Prüf- und Warnpflicht im Holzbau 

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 29.10.2021 - 08:55
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Dr. Bernd Haintz, Wirtschaftskammer Steiermark © Wirtschaftskammer Steiermark

Soweit aus dem OGH-Urteil ableitbar, ging es um die Errichtung eines Dachstuhls und mutmaßlich um eine untaugliche Unterkonstruktion, errichtet von einer Baufirma. Der Streitwert betrug knapp 290.000 €.

Die Prüf- und Warnpflicht der beklagten Zimmerei wäre nach Ansicht der Klägerin „vor der Montage des Dachstuhls dahin gegeben gewesen, dass die Belastbarkeit aller Bauteile nicht gegeben sei“. Sie bezog sich damit auf eine Prüfung des bereits ausgeführten „Untergrunds“ für den Dachstuhl. Natürlich sind, rechtlich gesehen, die Vorarbeiten zu prüfen, aber doch nicht in dieser „Intensität“. Die Vorinstanzen hatten daher keine Verpflichtung zur eingehenden Überprüfung gesehen. Ob das (tatsächlich anders als geplant) ausgeführte (gesamte) unterliegende Werk während der Bauphase auf „die Belastbarkeit aller Bauteile“ hin inspiziert werden muss, wurde abgelehnt.

Es steht auch lt. OGH fest, dass eine Prüfung, ob der Stahlbetonrost (als Teil des im Rahmen der Baumeisterarbeiten hergestellten „Untergrunds“) selbst ausreichend dimensioniert ist (und daher das Mauerwerk ausreichend „zusammenhält“), durch den Holzbauunternehmer nicht nötig ist. Ebenso wenig, ob er ausreichend nach unten verankert ist sowie weiter nach unten reichende Bauteile – bis zum Fundament (!) hin – geeignet sind, die aus dem Dach auftretenden Lasten bis in den Baugrund schadensfrei abzuleiten.  Nach der in der Baubranche üblichen Vorgehensweise des Zimmerers wird dies alles nicht vorgenommen.

Man versuchte vonseiten des Prozessgegners, auf die Verfahrensnorm (!) B 7215 als Argument zu verweisen, wonach die Prüf- und Warnpflicht verletzt wurde. Grundsätzlich ist bei Normen die Judikatur gleichlautend, dass nämlich davon auszugehen ist, dass in technischen Normen die üblichen Sorgfaltsanforderungen zusammengefasst sind, die es zu beachten gilt. Wenn man sich an dieses technische Regelwerk hält, so muss der Prozessgegner beweisen, dass hier dennoch nicht lege artis vorgegangen wurde, etwa weil die Norm veraltet und überholt wäre. Diese im Prozess zitierte ÖNORM enthält allerdings als Ergänzung zu der ÖNORM A 2050 „Vergabe von Aufträgen…“ als Verfahrensnorm insbesondere Hinweise für die Ausschreibung und die Erstellung von Angeboten sowie für die hierzu erforderliche Abfassung von Leistungsbeschreibungen. Diese ÖNORM ist eben nur im Zusammenhang mit den jeweiligen ÖNORMEN über die technische Planung eines Bauvorhabens zu sehen und zu vereinbaren. Die Bestimmungen sollen dazu dienen, projektgemäße Lösungen ausführungsgerecht zu gestalten, leistungsbezogene Preise ohne umfangreichere Vorarbeiten zu erstellen und die Vergleichbarkeit von Angeboten zu verbessern. Sie war hier aber nicht Vertragsgegenstand und nicht als solcher gedacht. Somit ein doch „ungewöhnlich“ anmutender Versuch, zumal auch kein konkreter  Hinweis zitiert wurde, warum diese Norm die Prüf- und Warnpflicht umschreibt.

Tatsächlich ist diese vertragliche Verpflichtung in der B2215 wie folgt geregelt:
Die Prüfung erstreckt sich unter Berücksichtigung der vorgesehenen Ausführungsart auf den vorhandenen Untergrund mit branchenüblichen, einfachen Methoden (z.B. Augenschein, Messlatte, Maßband, Nivelliergerät).

Diese Vorgangsweise entspricht als Maßstab der Branchenüblichkeit im Holzbau, und würde klar Antwort geben hinsichtlich der Grenzen der Untersuchungspflicht im gegenständlichen Gerichtsfall.