Paradigmenwechsel für eine Kreislaufwirtschaft im Holzbau

Ein Artikel von Leonhard Huetz | 05.08.2024 - 09:42
Portrait_LeonhardHuetz.jpg

Holzbau-Meister Leonhard Huetz, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, holzbau austria © holzbau austria

Design for Disassembly (DfD) ist ein innovatives Designkonzept, das darauf abzielt, Gebäude und Produkte so zu gestalten, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer leicht demontiert und die Materialien wiederverwendet oder recycelt werden können. Aufgrund der speziellen Merkmale des Holzbaus, wie die der Vorfertigung, die Verwendung großformatiger Bauteile und der mehrschichtige Wandaufbau, müssen die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft entsprechend den Charakteristika des Holzbaus angepasst werden. 

Gebäudestruktur

metawissen1.JPG

© Quelle: Forschungsbericht t-lab

Das Konzept der Scherschichten nach Brand betrachtet Gebäude als eine Reihe von Komponenten, die sich in unterschiedlichen Zeitskalen entwickeln. Die Berücksichtigung bei der Gebäudekonzeption verbessert die Rückbaubarkeit dabei erheblich. Schichten können somit einfacher zerstörungsfrei ausgebaut und wiederverwendet oder recycelt werden. Daher sollten die unterschiedlichen Schichten so gestaltet werden, dass sie sich problemlos voneinander trennen und demontieren lassen. Modulare Aufbauten und großflächige vorgefertigte Elemente lassen sich leichter demontieren.

Fügung / Verbindung

Anstelle permanenter Verbindungen wie Klebstoffen und Verbundwerkstoffen werden reversible Verbindungstechniken wie Schrauben, Bolzen und Klemmen verwendet, die eine einfache Demontage ermöglichen. Auch traditionelle Zimmermannsverbindungen können durch ihre teils leichtere Demontage von Vorteil sein.

Untersuchungen zur Lösbarkeit von Schrauben

Eine Vorstudie im Rahmen des Verbundforschungsprojekts „Wandelbarer Holzhybrid“ untersuchte die Lösbarkeit von Schrauben verschiedener Typen und Einbindelängen in Buchen-Furnierschichtholz und Fichtenholz. Die Ergebnisse zeigten, dass Schrauben in Buchenholz ohne Vorbohrung nur bis zu einer Länge von 80 mm und in Fichtenholz ab einer Länge von 380 mm nicht mehr lösbar waren. Vorbohren und kurze Einbindelängen erhöhten die Lösbarkeit, beeinträchtigten jedoch die Tragfähigkeit bei mehrfacher Verwendung der Schraubenkanäle.

Dokumentation und Herausforderungen

Für die Zugänglichkeit und Lösbarkeit statisch wirksamer Verbindungen ist die Dokumentation ihrer Position und Anzahl entscheidend, jedoch sind diesbezüglich noch keine etablierten Strukturen vorhanden. Es gibt vielversprechende Ansätze wie formschlüssige Verbindungen und spezielle Konus-Adapter, die durch ihre größere Lastübernahme in geringerer Anzahl eingesetzt werden können. Diese müssen jedoch präzise gefertigt und definiert sein.

Trennbarkeit von Komponenten

metawissen2.JPG

Konzept der Scherschichten in Anlehnung an Brand, Shearing layers of change, 1994, Darstellung nach Brand 1994, Forschungsbericht t-lab, Rheinland-Pfälzische Technische Universität

Die Rückbaubarkeit von Holzbekleidungen und Fassaden, die mit Schrauben befestigt sind, wird als zeitaufwendig beschrieben, besonders wenn die Verschraubungen durch Verwitterung beeinträchtigt sind. Alternativen wie Klemm- oder Einhängesysteme aus der Fassadentechnik könnten hier wirtschaftlichere Lösungen bieten.

t_lab_Konusadapter.jpg

Lösbare Konus-Verbindung, t-lab, Holzarchitektur und Holzwerkstoffe © t-lab

Forschungsbedarf

Die beschriebenen Herausforderungen verdeutlichen den erheblichen Forschungsbedarf im Bereich der Verbindungs- und Befestigungsmittel im Holzbau. Effiziente und wirtschaftlich darstellbare Rückbausysteme sind notwendig, um die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen vollständig umzusetzen.

Einzelkomponente und Material:

Die Materialgesundheit und Zusammensetzung der verwendeten Materialien müssen dokumentiert und transparent dargestellt werden, wobei ungiftige und nicht gefährliche Materialien verwendet werden sollten. Bei der Materialauswahl sollten bevorzugt nachwachsende Rohstoffe sowie wiederverwendbare und recyclebare Materialien berücksichtigt werden. Insbesondere im modernen Holzbau, der zunehmend Plattenwerkstoffe wie Span-, Faser- und Lagenwerkstoffe einsetzt, ist die Qualität der Bindemittel von großer Bedeutung. Umweltfreundliche und gesundheitsverträgliche Alternativen, wie Produkte, die Lignin als Bindemittel nutzen, sind verfügbar, jedoch nicht weit verbreitet. Es erfordert eine genaue Kenntnis der Materialien seitens der Planenden, um sicherzustellen, dass diese umwelt- und gesundheitsschonenden Produkte verwendet werden. Die Hersteller sind aufgefordert, detaillierte Informationen über die verwendeten Inhaltsstoffe bereitzustellen, um die Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten.

Dokumentation und Kennzeichnung: 

Eine detaillierte Dokumentation und Kennzeichnung der verwendeten Materialien und Verbindungen erleichtert die spätere Demontage und Wiederverwendung. Im Speziellen ist hier auf den digitalen Gebäuderessourcenpass hinzuweisen. Er dient als Speicher für Gebäudeinformationen über den gesamten Lebenszyklus und ähnelt der Idee des Energieausweises. Dieses Dokumentationsformat liefert Informationen über die verwendeten Materialien, ihre Klimawirkung und ihre Kreislauffähigkeit. Es gibt Aufschluss darüber, welche Bauteile und Komponenten in Zukunft demontierbar, trennbar und verwertbar sind und wer der Besitzer ist. Zudem werden die CO2-Emissionen, die durch den Bau und Betrieb von Gebäuden entstehen, erfasst. Diese Daten machen alle Lebenszyklusphasen transparent – vom Design bis zu einem Neubau, einer geplanten Wiederverwendung, Abbruch und Recycling. Dies ermöglicht eine konsistente Kreislaufwirtschaft und die Nutzung „urbaner Minen“ zur Materialgewinnung.

Schlussfolgerung

Das CircularWood-Projekt der TUM stellt einen wichtigen Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Bauindustrie dar. Durch die Kombination von theoretischen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen liefert das Projekt wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft im Holzbau. 

Der vollständige Projektbericht und weitere Informationen sind auf der Projektwebseite circularwood.net und im TUM Medienarchiv mediatum.ub.tum.de/1725475 verfügbar. Förderung für Kreislaufwirtschaft des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.