Holz-Beton-Verbunddecken – ein System mit Zukunft

Ein Artikel von Reinhold Steinmaurer | 25.05.2023 - 10:44
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Reinhold Steinmaurer, Normung und Technik, holzbau austria © holzbau austria

HBV-Decken vereinen zwei Baustoffe mit unterschiedlichen Fähigkeiten in idealer Weise. Dieser Artikel zeigt, welche wesentlichen Vorteile Holz-Beton-Verbunddecken bieten, die als vorgefertigte Elemente hergestellt werden. Mit der Entscheidung für eine bestimmte Baumethode wird eine Entscheidung über die in Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes entstehenden CO2-Emissionen von der Baustoffherstellung über die Gebäudeerrichtung bis hin zum Rückbau oder Abbruch gefällt. Die zunehmende Bedeutung dieser Thematik hat eine Reihe von Innovationen, unter anderem die Weiterentwicklung von Holz-Beton-Verbunddecken, mit sich gebracht.

Nachhaltigkeit

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In der HTL-Retz wurde eine Hybrid-Flachdecke verbaut. Die Holzkonstruktion besteht aus einer 20 cm dicken, 5-schichtigen BSP-Platte und einer 14 cm dicken Betonebene. Aufgrund der hohen Anforderungen an den Schallschutz und das Schwingungsverhalten wurde die Betonebene dicker als gewöhnlich gewählt. © Oberndorfer

Es ist gelungen, mehrere Anforderungen an das Deckensystem zu optimieren, wie beispielsweise:

  • Die Reduktion der CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Berücksichtigung von bauphysikalischen Anforderungen wie Brandschutz, Schallschutz und sommerliche Erwärmung
  • sowie die Vorbereitung für die Rückbaubarkeit des Deckensystems (Erfüllung der Cradle-to-Cradle-Anforderungen).

Dies geschieht bei gleichzeitigem Erhalt der Individualität in der Planung. Diese Vorteile, bei gleichzeitig hoher Produktqualität durch Vorfertigung, schaffen somit eine optimale Lösung. Dabei ist es nicht zielführend, im Wettbewerb der Materialien etwa die Kosten der unterschiedlichen Deckensysteme zu vergleichen, ohne die Vorteile einer kürzeren Bauzeit durch weitgehend witterungsunabhängige Produktion mit einem hohen Vorfertigungsgrad und Einsparungen bei Trocknungszeiten zu berücksichtigen. Es müssen beim einzelnen Objekt sämtliche Auswirkungen, unter Berücksichtigung von spezifischen Rahmenbedingungen, wie erforderliche Spannweiten, Anzahl der Geschoße bei möglicher Gebäudehöhe, vorgegebene Bauzeit, Erreichung bestimmter CO2-Emissionswerte und Finanzierungskosten u.a. bewertet werden.

Dabei ist die Einhaltung der gemeinsamen Grundlage in Form der bautechnischen Vorschriften selbstverständlich. Zudem können bei HBV-Decken zusätzlich monetär nicht bewertbare Gewinne, wie ein besseres Raumklima und damit das Wohlbefinden des Nutzers lukriert werden.

Hybrid-Flachdecke: B2/q=3,0 kN Spannweite 7,10 m; Betondicke 100 mm

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Die GWP-Berechnung erfolgte mit IBO-Richtwerten 2020 und für einen Zeithorizont von 100 Jahren. Es wird das globale Erwärmungspotenzial der einzelnen Bestandteile je m2 Decke angegeben. Die während des Transports und der Produktion entstehenden Treibhausgase sind nicht berücksichtigt.

Anforderungen der Praxis

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© Oberndorfer

Ein wesentliches Ziel ist es, eine raschere Bauzeit durch witterungsunabhängige Vorfertigung mit einem maximalen Vorfertigungsgrad zu erreichen. Gleichzeitig soll eine individuelle Planung möglich sein. Es sollen auch große Spannweiten bei gleichzeitiger Erfüllung der Anforderung an die Gebrauchstauglichkeit, wie die Durchbiegung und das Schwingungsverhalten hergestellt werden können. Dabei ist immer darauf zu achten, dass in Bezug auf bauphysikalische Anforderungen der Materialeinsatz dahin gehend optimiert wird, dass eine möglichst geringe Konstruktionshöhe entsteht. Es kann auch mit der Dicke der Betonebene variiert werden, wobei diese zwischen 10 cm und 14 cm üblich ist. Zudem gibt es unterschiedliche Arten der Übertragung von Schubkräften zwischen Holz und Beton, wie Schrauben, Bolzen, Kerven und  Schubverbundbleche.

Diese zahlreichen Wahlmöglichkeiten mit individuellen Stärken schaffen eine optimale Lösung bei gleichzeitig hoher Produktqualität durch Vorfertigung. Es sollte jedenfalls in der Planungsphase eine Vordimensionierung stattfinden, damit alle weiteren Betrachtungen auf einer realen Grundlage aufbauen.

Tipps von Experten

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© Oberndorfer

Zwei Profis, die als Vertreter eines renommierten HBV-Herstellers auf einige Erfahrungen zurückblicken, sind Klaus Engelhart und Christoph Mostler vom Unternehmen Oberndorfer Hybrid System. Sie haben folgende Argumente vorgebracht:

  • Durch die schlanke Betondeckung reduziert sich das Flächengewicht im Vergleich zu rein mineralischen Deckensystemen.
  • Die Betonebene verbessert neben der Tragfähigkeit auch den Trittschallschutz und die Kapazität zur Wärmespeicherung.
  • Hybridbalkendecken sind ideal bei größeren Spannweiten (z.B. in Bürogebäuden) und können wirtschaftlich bis zu 9 m gespannt werden.
  • In einer Hybridbalkendecke ist die Haustechnik ideal integrierbar (mehr als nur die Leerverrohrung).
  • Hybridflachdecken sind ideal im Wohnbau einzusetzen.
  • Bei erhöhten Anforderungen und größeren Spannweiten z.B. im Schulbau kann die Erfüllung der Anforderungen an den Schallschutz und das Schwingverhalten durch eine größere Betondicke erreicht werden. 
  • Eine Hybrid-Dippelbaumdecke kann mit einer Spannweite von bis zu 9 m verlegt werden und zeichnet sich durch enorme Rohstoffeinsparung mit geringstem Restholzaufkommen aus (doppelt so viel Materialausnutzung wie bei einer Hybridflachdecke). Zudem wird sie absolut leimfrei hergestellt.
  • Alle Systeme sind unterstellungsfrei, schnell und trocken versetzbar.
  • In allen Systemen kann die Haustechnikbereits bei der Produktion im Werk integriert werden.
  • HBV-Decken können mit einer fertigen Oberfläche in Sichtqualität hergestellt werden.
  • Als jüngste Entwicklung wurde eine HBV-Decke mit Betonkernaktivierung umgesetzt.
  • Die meisten Systeme erfüllen bereits die Cradle-to-Cradle-Anforderungen.
  • Durch den Einsatz von Holz in den hybriden Deckensystemen ergibt sich ein negativer Wert für das Global Warming Potential (GWP).