Die Zeit ist reif für den Holzbau

Ein Artikel von Raphael Zeman | 21.12.2020 - 11:35
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Tragwerksplaner Dr. Richard Woschitz © SCHAU Magazin/Tanja Hofer

Wie ist es um den Ingenieurholzbau im urbanen Raum bestellt?
Wenn man den urbanen Raum betrachtet, erkennt man, dass hier in den letzten Jahren der Ingenieurholzbau im Wohnungsbau die ersten Schritte gemacht hat. Die von proHolz Austria ausgelobte Student Trophy hat mit ihren Beispielen der innerstädtischen Aufstockungen gezeigt, dass eine Bewusstseinsbildung passiert. Dies ist dadurch begründet, dass man die Vorzüge der Bauweise erkannt hat, die durch einen hohen Grad an Vorfertigung und ein intelligentes Zusammenfügen auf der Baustelle gekennzeichnet ist. Dadurch bekommt aus meiner Sicht das Kriterium Qualitätssicherung einen anderen Stellenwert, der durch das Produzieren in der witterungsgeschützten Halle sichergestellt wird.

Konnten Sie ein solches Wohnbauprojekt bereits umsetzen?
Hier möchte ich das GEQ (Gesundheitsquartier) Sonnwendviertel nennen, wo bereits bei den vorgefertigten Wandelementen die Fassade montiert wurde. Beim Bauträgerwettbewerb Waldrebe, wo die Bauweise in Holz oder Holzhybrid vorgegeben war, konnten wir gemeinsam mit dem Bauträger Frieden und dem Architekturbüro Rüdiger Lainer + Partner den Wettbewerb gewinnen. Wir haben an dem Pojekt einen neuen Denkansatz präsentiert, den wir als „OBSYS“, also „offenes Bausystem“ dargelegt haben. Wir wollten damit den Ansatz zeigen, dass das Holzbausystem, welches von uns Planern ausgearbeitet wurde, nicht in der weiteren Folge durch den Holzbaugeneralunternehmer geändert wird, jedoch aber den Bieterkreis für den Bauträger nicht einschränkt.

Gibt es, abgesehen vom Wohnungsbau, positive Anzeichen für die Einkehr des Holzbaus im städtischen Bereich?

Durchaus. Eine weitere interessante Entwicklung sehe ich natürlich im Schulbau und bei Kindergärten. Hier hat die Stadt Wien in ihrer Schulbauoffensive einige Beispiele erfolgreich in Holz umgesetzt, zum Beispiel den Kindergarten Pötzleinsdorf. Auch bei den Sportstätten tut sich etwas, sodass die Themen der Zukunft für mich Wohnen, Bildung, Sport und Gesundheit sind und dem Holzbau eine große Chance bieten. Gerade beim Thema Gesundheit wünsche ich mir, dass man den Holzbau im Deckenbereich in Sicht anwendet, da die Patienten üblicherweise liegen und der Blick damit auf das Holz fällt. Das wirkt beruhigend, man hat das Gefühl, in der Natur zu sein.

Beeinflusst das den Gesundungsprozess?
Wissenschaftlich ist es noch nicht belegt, aber ich denke, diese Frage sollte man erforschen. Das wäre ein weiteres Argument, um den Wald in die gesunde Wohnatmosphäre zu bringen: die Holzoberfläche zeigen, damit man den Werkstoff sehen, riechen und damit genießen kann.

Welche Erfahrungen haben Sie vom HoHo mitgenommen?
Wir wollten mit dem Projekt die gleichwertige Tragfähigkeit gegenüber mineralischen Baustoffen aufzeigen. Als Beispiel seien hier die Stützen im Hoho genannt, die gleichwertig die hohen Lasten im Hochhausbereich analog den Betonstützen sehr wohl abtragen können. Beim 24-Geschosser haben wir außerdem das von mir sogenannte „Lego-Grundprinzip“ angewandt: Das Zusammenfügen der vorgefertigten Elemente Holz-Beton-Verbunddecke, Randunterzug, vorgefertigte Wandelemente inklusive eingebauter Fensterelemente und Tragstützen wurde demonstrativ gezeigt. Meine Erfahrung war, dass das logistische Zusammenfügen dieser Elemente ein wichtiges Thema der Zukunft sein wird.

Konnten Sie dieses System auch schon auf andere Projekte anwenden?
Die Erfahrungen und Ansätze des Hoho finden bereits ihre Weiterentwicklungen beim Projekt HAUT in Amsterdam sowie beim Wohnhausprojekt Waldrebe. Ich glaube, es ist wichtig, dass es nicht bei sogenannten Leuchtturm- oder Pilotprojekten, wie das Hoho eines ist, bleiben darf. Die Erkenntnisse daraus müssen in anderen Projekten ihre Anwendung finden. Die Kernaussteifung und den Kern mineralisch zu bauen und den Holzbau anzudocken, sehen wir bereits an mehreren Wohnhausprojekten. Ein wesentliches Thema der Zukunft wird jedoch das gesamtheitliche Denken im Bauwerk sowie das gesamtheitliche Planen sein. Die Zuständigkeit der Holzbauingenieure sollte sollte nicht nur die Bemessung, sondern primär die richtige Konstruktionswahl und Fügetechnik in Abstimmung mit einer Logistikplanung sein. Es braucht einen neuen Bauprozess. Die Stadt der Zukunft wird aus autarken Vierteln bestehen. Da sehe ich auch Chancen für den Holzbau, wenn es um Energiethematiken, CO2-Belastungen, klimaneutrales und ökologisches Bauen geht.

Die Regierung hat eine Holzbauoffensive angekündigt. Was erwarten Sie sich davon?
Ich erwarte mir ein Bekenntnis zur Unterstützung der Bauwirtschaft. Das ist wirtschaftspolitisch ein sehr brisantes Thema für mich. Aufgrund des Klimawandels gehe ich prinzipiell von einem vermehrten Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen aus. Ich denke aber, dass es keinen politischen Zwang, sondern einen Anreiz und eine Attraktivierung durch Boni geben sollte. Mich selbst verstehe ich als Ziviltechniker, der sehr wohl ein klares Bekenntnis zum Holzbau hat, aber keine Lobbyisten-Rolle einnehmen darf oder will. Die Bauweise der Zukunft ist für mich hybrid.

Man kann also davon ausgehen, dass endlich mehr Holz- bzw. Hybridbauten in der Stadt Einzug halten werden?
Mit Sicherheit. Die Spöttlgasse ist jetzt rund 20 Jahre her, neuere Projekte sind das HoHo sowie die Wohnbauten Waldrebe und jene im Sonnwendviertel. Dort sehen wir die ersten sechsgeschossigen Holz-Hybrid-Wohnbauten. Ich denke, die Zeit ist reif für den mehrgeschossigen, großvolumigen Holzbau. Durch die Bewusstseinsbildung einerseits und die Weiterentwicklung der Bausysteme und die damit gesteigerte Konkurrenzfähigkeit andererseits erwarte ich mir mehr großvolumige Holzwohnbauten in den kommenden Jahren.