Schallschutz ist zentrales Thema

Ein Artikel von Raphael Zeman | 16.11.2020 - 12:09
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Bauingenieur Dr. Ulrich Hübner © Gerhard Fally

Sie sind Referent für Forschung und Normung. Wie läuft Ihre Arbeit beim Fachverband ab?
In der Normung bin ich hauptsächlich für Holzbau und Produkte zuständig und darüber hinaus in den Schallschutz involviert. Das Verhältnis Normung – Forschung würde ich derzeit etwa bei 2 – 1 einordnen. Die Themengebiete sind teils sehr spezifisch, daher kommen Forschungsfragen oft aus einer Gruppe, zum Beispiel dem Kompetenzbereich Umwelt oder der Berufsgruppe Säge. Dabei gibt es sowohl Forschungsprojekte mit als auch ohne Fördermittel. Der Fachverband tritt dann wahlweise als verantwortlicher Projektabwickler oder auch nur finanzieller Unterstützer auf. Manchmal unterstützen wir auch nur mit einem Letter of Intent und treiben so die Projektanbahnung voran.

Was sind derzeit die heißesten Themen in der Normung betreffend den Holzbau?
Hier würde ich zwischen Österreich und Europa unterscheiden. National wird gerade die ÖNORM B 8115 Schallschutz überarbeitet. Die wichtigste Änderung ist dabei, dass zukünftig keine Anforderungen mehr in der ÖNORM zu finden, sondern der OIB vorbehalten sind. Außerdem werden Klassen für den erhöhten Schallschutz eingeführt. Dem liegt ein Berechnungssystem zugrunde, das sowohl die Einwirkungen von außen, z.B. Verkehrs- oder Fluglärm, als auch die unterschiedlichen Anforderungen im Innenraum, z.B. im Bad oder Schlafzimmer, berücksichtigt. Man kann dadurch flexibel reagieren. Liegt mein Bauteil beispielsweise zum ruhigen Innenhof hin, gelten andere Empfehlungen als zur lauten Straße. Dies gilt auch innerhalb sowie zwischen den einzelnen Nutzungseinheiten. Zudem wird ein Spektrumsanpassungswert für tiefe Frequenzen und die Resonanzfrequenz aufgenommen.
 
Also werden die tiefen Frequenzen verstärkt berücksichtigt?
Sozusagen. Hier haben sich die Bundesinnung, der Fertighausverband und der Fachverband zusammengeschlossen und eine Stellungnahme eingereicht. Ursprünglich hätte der Trittschallschutz verschärft werden sollen, das konnten wir verhindern. Die Klasse C entspricht nun den OIB-Vorgaben, die Klassen A und B können bei Interesse natürlich auch vereinbart werden. Nächstes Jahr werden wir diesbezüglich einen Katalog für nachweisfreie Konstruktionen erarbeiten.
 
Und was ist europaweit zentrales Thema?
Derzeit werden die neuen Eurocodes entwickelt, die 2025 erscheinen sollen. Das ist ein großes Projekt, bei dem Österreich sowohl im Hauptkomitee als auch in verschiedenen Arbeitsgruppen vertreten ist. Hier hat man einen Vorteil, weil in den nationalen Anhängen viele Bereiche schon vorgedacht wurden, die jetzt auf europäischer Ebene in allen Mitgliedstaaten anwendbar werden. Das könnte nicht nur österreichischen Firmen nützen, sondern fördert auch den Wissenstransfer im Holzbau insgesamt. Denn die Universitäten richten ihre Lehre am Eurocode aus. Dann wächst eine neue Generation von Experten, Architekten, Bauingenieuren und Holzbau-Meistern heran, die international dieselbe technische Sprache sprechen.

Österreich spielt dabei eine maßgebliche Rolle?
Ja, im DACH-Raum herrscht traditionell ein hohes Handwerks- und Bildungsniveau. Zudem hat Österreich einen sehr fleißigen Spiegelausschuss, der die Dokumente der europäischen Arbeitsgruppe kommentiert. Das ist ein wichtiges Tool für die gemeinsame Willens- und Meinungsbildung der einzelnen Länder. Österreich ist hier wie eine Vorband für das europäische Konzert und wird international wahr- und ernst genommen.
 
Wie schätzen Sie die Leistungskraft der österreichischen Holzbaubranche ein?
Das Land hat eine sehr lange Tradition im Holzbau, er ist Teil der Kultur. Die Vorteile der heimischen Branche sind der starke zentrale Verband sowohl bei den Holzbau-Meistern als auch der Industrie, die regelmäßige Finanzierung durch die Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer und die guten Strukturen. Am wichtigsten ist aber das vorhandene Know-how. In den letzten rund 20 Jahren haben sich die Firmen mit Mut und Weitblick extrem gut entwickelt. In jedem Glied der Wertschöpfungskette braucht man gute Leute und in Österreich zieht sich das hohe Niveau durch. Das sieht man auch in Ausbildung und Kultur bzw. der Einstellung der Menschen mit ihrem Hang zum ökologischen Bauen. Die Entwicklung in Österreich ist bereits weit gediehen. Die Holzindustrie exportiert ca. 70 %, den Großteil davon in den europäischen Binnenmarkt. Auch deswegen profitiert man, wenn sich die Regeln international angleichen.
 
Und die Bildung ist ein treibender Faktor für den Erfolg der österreichischen Branche?
Ja, ich denke, das duale Ausbildungssystem ist hier sehr wichtig. Mit den Universitäten, Fachhochschulen und den HTLs ist man hier gut aufgestellt. Nun gilt es, Trends, wie die Digitalisierung und Lebenszyklusanalysen, aufzugreifen und die Menschen zeitgerecht in diese Richtung auszubilden.
 
Was bräuchte es darüber hinaus?
Auf europäischer Ebene erarbeiten wir derzeit den Vorläufer einer Norm (Technical Specification) zum Holz-Beton-Verbund. Wenn man etwas weiter gespannte Decken hat und Schallschutz eine Rolle spielt, arbeiten jetzt viele nach Zulassungen, aber in ein paar Jahren wird es in Richtung Standardisierung und einer europäischen Norm gehen. Momentan aber stockt die europäische Produktnormung und das betrifft die gesamte Baubranche. Holz- und Betonindustrie haben in einigen Bereichen gemeinsame Interessen und die Baustoffe werden sich in Zukunft noch stärker mischen. Es geht in Richtung eines optimierten Zusammenarbeitens – Materialien dort einzusetzen, wo es Sinn macht. Zudem werden wir ein Holzhaus nie in die Erde stellen, Fundament und Keller werden immer aus mineralischen Baustoffen sein. Es nützt der nächsten Generation auch nichts, wenn wir lauter Einfamilienhäuser in Holz und Passivbaustandard in die grüne Wiese stellen. Es geht um eine Sinnhaftigkeit des Bauens an sich und den Einsatz jenes Baustoffes, der die jeweiligen Aufgaben am besten erfüllt.
 
Sie plädieren also für Zusammenarbeit?
Ich denke, man sollte eher versuchen, vom Gegenüber zu lernen und ein wenig Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft. Wo wir aber energisch auftreten müssen, ist bei den Lifecycle-Berechnungen. Hier werden teilweise Randbedingungen so verschoben, dass die Vorzüge des Holzbaus nicht mehr berücksichtigt werden. Schlussendlich aber gewinnt Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung, weswegen automatisch mehr nachwachsende Rohstoffe von der Dämmung bis zur Tragkonstruktion zum Einsatz kommen werden.