Über 3000 Teilnehmende aus mehr als 40 Nationen fanden den Weg zum 29. Internationalen Holzbau-Forum in Innsbruck. © Jan Kulke
Innsbruck erwies sich aus Sicht der Veranstalter erneut als optimaler Austragungsort. „Für das Internationale Holzbau-Forum ist Innsbruck ein idealer Standort, zentral in Europa gelegen, hervorragend erreichbar und getragen von einer sehr guten Zusammenarbeit mit dem Team der Congress Messe Innsbruck. Wir fühlen uns hier bestens aufgehoben“, erklärte Uwe
Germerott, Geschäftsführer Forum Holzbau.
Schwerpunkte entlang der Wertschöpfungskette
Das ausführliche Programm deckte über drei Tage hinweg zentrale Fragestellungen des aktuellen Holzbaus ab. Der erste Kongresstag mit fünf parallel stattfindenden Prologformaten stand im Zeichen der Wohnbauwirtschaft, der Ressourcenverfügbarkeit sowie der biodiversitätsorientierten Projektentwicklung.
Am zweiten Tag rückten die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Holzbaus in den Fokus. Internationale Projekte sowie Diskussionsforen boten Raum für den Vergleich unterschiedlicher Märkte und regulatorischer Ansätze.
Der dritte Tag rückte die konstruktive Praxis noch mehr in den Fokus. Vorgestellt wurden herausragende Ingenieur- und Hallenbauwerke sowie mehrgeschossige Holzbauprojekte aus aller Welt. Ein weiterer Programmpunkt war der Holzbau im Kontext der Weltausstellung 2025 in Osaka.
Branchentreff mit positiver Grundstimmung
Die Stimmung unter den Teilnehmenden wurde durchwegs als gut und zuversichtlich beschrieben. Das Internationale Holzbau-Forum (IHF) bestätigte seinen Status als Pflichttermin für Architekturbüros, ausführende Unternehmen und Industrie. Neben dem fachlichen Austausch spielte das Networking eine zentrale Rolle – für viele ist das IHF ein etablierter Treffpunkt für den persönlichen Austausch innerhalb der Branche. „Das IHF ist Branchentreff, Netzwerkaustausch und Freunde treffen“, fasste es ein Besucher treffend zusammen.
Zugleich wurde die Veranstaltung auch für Newcomer im Holzbausegment wahrgenommen. Das Forum bot einen breiten Überblick über aktuelle Trends, technologische Entwicklungen und international realisierte Holzbauprojekte.
Zentrale Trends im Holzbau
In den Vorträgen und Diskussionen kristallisierten sich mehrere übergreifende Trends heraus:
eine zunehmende Vereinfachung von Bauprozessen, insbesondere durch modulares Bauen,
ressourcenschonende Holzbauweisen mit hohem Vorfertigungsgrad,
die fortschreitende Systematisierung, Automatisierung und Digitalisierung in Planung und Produktion,
sowie die wachsende Bedeutung der CO2-Emissionen, verbunden mit Kreislaufwirtschaft und zirkulärem Bauen.
Angesichts der Vielzahl an Vorträgen und Diskussionen ist eine umfassende Berichterstattung nicht möglich. Im Folgenden fassen wir daher ein aus redaktioneller Sicht besonders relevantes Diskussionsforum zusammen.
Closing the Loops! – Zirkuläres Planen und Bauen im (Holz)Bau
v. li.: Prof. Dr. Maren Kohaus, Prof. Andreas Heinzmann, Prof. Dr. Anja Rosen, Samuel Paulsen, Prof. Dr. Philipp Dietsch, Katharina Rieger, Markus Steppler, Oliver Seidel © Jan Kulke
Das Diskussionsforum „Closing the Loops!“ befasste sich mit der Frage, was die Transformation vom „linearen“ zum „zirkulären“ Bauen verhindert und wie man kreislauffähiges Bauen in die Breite bringen kann. Moderiert wurde die Runde von Prof. Andreas Heinzmann und Prof. Dr. Maren Kohaus (Technische Hochschule Rosenheim). Das hochkarätige Podium bestand aus Katharina Rieger (Concular), Prof. Dr. Philipp Dietsch (Karlsruher Institut für Technik), Markus Steppler (Derix),
Samuel Paulsen (Vonovia), Prof. Dr. Anja Rosen (Fachhochschule Münster) und Oliver Seidel (baubüro in situ, zirkular). Damit war die gesamte Branche von der Planung über die Herstellung und Ausführung, den Bauteilvertrieb, die Forschung und Tragwerksplanung bis hin zur Immobilienwirtschaft abgedeckt.
Kurzstatements
Eröffnet wurde der Diskussionsreigen mit Kurzstatements der Teilnehmer. Den Beginn machte Seidel, der darauf hinwies, dass in der Schweiz zurzeit so viel abgerissen wird, wie nie zuvor – dort habe man ein größeres Abfallaufkommen als in Deutschland. Sein Appell: „Wir dürfen ab sofort nicht mehr abreißen!“
Steppler berichtete daraufhin von einer sogenannten Rückbaustelle in den Niederlanden, denn Derix hat sich zur Rücknahme seiner Bauteile verpflichtet. Sein Schlusssatz: „Wer Baukosten senken will, muss zirkulär bauen.“
Rieger befindet in ihrem Statement, dass zirkuläres Bauen eigentlich kein neues Thema sei, in unserer Gesellschaft aber aufgrund des Wohlstands verlernt wurde. Sie versteht Gebäude als temporäre Lagerflächen für Bauteile und sagt: „Durch klare Prozesse und Standardisierung wird Kreislaufwirtschaft vom Pilotprojekt zum Standard.“
Prof. Dr. Dietsch verweist darauf, dass das Bauen im 20 Jahrhundert mit Kleben, Schweißen und Gießen nicht auf Lösbarkeit ausgelegt war. Traditionelles Bauen hingegen funktionierte mit Fügen, Stecken und Dübeln – darauf sollte man sich im 21. Jahrhundert wieder besinnen, man müsse Verbindungen und deren Lösbarkeit beherrschen. „Effizient, sicher, demontierbar – Formschluss statt Kraft- und Stoffschluss weist den Weg ins zirkuläre Bauen“, bringt er es auf den Punkt.
Paulsen stellte die serielle Modernisierung und Sanierung aus der Perspektive der Immobilienwirtschaft vor. Für ihn ist Holzbau der Schlüssel für echte Nachhaltigkeit – aber nur, wenn wir ihn skalieren. In seinen Augen müssen wir den Wandel industrialisieren, nicht nur diskutieren.
Prof. Dr. Rosen, die den Urban Mining Index entwickelte, verortet leider noch viel Greenwashing im Bereich des zirkulären Bauens. Sie beendete die Vorstellungsrunde mit einem Denkanstoß: „Erhalten und wiederverwenden – dann schließt sich der Kreis – auch beim Holz. Und wie kommen wir aus unserer Blase heraus?“
Zentrale Kernaussagen
Im Anschluss wurde rund eineinhalb Stunden intensiv über das Thema Kreislaufwirtschaft und zirkuläres Bauen diskutiert. Folgende Punkte kristallisierten sich dabei als zentral heraus:
- Entscheidend ist, bereits heute CO2 einzusparen, indem Wiederverwendung und Erhalt forciert und Neuproduktion möglichst vermieden werden.
- Bauen mit recycelten Materialien und Bauteilen ist nicht nur technisch möglich, sondern eröffnet auch gestalterische Spielräume. Re-use und Re-manufacturing werden sich in der Praxis kombinieren.
- Der entscheidende Anreiz für zirkuläres Bauen liegt in der Ökonomie. Bauherrschaften müssen Kosten über 20, 30 oder 40 Jahre betrachten. Beispiele zeigen: Re-use kann zunächst teurer erscheinen, wird jedoch wirtschaftlich, sobald Umweltfolgekosten einbezogen oder Primärressourcen knapper und teurer werden.
- Nicht alles ist technisch oder wirtschaftlich sinnvoll rückbaubar oder wiederverwendbar. Wenn Rückbau oder Recycling deutlich teurer sind als Neubeschaffung, stößt Zirkularität an Grenzen.
- Praktische Projekte sind entscheidend. Wer ausprobiert, gewinnt Erkenntnisse, die Wirtschaftlichkeit belegen und andere Akteure motivieren können.
- Zirkuläres Bauen ist datenintensiv. Der Zustand und Wert von Bauteilen lässt sich oft erst beim Rückbau feststellen. Frühzeitige Informationen über Abbruchzeitpunkte sind entscheidend, um Materialien weiterverwenden zu können.
- Wiederverwendung hängt stark von Zulassungen, Bürokratie und politischen Vorgaben ab. Zusätzlich braucht es Garantien oder Reservierungsmodelle für Bauteile, um Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen.
- Architekten spielen eine Schlüsselrolle: Gute Visualisierungen und Entwürfe können die Haltung von Investoren verändern und Erhalt, Re-use sowie Suffizienz attraktiver machen.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, das zirkuläres Bauen ein Zusammenspiel aus wirtschaftlichen Anreizen, frühzeitiger Planung, regulatorischen Anpassungen und gestalterischer Qualität erfordert. Der größte Hebel liege dabei nicht nur im Wiederverwenden, sondern im konsequenten Erhalten und Reduzieren.