Schweigen im Vertragsrecht

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 06.12.2021 - 10:41
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Ausgangspunkt war im konkreten Fall, dass der klagende Auftraggeber die Beklagte beauftragte, auf Grundlage eines Schätzungsanschlags, der Gesamtkosten von 125.900 € netto auswies, näher umschriebene Bauarbeiten auszuführen. Nach Beginn dieser Arbeiten wurde dem Kläger per E-Mail von der Baufirma eine neuerliche Kalkulation übermittelt, die Mehrleistungen im Ausmaß von 36.000 € ergab. In dieser E-Mail wurde ausgeführt, dass mittlerweile sämtliche Unklarheiten bezüglich Planung und Statik abgeklärt seien und daher davon auszugehen sei, dass keinerlei Unbekannte oder Überraschungen bei der Ausführung des Bauvorhabens zu erwarten sind. Extraleistungen, die erst künftig gewünscht würden, seien in der Kalkulation natürlich nicht berücksichtigt, so in der Nachricht.

Die Frage, die sich dann stellte, war, ob durch Verschweigen des Bauherrn diese Mehrkosten akzeptiert wurden. Das Gericht entschied auf „ja“, denn es kam keine ablehnende Reaktion und es wurden zusätzlich anstandslos Teilrechnungen bezahlt. Damit konnte man durchaus dieses Verhalten als Zustimmung interpretieren. Grundsätzlich ist jedoch das Schweigen auf ein Vertragsanbot weder Annahme noch Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung, wie der OGH immer wieder urteilt. Das zuvor  verwendete „grundsätzlich“ heißt damit aber auch, dass es Ausnahmen gibt.

Bloßes Stillschweigen kann nämlich unter besonderen Umständen, wie hier in diesem Fall geschildert, doch die Bedeutung einer Zustimmung haben. Entscheidend dafür ist, dass das Gegenüber dem Schweigen seines Partners schlechterdings keine andere Bedeutung als jene der Zustimmung beilegen kann. Stillschweigen ist dort als Zustimmung zu werten, wo Gesetz, Verkehrssitte oder Treu und Glauben eine Pflicht zum Handeln auferlegen. Dies ist nun eine sehr allgemeine und damit sehr auslegungsbedürftige Umschreibung, also ähnlich dem viel zitierten sogenannten Gummiparagrafen. Eine Deutung von Stillschweigen als Zustimmung ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn das vorgeschlagene Geschäft oder der Inhalt für den Schweigenden ausschließlich vorteilhaft ist. In all den Fällen, wo man beurteilen soll, was mit Nichtreaktion gemeint ist, meint der OGH aber, dass bei einer Deutung „besondere Vorsicht“ geboten ist! Dies deshalb, weil die Gefahr besteht, dass sonst Äußerungen unterstellt werden, die nicht im Sinn des Vertragspartners gelegen sind.

Etwa will in einem anderen Fall das Gericht im Zuge der Beweiswürdigung eines Gespräches einiges an „Hintergrund“ sehr genau wissen, wie etwa die Feststellung des genauen Wortlauts der Fragen und des Wortlauts allfälliger Antworten bzw. eine genaue Beschreibung des Verhaltens (sogar allenfalls auch der Gesten oder sonst ausgedrückter Reaktionen). Sehr wesentlich, so an anderer Stelle, wird es nämlich auf den Inhalt und die Art der Fragestellung einerseits und auf die Reaktion des Beklagten andererseits ankommen.

Besonders strenge Anforderungen an die Bedeutung eines als Stillschweigen zu qualifizierenden Verhaltens sind dann zu stellen, wenn etwa eine vorgeschlagene Änderung des Rechtsgeschäftes die Interessen des Vertragspartners spürbar nachteilig beeinträchtigt.

Es kann daher abschließend festgehalten werden, dass der oft sehr salopp schriftlich formulierte Zusatz „bei fehlender Rückantwort nehmen wir Zustimmung an“ in dieser Form auf seine Gültigkeit zu hinterfragen ist.