Zur Statik im Holzbau gehört auch die Knotenstatik

Ein Artikel von Dr. Bernd Haintz | 19.04.2022 - 08:51
Portrait_BerndHaintz.jpg

Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Eine Holzkonstruktion versagte bei einem Sturm mehrere Jahre nach dem Bau. Die Versicherung deckte vorab den Schaden des Versicherungsnehmers, der hier Auftraggeber war, und wollte sich dann beim Holzbauunternehmen regressieren. Der Auftraggeber, selbst Zimmerer, hatte den Betrieb zunächst mit der Erstellung der Planung, der Statik und des Holzauszugs für die Holzkonstruktion eines Stallgebäudes beauftragt – später zusätzlich mit dem Abbinden des von ihm beigestellten Holzes über die  Abbundanlage.

Bei der Montage wurden vom Unternehmen ein Vorarbeiter und ein Zimmerer beigestellt. Es wurde dabei sämtliches abgebundenes Holz und die Verbindungsmittel geliefert. Der Kunde arbeitete auf der Baustelle mit „eigenen“ Hilfskräften. Ihnen wurde vom Vorarbeiter des Holzbauunternehmens erklärt, wie die Schrauben einzubringen sind.

Jahre später, lange nach Ablauf der Gewährleistungsfrist, kam es zu einem Sturm mit Böen von rund 120  km/h. Die abhebenden Kräfte aus der Windeinwirkung waren wesentlich größer als die Eigengewichtslasten der Holzkonstruktion des Stallgebäudes. Die Sicherung gegen diese abhebenden Kräfte war nicht ausreichend, sodass die Dachkonstruktion von den Auflagern abgehoben und verschoben wurde.

Konkret versagten zwei Verbindungen, nämlich die Verankerung der Pfetten auf den Stützen sowie die Verbindungen an den Aufstandspunkten der Stützen auf den unteren Balken. Diese wesentlichen Knoten der Holzkonstruktion waren konstruktiv unzureichend ausgeführt und unterdimensioniert. Es fehlten zugfeste Verbindungen an den Aufstandspunkten der Stützen. Die Befestigung der Pfetten auf den Stützen mit einer Schraube parallel zur Faserrichtung war nicht normgemäß und damit unzureichend. Diese Verbindungen hätten durch seitliche Blechlaschen verstärkt werden müssen. Wären die Knotenverbindungen ordnungsgemäß ausgeführt gewesen, wäre der Sturmschaden nicht aufgetreten. Zur Statik im Holzbau gehört aber auch eine Knotenstatik, welche die Verbindungsmittel vorgeben muss, meinte das Gericht bzw. der Sachverständige. Somit fehlte hier eine ausreichende statische Berechnung, da ohne Knotenstatik. Sturmschaden: 38.000 €!

 

Bereits das Erstgericht ließ es nicht gelten, dass letztere Statik nicht gesondert beauftragt worden wäre. Denn wenn es wirklich so gewesen wäre, hätte es einer entsprechenden Warnung bedurft. Zusätzlich, so das Berufungsgericht, war ja auch der Vorarbeiter anwesend und gab  Hinweise bzgl. der Montage,  ohne auf die fehlenden Seitenlaschen aufmerksam zu machen. Die unzureichende und nicht normgemäße Befestigung der Pfetten auf den Stützen mit nur einer Schraube parallel zur Faserrichtung ging somit klar auf die falsche Anweisung des Vorarbeiters zurück. Angesichts des vom Vorarbeiter mitgelieferten Eisenzeugs, das weder seitliche Blechlaschen noch andere Verbindungselemente enthalten hat, hätte der Mitarbeiter der Holzbaufirma diesen Umstand entweder mitteilen oder die Anweisung geben müssen, die Verbindungen mit zwei Schrauben diagonal schräg zur Holzfaser herzustellen.

Der OGH verwies darauf, dass bei dieser ursprünglichen Bestellung zuzüglich zu den Hauptleistungspflichten (Lieferung von abgebundenem Material und Verbindungsmittel aufgrund statischer Berechnungen) auch Nebenleistungspflichten auftreten, zu denen insbesondere auch Informations- und Aufklärungspflichten gehören. Zum Beispiel über das Fehlen der Knotenstatik oder vollständige Anweisungen bei der Montage. Die schuldhafte Verletzung solcher Nebenpflichten durch Vertragspartner löst Schadenersatzansprüche aus. Und hier gilt ja die dreißigjährige Verjährungsfrist im Gegensatz zur dreijährigen Gewährleistungsfrist. Erstere kam dann auch zum Tragen.

Auch ging die Behauptung des beklagten Unternehmens ins Leere, der Kunde hätte bewusst auf eine Knotenstatik verzichtet. Das war so nicht beweisbar. Zusätzlich war es für das Höchstgericht nicht glaubhaft, dass der Bauherr selbst „einzig und alleine“ entschieden hätte, die erforderliche Art der Holzverbindung zu wählen. Eine Mitschuld des Kunden wurde damit auch verneint.