Experimenteller Holzbau im Wald

Ein Artikel von Birgit Gruber | 28.10.2020 - 12:29

Diemerstein ist eine kleine Wohnsiedlung im Pfälzerwald, der zur Ortsgemeinde Frankenstein im Landkreis Kaiserslautern gehört. Bekanntheit erlangte der Ort als zeitweiliger Wohnsitz des Eisenbahningenieurs Paul Camille von Denis. Die Technische Universität Kaiserslautern ist dort mit der Villa Denis und dem dazugehörenden Gästehaus (Tagungsort und Sitz der TU-Stiftung) vertreten und darüber hinaus Pächterin eines unbebauten Grundstückes am Taleingang. Auf der zur Verfügung stehenden Fläche mit 3700 m2 (zwei Baufelder) soll in einem ersten Projekt ein Versuchslabor für innovativen und experimentellen Holzbau entstehen. Der „T-Lab Campus Diemerstein“ soll zukünftig Raum für eine angewandte Holzbauforschung mit Versuchsbauten im Maßstab 1:1, Workshops, Summer Schools und vielem mehr bieten. Die Finanzierung erfolgt durch die Stiftung der TU Kaiserslautern sowie aus dem LEADER-Programm der Europäischen Union. Entwurf, Planung und Umsetzung erfolgt in einem interdisziplinären Team mit Forschenden, Lehrenden und Studierenden.

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Die Konstruktion wurde vollumfänglich den Anforderungen an die umweltverträglichen, zirkulären Wertschöpfung nach Effizienz, Konsistenz und Suffizienz entsprechend entwickelt. © Nicolai Becker Images

Ein neuer Holzbaucampus entsteht

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Das Tragwerk der Werk- und Forschungshalle besteht aus 13 Dreigelenkrahmen aus Buchen-Furnierschichtholz. © Nicolai Becker Images

Den Auftakt des neuen Holzbaucampus soll eine Werk- und Forschungshalle bilden. Für die Primärkonstruktion, die Fassade sowie den Ausbau des rund 360 m2 großen Gebäudes kommt Holz zum Einsatz. Alle Bauteile sollen lösbar und wiederverwendbar sein. „Die Elemente des Tragwerks, der Hülle und des technischen Ausbaus bleiben ablesbar. Der Neubau bezieht seine architektonische Gestalt aus der Forderung nach konsequenter Kreislaufwirtschaft aller Bauprodukte, Bauelemente und Bauteile“, weiß Prof. Jürgen Graf. Die Grundlagen der Planung sowie das Entwurfskonzept wurden in mehreren gemeinsamen Lehrveranstaltungen der Fachgebiete Baukonstruktion und Entwerfen (Univ.-Prof. Stephan Birk) sowie Tragwerk und Material (Univ.-Prof. Jürgen Graf) mit Studierenden entwickelt. Die konstruktive Besonderheit von reversiblen Bauteilanschlüssen fußt auf diversen Forschungsergebnissen des T-Lab-Verbundes.

Ringknoten aus Kunstharzpressholz

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Modell der neuen Forschungshalle. © Bernhard Friese

Für das Primärtragwerk kommen erstmals hocheffiziente Ringknoten aus Kunstharzpressholz zum Einsatz, deren Entwicklung auf eine am T-Lab verfasste Dissertation (Röver 2020) zurückgeht. Die weitere integrale Planung erfolgt bis ins Detail durch die beiden Fachgebiete sowie mit Unterstützung von externen Partnern, u.a. der Technischen Hochschule Bingen (Prof. Andreas Winkels und Prof. Martin Pudlik).

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Für das Primärtragwerk kommen erstmals hocheffiziente Ringknoten aus Kunstharzpressholz zum Einsatz. © Nicolai Becker Images

Auf Stahlbeton wird verzichtet

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Architekturmodell Werk- und Forschungshalle für den T-Lab Campus Diemerstein. © Bernhard Friese

Das Hallentragwerk besteht aus 13 Dreigelenkrahmen aus Buchen-Furnierschichtholz  im Abstand von 2,5 m. Die Dreigelenkrahmen werden durch die vertikalen und horizontalen Lasten aus dem Dach- und Wandtragwerk beansprucht und übernehmen auch die Queraussteifung der Halle. Das Dach- und Wandtragwerk besteht aus einschichtigen Brettsperrholz-Elementen. Sie dienen auch der Längsaussteifung. Die Gebäudehülle als Ganzes besteht aus vorgefertigten dreischichtigen Bauelementen – Weichfaserplatte, Konterlattung, Schindelfassade. Diese vorgefertigten Module werden reversibel auf den BSP-Platten befestigt. Im Bereich der Bodenplatte und Fundamente will man auf Stahlbeton verzichten. „Das Bauwerk schließt nach unten mit einer selbsttragenden, aufgeständerten 200 mm starken BSP-Bodenplatte ab. Aktuelle Forschungen zu Kriechkellerkonstruktionen haben gezeigt, dass unter Beachtung ausreichender Lüftung und ausreichendem Schutz gegenüber Bodenfeuchte, eine derartige Konstruktion dauerhaft ist“, weiß Graf. Bodenplatte und Rahmentragwerk gründen auf Schraubfundamenten. Die bauliche Umsetzung wird mit ausgesuchten Unternehmen sowie unter Beteiligung der Studierenden als Design-Build-Projekt durchgeführt. Der Baubeginn ist noch für 2020 geplant.

Quelle: TU Kaiserslautern