Mit Kreuzgewölbe garniert

Ein Artikel von Raphael Zeman | 03.03.2020 - 10:07
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Das Restaurant wurde nach dem Vorbild einer viktorianischen Orangerie gebaut. © Morris + Company

Das Wildernesse Restaurant ist mit seinen 198 m2 das soziale Herz der Anlage und dementsprechend nicht nur den Bewohnern des Anwesens, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich. Früher lag hier der Küchengarten mitsamt einer viktorianischen Orangerie, also einer Art Wintergarten mit Pilastern und großzügigen Fensterflächen zum Unterstellen meist exotischer, wertvoller Pflanzen. Diese Typologie griff das Architekturbüro Morris+Company aus London auf und errichtete mithilfe von 84 m3 Holz einen Neubau als zeitgenössische Adaption.

Modulares Kreuzgewölbe

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Das Äußere des Pavillons verweist auf das historische Vorbild der viktorianischen Orangerie und greift die Fassade des denkmal- geschützten Hauptgebäudes auf. © Morris + Company

Auf einem Fundament aus solidem Mauerwerk erhebt sich ein werkseitig vorgefertigter, modularer Holzbau. Der Raster von 4 mal 4 m ist von Säulen definiert, durch Bögen verbunden und obenauf mit einem Kreuzgewölbe „garniert“. Die Oberflächen sind sichtbar belassenen, Brettsperrholz dominiert den Innenraum. Die beiden zentralen Module sind höher ausgeführt und erzeugen eine sogenannte Dachlaterne unter der die offene Küche verortet ist. Die großzügigen Bogenfenster sind an jene des benachbarten, historischen Baus angelehnt, während die Aluminiumfassade dessen Farbton aufgreift. Im Innenraum schaffen die Bodenfliesen sowie die Arbeitsplatte aus Beton einen interessanten Kontrast zwischen weichen und harten beziehungsweise warmen und kalten Materialien. Grundkonzept für die Konstruktion war die wiederholte Verwendung von minimalistischen Elementen, was sich sowohl an den Strukturelementen im Inneren als auch an der Fassade ablesen lässt.

Funktion steht im Vordergrund

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© Morris + Company

Eine auf der Südseite vorgelagerte Terrasse bettet den Pavillon in die idyllische Landschaft. Zudem stellt sie eine Verbindung zum angrenzenden Obstgarten her. Generell war den Architekten ein schlüssiges Gesamtkonzept wichtig, wie Joe Morris, Gründer von Morris+Company, betont: „Alle Elemente des Pavillons sind durch verschwimmende Grenzen und großformatige Fenster mit der Landschaft verbunden.“ Gleichzeitig unterstreicht Morris das Bestreben, das Restaurant als zentrales Element der Gesamtkomposition hervorzuheben und klar von der Umgebung zu differenzieren. Außerdem kommuniziere der Pavillon „durch seine Form, Größe, Erscheinung und Materialität eine öffentlichere Funktion [als das Haupthaus, Anm. d. Red.], die sich eher aus der vorgefertigten Herstellung und dem Wunsch nach Praktikabilität ergibt anstatt aus einem starrsinnig malerischen Idealismus“. Aufgrund ebendieser Vorfertigung betrug die Bauzeit vor Ort lediglich zwei Wochen. Versteckte, mit verspielten Gittern verzierte Wandpaneele können zu Lüftungszwecken geöffnet werden und spiegeln die Paarung von pragmatischem Ansatz und hochwertiger Ausführung wider.

Um das Ensemble zu komplettieren, ließ PegasusLife zudem den denkmalgeschützten Gebäudebestand restaurieren. Den dahingehenden Auftrag für den Umbau der Stallungen zu Wohnungen sicherte sich Morris+Company ebenfalls. Bei den britischen Wood Awards erzielten die Architekten mit dem Wildernesse Restaurant Ende vergangenen Jahres eine Auszeichnung als „Highly Commended“.

Projektdaten

Standort: Sevenoaks, Kent/GB
Fertigstellung: 2018
Bauherr: PegasusLife Development
Architektur: Morris+Company
Tragwerksplaner: Peter Brett Associates
Generalunternehmer: Shaylor Group
Zimmerer: Carr Grange Joinery
Holzbauingeniuer: Eurban Ltd
Nutzfläche: 198 m2
Holzmenge: 84 m3