Wenn man es mit Gewährleistungsansprüchen übertreibt

Ein Artikel von Bernd Haintz | 11.08.2022 - 09:40
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Dr. Bernd Haintz © Wirtschaftskammer Steiermark

Ausgangspunkt in diesem Fall sind Sanierungsarbeiten nach einem Wasserschaden. Dafür trat ein Generalunternehmer (GU) auf, welcher Maler-, Bodenleger- und Trocknungsarbeiten übernahm. Die Laminatböden wurden von einem Subunternehmer verlegt, was auch unter anderen Klagsgegenstand war. Der Auftraggeber des GU monierte nämlich, dass der Boden unsachgemäß verlegt wurde und es zu Wölbungen kam, sodass die Türe sich nicht schließen ließ. Außerdem wäre der Bodenbelag minderwertig. Es wurden die Kosten der Sanierung in der Höhe von 1.700 € geltend gemacht.

Eine Möglichkeit, vom beauftragten Unternehmen die Verbesserung durchführen zu lassen, wurde nicht eingeräumt, sondern unmittelbar ein Dritter mit dem Entfernen und Neuverlegen beauftragt. Dass der zur Verbesserung bereite Bodenleger unzulässigerweise übergangen wurde, bedeutete auch, dass nur 330 € ersetzt werden, denn kalkulierterweise wären dies die Kosten für einen ausreichenden Entlastungsschnitt im Boden gewesen. Wiewohl es schon die gesetzliche Vermutung gibt, dass ein innerhalb von sechs Monaten auftretender Mangel bereits bei der Übergabe vorhanden ist – Gegenbeweis zulässig –, muss dennoch der Auftraggeber beweisen, dass ein Mangel als solcher vorliegt. Auch muss er dartun, dass innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist der Mangel auftrat. Dies ist hier allerdings nicht gelungen. Denn es konnte nicht dargelegt werden, dass der Untergrund mangelhaft war. Auch der Laminatbelag selbst war nicht minderwertig.

Generell wird aber immer wieder vor Gericht fälschlicherweise gemeint, dass, wenn ein Mangel innerhalb der Vermutungsfrist behauptet wird, der Übergeber des Werkes nicht nur zu beweisen hätte, dass der Mangel nach der Übergabe entstanden wäre, sondern dass er auch belegen müsste, dass kein Mangel vorliegt. Dies ist aber, wie ausgeführt, ein großer Irrtum. Denn Letzteres liegt beim Kunden. Als Anmerkung wird darauf verwiesen, dass diese oben erwähnte sechsmonatige Vermutungsfrist in der Gewährleistungsnovelle 2022 insofern ergänzt wurde, als sie beim Kauf von beweglichen Sachen für Verbraucher  auf 12 Monate erweitert wurde.

Auch bei den Malerarbeiten wurden im Prozess Mängel beanstandet, wieder gab es keine Möglichkeit, dass diese vom Handwerker beseitigt worden wären. Es wäre eine „gesundheitsschädliche“ Farbe verwendet worden und die Wasserflecken noch sichtbar. Für die Wasserschäden gab es zwar 1.200 € Ersatz zugesprochen, nur, das Vorliegen des Mangels, dass die Farbe   giftig sei, konnte der Kläger nicht beweisen. Auch der Sachverständige fand keinen Anhaltspunkt für die fehlende Eignung der Farbe. Die verwendete Farbe war zwar nicht TÜV-zertifiziert, es bestand aber kein eklatanter Unterschied zu zertifizierten Produkten. Auch sonst war nicht feststellbar, dass die auf den Decken- und Wandflächen im Wohnhaus der Kläger verwendete Farbe nach Auftragung und Trocknung gesundheitsschädlich wäre.

Als Nächstes ging es um eine einzelne Fliese, wo im Zuge der Anhebung einer Bodenübergangsleiste ein Riss entstanden war. Da diese Fliese im Handel nicht mehr erhältlich war, wollte der Auftraggeber den gesamten Fliesenboden ausgetauscht haben. Diese sogenannte Naturalrestitution des Bodens scheidet wegen Untunlichkeit dann aus, „wenn sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand an Kosten und Mühe erfordert“. Fiktiv wird hier ein „verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer“ herangezogen und die Frage gestellt, ob dieser den vollständigen Austausch aller Fliesen trotz eines die objektive Wertminderung übersteigenden Instandsetzungsaufwands durchführen lassen würde, wenn er selbst die Kosten übernehmen müsste. Da mit einer neuen, breiteren Schiene der Riss überdeckt werden kann, ließ der OGH keine neue Verfliesung zu, noch dazu wo bereits eine wertmäßige Abnutzung durch das Alter von 50 % gegeben war. Im Schadenersatzrecht, gibt es nämlich keinen Anspruch von „Neu für Alt“, also dass man für ein gebrauchtes Werk ein völlig Neues erhalten kann.