Qualität des Waldes in die Räume bringen

Ein Artikel von Kathrin Lanz | 29.05.2020 - 10:47
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Baubiologe Alfred Ruhdorfer
© ecofairbau

Sie beschäftigen sich intensiv mit Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft – vor allem auch mit dem Thema Bauen. Worauf kommt es Ihnen dabei an?

Es wird heute viel von sogenannter Nachhaltigkeit und Regionalität geredet. Fakt ist aber: Wir kommen so schwer von der Theorieebene in die Praxis. Es passiert keine ernsthafte Korrektur in Sachen Ökologie. Mein Ansatz war und ist es, das zu ändern. Deshalb starteten wir mit dem Verein ecoforma bereits 2012 in einer Modellregion im Mühlviertel mit Fokus auf gesunde ökologische Lebensräume zu bauen den Versuch, die Hürden zu entlarven. Ist ein Wandel hin zu einer ökologischen Kreislaufwirtschaft überhaupt möglich?

Nun, acht Jahre später – wo liegen die Hürden?

Ein ganz wesentlicher Aspekt ist, dass Projekte so früh als möglich ganzheitlich betrachtet werden müssen. Das betrifft nicht nur den Holzbau, sondern die gesamte Kreislaufwirtschaft. Wir sind in einem Spezialistentum verfangen und es fehlt an Akteuren, die darauf achten, dass ein Gesamtüberblick hergestellt wird. Es bräuchte sogenannte „Regisseure“, die diesen haben. Das fängt in den einzelnen Ministerien an und zieht sich über die Gemeinde- oder Regionsebene bis hin zum Handwerk. Das sind eindeutig Hürden.

Wo setzt man am besten an, um das zu verändern?

Unsere bürokratische Struktur sitzt dermaßen fest, dass der Raum für echte Innovationskraft nicht gegeben ist und Akteure an dieser Haltung förmlich ersticken. Hier müsste man ansetzen.

Also ist die Modellregion gescheitert?

So würde ich das nicht sagen. Wir haben das Potenzial aufgezeigt, das gegeben wäre. Vor allem, was das Bauen betrifft. Wenn wir über regionale Ressourcen sprechen, sind wir ja ganz schnell beim Holzbau. Wir haben einen Holzbau aufgestellt, der zu 100 % Dienstleistungen und zu 80 % Ressourcen aus der Region nutzte.

Trotz des großen Aufschwungs des Holzbaus in den vergangenen Jahren bleibt ökologisches Bauen ein politisches Randthema. Wie schaffen wir es, das zu ändern?

Das ist eine absolute Bildungs- und Bewusstseinsfrage. Wenn hier nicht wirklich der Hebel angesetzt wird, können wir nicht erwarten, dass große Veränderungen passieren. Wenn wir weiter glauben, dass wir mit Hochmut über allem stehen, dann werden wir die „Klimarechnung“ präsentiert bekommen. Ausgangspunkt meines Denkens und Handelns ist der Wald als „Präventionsarzt“ schlechthin. Wenn ich seine Luftqualität und Atmosphäre in die Räume bringe, bin ich richtig unterwegs. Und wenn jeder weiß, dass der Baum für uns eine Lebensgrundlage bildet und den Wald in seiner tiefen Bedeutung erfasst, werden wir unsere Umgebung ganz anders begreifen. Wir sollten unseren Kindern diese Lebensgrundlagen und die Zusammenhänge wieder lehren und zum Beispiel Kindergärten bauen, wo der Baum und Holz tragende erlebbare Elemente sind.

Sie sprechen von Raumqualität. Was verstehen Sie darunter?

Lebensraumqualität beginnt für mich nicht erst beim Gebäude. Wir müssen beim Boden ansetzen. Er ist die Grundlage für nachwachsenden Rohstoffe. Deshalb ist es so wichtig, dass auch die Bau- und nicht nur die Lebensmittelbranche Verantwortung für diese Ressource übernimmt. Wenn dies nicht alle von Beginn an mitdenken, befinden wir uns schon in der falschen Kreislaufspirale. Denn wenn der Anfang falsch ist, wird das Ende nie richtig sein.

Wie müssen aber Räume sein, damit sie gesund sind?

Wir müssen die hohe Qualität des Holzbaus auch in die Innenräume bringen. Zumindest sollten wir jene so natürlich, so nahe an der Qualität des Waldes wie nur möglich behutsam bearbeiten. Darunter verstehe ich einen elektrosmogfreien Raum mit natürlichen Oberflächen. Um genau zu wissen, auf welche Faktoren es ankommt, müsste man noch weitere Fakten sammeln und viel mehr Forschungsarbeit betreiben. Wir haben zu diesem Thema eine umfassende medizinische Studie durchgeführt, die die positiven gesundheitlichen Aspekte von gesunden Schlafräumen belegt. Bisher blieb sie unveröffentlicht. In diesem Bereich sehe ich Riesenpotenzial als Argumente pro Holzbau. Aber Baubiologie ist in Österreich keine anerkannte Ausbildung – dem ist schon die Wertigkeit dieses Themas evident.

Hinzu kommt: Nicht jeder Bau, der sich ökologisch nennt, ist es tatsächlich.

Da gibt es so viele Begriffsverfälschungen und einiges zu korrigieren oder zu optimieren, das stimmt. Wenn man zum Beispiel bei Ausschreibungen schon regionale Wertschöpfung einfordert sowie Gesundheits- und Lebenszyklusaspekte mitdenkt, dann kommt man einer ökologischen Umsetzung näher. Hier sind auch die Bürgermeister und Bauakteure des ganzen Landes gefordert. Dass dies kein leichter Prozess ist, ist mir klar. Im Moment müssen wir die überzeugen, die eigentlich uns überzeugen müssten. Deshalb braucht man so viel Energie für diesen Prozess.

Könnte die derzeitige Krise nicht eine Chance für den Holzbau und die regionale Wertschöpfung sein?

Jetzt, nach Corona wäre die Chance groß, den Wald und den Holzbau noch intensiver in Stellung zu bringen. Denn die Innenräume der Zukunft müssen erholungs- und regenerationsfähige Lebensräume werden, da wir uns vermehrt drinnen aufhalten. Die Frage wird sich für jeden von uns stellen, ob wir unser Immunsystem damit stärken oder schwächen, indem wir uns in gesunden oder ungesunden Räumen aufhalten. Darüber hinaus messe ich die Qualität einer Region daran, wie gut sie mit ihren innovativen Kräften, auch mit ihren „Spinnern und Träumern“, umgeht. Je mehr Raum solche Menschen kriegen, desto besser wird es einer Region gehen.

Zur Person

Alfred Ruhdorfer ist Baubiologe und bekleidet seit 15 Jahren leitende Funktionen im Bereich Baustoffproduktion sowie im  Vertrieb mit dem Schwerpunkt auf historischen und ökologischen Baustoffen. Er war in der Vergangenheit in Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für Haus-, Putz-, Dämm- sowie Bodenaufbausysteme mit Kalk oder Lehm und in umweltmedizinische Forschungen eingebunden. Neben der Leitung des Unternehmens Bau Innovation Alternativ, war er auch Vizepräsident des Baubiologischen Instituts in Linz. Seit vier Jahren leitet er als Initiator das erste österreichische Kompetenzzentrum für gesunde ökologische Kreislaufwirtschaft in Sarleinsbach im Bezirk Rohrbach und will dort aufzeigen, dass es in allen Fällen wirtschaftlicher ist, nachhaltig und ressourcenschonend zu bauen.