhandene Struktur zu erneuern oder zu erweitern. Bestand mit konstruktivem Holzbau zu ergänzen, kann eine sehr stimmige und bereichernde Synthese sein. An Bestehendes anzuknüpfen heißt auch, flexibel auf gegebene oder unvorhergesehene Situationen zu reagieren und sich an diese anzupassen. Der Holzbau schafft hier sowohl technisch als auch in der Wirkung eine solide Brücke. Dabei erzählt jedes Gebäude eine eigene Geschichte, es bringt eigene Konstruktionen und Anschlüsse mit. Die Herausforderung für uns Planende ist, die Anknüpfungspunkte genau zu definieren und die ergänzenden Strukturen kompatibel zu gestalten.

Daher bleibt der Holzbau trotz seines hohen Grades an Vorfertigung ein Handwerk, das nicht blind reproduzierbar oder bedingungslos standardisiert ist. Gerade im Zusammenhang mit Bestand sind die Ergebnisse so vielfältig, wie die gewachsene Umgebung selbst. Glücklicherweise hat sich die Bauweise, die früher eher im kleinen Maßstab Anwendung fand, technisch sehr stark weiterentwickelt. Brettsperr- und -schichtholzelemente erweitern das Spektrum konstruktiver Lösungen aus Holz. Hybridbauweisen erlauben die Anwendung in höheren Gebäudeklassen. Auch im Bereich des Brandschutzes oder der Haustechnik gewinnen wir Erkenntnisse, Produktentwicklungen und Akzeptanz. Wir schaffen es heute, mit einem nachwachsenden Rohstoff Aufgaben zu lösen und Typologien zu bedienen, die früher dem Massivbau vorbehalten waren. 

Wieder eine Parallele zur menschlichen Biographie, denn Architektur begleitet immer auch Lebensstationen. Wir erleben so etwas wie einen bewussten Alltag erstmals im Kindergarten oder der Volksschule. Die späteren Lern- oder Arbeitsumgebungen prägen unsere ästhetische Wahrnehmung, auch unterbewusst. Im Wohnungsbau findet sich auch im urbanen Kontext zunehmend der Wunsch nach Atmosphäre, Wärme und einem gutem Raumklima. Den konstruktiven Holzbau so viel wie möglich auch sichtbar zu belassen – das ist trotz aller bauphysikalischen Anforderungen unser Anspruch, den wir stets mit planerischer Präzision erfüllen. Davon zeugen einige Projekte.

In der ältesten Waldorfschule Wiens knüpft unsere Erweiterung in Holzbauweise direkt an das denkmalgeschützte, straßenseitige Bestandsgebäude und schafft ein besonderes Ensemble aus Alt und Neu. Für die Kinder bleibt das Holz samt weiterer Naturmaterialien wie Lehmbauplatten im Innenausbau allgegenwärtig sicht-, spür- und erlebbar. Meine Kollegen und Kolleginnen setzten sich bei einem großen Schulprojekt im Großraum Paris dafür ein, Bestand zu erhalten und um einen Holzskelettbau stimmig zu ergänzen. Die auch in den Klassenräumen sichtbaren Stützen und Träger zeugen vom – in dem Maßstab, der Region und der Typologie vielleicht noch – ungewöhnlichen Ansatz. Ein weiteres schönes Beispiel ist ein Wohnungsbauprojekt, das ich persönlich in Salzburg begleiten und umsetzen durfte. Es zeigt die Vielseitigkeit, Wertigkeit und die Emotion, die wir mit dem Material verbinden. Dass Holz selbst rückbaubar und wiederverwendbar ist, schließt den Kreislauf, den auch das Leben vorgibt.